Viel Luxus, ein bisschen Öko

  04 Juli 2019    Gelesen: 878
  Viel Luxus, ein bisschen Öko

Bentley verpasst seinem Prunk-SUV Bentayga mit einem Plug-In-Hybrid-Antrieb ein grünes Mäntelchen. Doch der Antrieb ist nicht so opulent, wie er sein sollte - und nicht so effizient, wie er sein könnte.

Der erste Eindruck:  War da was?! Auch als Plug-In-Hybrid trägt der Bentayga sein protziges Ornat und ist nur an seeeehr kleinen Schriftzügen als, hüstel, Öko-Mobil zu erkennen. Während die Schwestermarke Porsche ihren Hybriden giftgrüne Bremssättel beschert, fährt der säuselnde Brite nahezu inkognito.

Das sagt der Hersteller:  "Das Beste aus zwei Welten", verspricht Bentley-Chef Adrian Hallmark für den Bentayga Hybrid. Er schwärmt von mitreißender Performance in freier Wildbahn und preist das stille, saubere Fahren in der Stadt. Vor allem den zweiten Zustand sollen bald noch mehr Bentley-Kunden erleben: Der Bentayga sei nur der erste Schritt in Richtung Elektrifizierung der Marke, ergänzt Pressesprecher Wayne Bruce. Er verspricht bis Ende 2023 für jede Modellreihe eine Hybrid-Variante. Spätestens 2025 soll auch ein reines Elektroauto folgen. "Hoffentlich sogar ein bisschen früher."

Das ist uns aufgefallen:  Wo ein Bentley sonst beim Anlassen erst einmal lautstark seinen Motor hören lässt, fährt dieser Bentayga in gespenstischer Stille vom Hof - denn mit dem Druck auf den Startknopf schaltet man erst einmal nur die E-Maschine scharf. Die hat 94 kW und 350 Nm Drehmoment und ist stark genug, das Dickschiff von 2,6 Tonnen alleine zu bewegen - zur Not sogar bis 135 km/h.

Allerdings nur, wenn der Fahrer mitspielt. Denn soll der Verbrenner nicht geweckt werden, braucht es einen sensiblen Gasfuß, dann darf das Pedal nur noch gestreichelt werden. Ist das erst einmal verinnerlicht, surrt und schnurrt der Bentayga wunderbar unaufgeregt dahin und wird zu einer Oase der Ruhe und Entspannung im Stress des Stadtverkehrs.

Wobei dort aufgrund der außergewöhnlich guten Dämmung kaum ein Unterschied zwischen den Betriebsmodi spürbar ist. Selbst wenn sich der Verbrenner zuschaltet, geschieht das fast unmerklich. Unruhe verursacht da schon eher der Blick auf die Grafik über der Navigationskarte, mit der die Reichweite illustriert wird. Denn auch wenn Bentley in der Theorie rund 50 Kilometer verspricht, ist der Puffer in der Praxis deutlich kleiner. Ein, zwei beherzte Ampelsprints und die Klimaanlage bei diesen Temperaturen etwas stärker aufgedreht - und schon sind wieder ein paar Kilometer perdu.

Wenn der Elektromotor seinen Dienst wegen leeren Akkus vorübergehend quittiert, nimmt der Spaß weiter ab. Nicht, dass man mit den 340 PS und 450 Nm des V6 wirklich untermotorisiert wäre. Ein Sprintwert von 5,5 Sekunden sowie ein Spitzentempo von 254 km/h sind noch immer mehr als ausreichend. Doch ausreichend ist eben nicht das Prädikat, mit dem sich Bentley bislang schmückte. Stattdessen steht die Marke für Leistung im fast schon obszönen Überfluss. Und ob die Kunden den Sparkurs der Briten goutieren, wird sich erst noch zeigen.

Das muss man wissen:  Für den Hybrid-Antrieb kombiniert Bentley einen bei Audi entwickelten V6-Benziner mit einem E-Motor, der im Automatikgetriebe integriert ist. Zusammen kommen die beiden Triebwerke auf eine Leistung von 449 PS und ein maximales Drehmoment von 700 Nm.

Gespeist wird der Stromer aus einem Akku von 13 kWh, der ohne Platzeinbußen unter dem Kofferraumboden montiert ist. Finale Messwerte gibt es noch nicht, so dass Bentley keine Normreichweite und keinen Verbrauch nennen kann. Doch sollen der Strom für bis zu 50 Kilometer reichen und der CO2-Ausstoß unter 100 g/km sinken.

Danach muss der Bentayga für 2,5 bis 7,5 Stunden an die Steckdose. Denn anders als andere Plug-In-Hybride bietet das Modell keinen Betriebsmodus, der überschüssige Motorleistung zum Nachladen des Akkus nutzt. Immerhin lässt sich die Elektronik so programmieren, dass der Ladestand quasi eingefroren werden und der Fahrer selbst bestimmen kann, wann und wo der Bentayga elektrisch fährt.

Die Begeisterung von Bentley-Chef Hallmark über sein Baby schmälert das nicht. Er schwärmt vom ersten echten Luxus-SUV mit Plug-In-Hybrid. Doch da nimmt er den Mund ein bisschen voll. Technisch gesehen, weil es den gleichen Antriebsstrang auch in den Schwestermodellen Audi Q7 und Porsche Cayenne gibt. Außerdem gibt es auch den Range Rover als Teilzeitstromer.

Und auch beim Thema Luxus hat der Bentayga Hybrid nur eingeschränkt die Nase vorn. Klar, Ambiente und Ausstattung sind auf dem gewohnten Niveau, der Brite bietet vom Nachtsichtsystem bis zu der mit Brillanten besetzten Breitling-Uhr im hölzernen Cockpit ein Interieur sondergleichen. Aber der geliehene Antriebsstrang wirkt unentschlossen. Weder ist der Wagen konsequent auf Spritersparnis getrimmt - sonst hätte Bentley, wie im Range Rover, einen Vierzylinder als Verbrenner eingebaut und den Insassen den Luxus eines grünen Gewissens beschert. Oder aber das Pendel konsequent in die andere Richtung ausschlagen lassen - und einen Teilzeitstromer mit Zwölfzylinder auf die Räder gestellt.

Am Erfolg des elektrischen Erstlings werden diese Überlegungen allerdings trotzdem nichts ändern. Aus einem ganz einfachen Grund. Mit einem Preis von 165.000 Euro ist der ab dem vierten Quartal lieferbare Bentayga Hybrid der mit Abstand billigste Bentley in der Palette.

Das werden wir nicht vergessen:  Das grüne "Spiegelei" auf der Navigationskarte, das den elektrischen Aktionsradius anzeigt. In einem Auto, das sonst mittlere zweistellige Verbrauchswerte erreicht, fühlt sich das an wie ein Heiligenschein. Aber genau wie die Grafik ist auch dieser Glorienring ziemlich verbeult. Denn so richtig effizient ist der Bentley natürlich trotzdem nicht.

Fahrzeugschein
Hersteller: Bentley
Typ: Bentayga Hybrid
Karosserie: SUV
Motor: V6-Turbo-Benzindirekteinspritzer
Getriebe: Achtgangautomatik
Antrieb: Allrad
Hubraum: 2.995 ccm
Leistung: 449 PS (330 kW)
Drehmoment: 700 Nm
Von 0 auf 100: 5,5 s
Höchstgeschw.: 254 km/h
Kraftstoff: Benzin
Kofferraum: 431 Liter
Gewicht: 2.626 kg
Maße: 5140/1998/1742
Preis: 165.000 EUR

spiegel


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