Gegen das Schweigen

  15 Juni 2019    Gelesen: 595
Gegen das Schweigen

Im Funkhaus des Deutschlandfunks ist der Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik verliehen worden – an den inhaftierten saudischen Blogger Raif Badawi und das „European Journalism Observatory“ (EJO). Badawis Frau Ensaf Haidar sagte, es sei eine Pflicht, die Freiheit des Denkens und die Menschenrechte zu verteidigen. Günter Wallraff betonte, so sehr Badawi unsere Solidarität brauche, so sehr brauchten wir seine Stimme.

Raif Badawi ist in Saudi-Arabien wegen seiner publizistischen Tätigkeit zu zehn Jahren Haft, 1.000 Peitschenhieben und einer hohen Geldstrafe verurteilt worden. Ensaf Haidar nahm den Preis für ihren Mann im Dlf beim „Kölner Forum für Journalismuskritik“ entgegen.

Haidar betonte, nur wenige wüssten, dass Raif Badawi zunächst zum Tod durch das Schwert verurteilt worden sei – nur weil er von seinem Recht Gebrauch gemacht habe, seine Meinung friedlich zu äußern, weil er laut „nein“ zu erstickenden Kontrolle durch den Klerus und die religiöse Elite gesagt habe. Auch wenn ihm das Schicksal des Todes durch das Schwert erspart geblieben sei: Es gebe viele andere Gefangene, die wegen ihres Gewissens im Iran, in Saudi-Arabien, Pakistan und anderen Ländern zum Tode verurteilt worden seien.

„So sehr brauchen wir seine Stimme“

Ensaf Haidar sagte, sie glaube, dass es möglich sei, die Welt zum Besseren zu verändern. Sie jedenfalls werde für das Recht auf freie Meinungsäußerung kämpfen – auch für all jene, mit denen sie nicht übereinstimme. Veränderungen fänden nicht statt, solange man zulasse, dass „die Angst uns zum Schweigen“ bringe.

Der Investigativjournalist Günter Wallraff, Namensgeber der Auszeichnung und INA-Ehrenmitglied, sagte, Badawi sei ein Visionär, dessen Bedeutung über die Kritik am saudischen Gottesstaat hinausreiche. Mit der Auszeichnung ehre man nicht nur einen bewundernswerten Menschenrechtler. Es gehe auch um ein Zeichen gegen das Vergessen, denn um Raif Badawi sei es zu leise geworden. So sehr er unsere Solidarität benötige, so sehr brauchten wir seine Stimme. Darum sei es auch nötig, den Druck auf Saudi-Arabien zu erhöhen.

In ihrer Laudatio wies Dlf-Chefredakteurin Birgit Wentzien darauf hin, dass auch Badawis Anwalt inhaftiert sei, ebenso seine Schwester Samar. Sie betonte auch an die Adresse von Ensaf Haider: „Wir sind an ihrer Seite.“

„Geht mit Schwächen stark um“

Wentzien ging in ihrer Laudatio auch auf den zweiten Preisträger ein, das „Europäische Journalismus-Observatorium“. Sie hob hervor, das EJO sei ein „im besten Sinn europäischer Beobachtungsposten“. Das EJO beobachtet und vergleicht Journalismus-Kulturen in Europa und in den USA. Es hat sich zur Aufgabe gesetzt, die Qualität im Journalismus zu stärken und zu einem internationalen objektiven Informationsaustausch beizutragen. Die Jury bescheinigt dem EJO mit Forschern aus 14 Ländern, einzigartig in seiner Funktion als Brückenbauer zwischen den Journalisten und dem Journalismus in Europa zu sein. 

Wentzien sagte, was ihr besonders imponiere, sei die Aufforderung des EJO: „Geht mit Schwächen stark um! Übt Medienselbstkontrolle.“ Es gehe darum, Userinnen und User in die journalistische Werkstatt blicken und sie an redaktionellen Prozessen teilhaben zu lassen. Das sei Transparenz nicht als Tugend-Terror, sondern als journalistische Selbstverständlichkeit. Letztlich sei das Ziel dabei auch das Vertrauen in den Journalismus, das man bewahren oder zurückgewinnen müsse.

Verleihung beim Kölner Forum für Journalismuskritik

Der Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik wird von der „Initiative Nachrichtenaufklärung“ (INA) verliehen. Das Preisgeld von insgesamt 10.000 Euro geht zu gleichen Teilen an das EJO und an Raif Badawi.

Die Preisverleihung ist der traditionelle Abschluss des „Kölner Forums für Journalismuskritik“. Es wird von der Nachrichtenredaktion des Deutschlandfunks und der Initiative Nachrichtenaufklärung ausgerichtet.

 

deutschlandfunk


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