Darauf haben die antiiranischen Kräfte in den USA um Präsident Donald Trump hingearbeitet, meint der Politikwissenschaftler Hubert Thielicke: Am Sonntag erklärte der Iran, sich nicht mehr an die Verpflichtungen des „Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans“ (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA) von 2015 zu halten. Der Iran will nun an die im Plan vereinbarte Grenze für die Urananreicherung von 3,67 Prozent des Isotops Uran 235 überschreiten und diese je nach Bedarf erhöhen.
Das sei das US-Ziel gewesen, seit Washington im vergangenen Jahr den Austritt aus dem Abkommen ankündigte, so Thielicke in der Juli-Ausgabe der Zeitschrift „WeltTrends“ (Heft 153). Die erschien wenige Tage vor der Meldung aus Teheran. Im Mai 2018 hatte US-Außenminister Mike Pompeo Forderungen an den Iran erhoben, die das JCPOA in Frage stellen. Die US-Maßnahmen zielen laut Thielicke „offensichtlich darauf ab, das Nuklearabkommen nun endgültig zu Fall zu bringen. Seine Gegner – die antiiranischen Falken um Trump – sehen den einzigen Weg zu seiner Zerstörung darin, ‚Teheran zu zwingen, es zu verletzen‘.“
Iran steht US-Interessen im Weg
Das aktuelle Heft des außenpolitischen Journals aus Potsdam beschäftigt sich in mehreren Beiträgen mit dem „Brennpunkt Iran“. Thielicke zeichnet darin den Weg seit dem einseitigen Austritt der Trump-Administration vorm Mai letzten Jahres aus dem multilateralen Abkommen zu Irans Atomprogramm bis heute nach. Er warnt dabei vor den Folgen der Eskalation: „Politikern von Washington bis Teheran wie auch im gesamten Nahen Osten dürfte klar sein, dass ein militärischer Schlagabtausch zu verheerenden Folgen in der Region führen und die Weltwirtschaft erheblich schädigen würde.“
Washington sehe im Iran eine feindliche Regionalmacht, „die sich den Interessen der USA nicht fügt und auch gegen ihre Verbündeten, insbesondere Israel und Saudi-Arabien, auftritt“, so Thielicke. Das sieht er als Hintergrund der US-Politik des „maximalen Drucks“, mit Washington Teheran in die Knie zwingen wolle.
Das weitergehende Ziel sei es, die multilaterale Vereinbarung von 2015 ganz zu Fall zu bringen, schreibt Thielicke. Er benennt Teherans Reaktionen auf die US-Schritt mit denen JCPOA gerettet werden sollte. „Bereits nach dem Austritt der USA aus dem Nuklearabkommen hatte Teheran mehrmals die verbleibenden Partner, insbesondere die EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien, aufgefordert, die negativen Folgen auszugleichen und das Gleichgewicht im Abkommen wiederherzustellen.“
Hilflose und zaghafte Europäer
Doch diese Staaten hätten „außer politischen Erklärungen keine sinnvolle und wirksame Aktion unternommen, um die Folgen der US-Maßnahmen zu kompensieren“. Das hatte das iranische Außenministerium am 9. Mai dieses Jahres festgestellt, so Thielicke. Ebenso hätten die Schlichtungstreffen keine Ergebnisse gebracht. Daraufhin habe Teheran am 8. Mai dieses Jahres erklärt, den Partnern des JCPOA 60 Tage Zeit zu geben, ihren Verpflichtungen gegenüber dem Iran nachzukommen.
Dabei sei der am Sonntag nun vollzogene Schritt angekündigt worden: „Komme es nicht dazu, wolle Teheran schrittweise im JCPOA übernommene Maßnahmen einstellen. Dabei beruft es sich auf Artikel 26, der Iran berechtigt, im Falle der Wiederaufnahme von US-Sanktionen seine Verpflichtungen insgesamt oder teilweise einzustellen.“ Thielicke fasst die iranische Position so zusammen: „Mit anderen Worten, im Grunde haben die US-Maßnahmen Iran zu diesen Maßnahmen gezwungen.“
Der Autor, selbst Experte für nukleare Abrüstung, beschreibt ebenso, wie der Iran seine Positionen auf der internationalen Ebene wiederholt erklärt und deutlich gemacht hat. Gleichzeitig stellt er fest: „Deutschland, Frankreich, Großbritannien und auch die EU-Kommission taktieren hilflos, geben nur zaghafte Erklärungen gegen die US-Maßnahmen ab, fordern jedoch ‚Iran dringend auf, seine Verpflichtungen aus dem JCPOA wie bisher uneingeschränkt umzusetzen und sich aller eskalierenden Schritte zu enthalten‘.“
Altbekannte US-Strategie
Thielicke verweist darauf, dass die Erdölexporte für den Iran von „erstrangiger Bedeutung“ sind. Gleichzeitig würden einige auf EU-Seite, das Abkommen auf die Themen Syrien und iranisches Raketenprogramm erweitern wollen. Das sei aber für Teheran nicht akzeptabel, so der Autor. Russland und China würden dagegen Verständnis für die iranische Position äußern und sich entsprechend verhalten.
„Die USA und ihre Verbündeten in der Region scheinen auf weitere Eskalation zu setzen“, schreiben die Politikwissenschaftler Behrooz Abdolvand und Heinrich Schulz in dem „WeltTrends“-Heft in einer Analyse des US-Iran-Konfliktes. Die US-Schritte gegen die Atom-Vereinbarung sowie Vorwürfe wegen angeblicher iranischer Angriffe auf Tanker „erinnern fatal an die Geschehnisse im Vorfeld des Dritten Golfkrieges, das heißt die Anschuldigungen der damaligen US-Administration gegenüber Saddam Hussein über die Produktion von Massenvernichtungswaffen durch den Irak“.
Das US-Vorgehen gegenüber dem Iran „ähnelt der US-Politik der letzten drei Dekaden auf dem Balkan und im Nahen Osten“. Diese habe mit allen Mitteln versucht, Länder, die sich den US-Interessen widersetzen und eigene Interessen verfolgen, zu brechen. Dazu hätten falsche Vorwürfe wegen angeblich drohender Produktion und Einsatz von Massenvernichtungswaffen ebenso gehört wie militärische Erpressung. „Zusätzlich werden Forderungen zur Entwaffnung gestellt, damit sich die Kosten für eine spätere militärische Intervention auf ein Minimum reduzieren; schließlich soll durch den massiven Einsatz militärischer Kräfte ein Regime Change erzwungen werden.“
Scheitern die USA beim Iran?
Abdolvand und Schulz sind sich sicher, dass diese Strategie im Fall Iran nicht erfolgreich sein wird. „Heute spekulieren die USA darauf, dass infolge ihres Drucks die Iraner früher oder später den Aufstand gegen das Regime wagen. Natürlich wünschen sich viele Iraner mehr Demokratie, Meinungsfreiheit, zivile Freiheiten sowie das Ende der außenpolitischen Isolation ihres Landes. Gleichzeitig gibt es wenig Anzeichen dafür, dass Trumps Politik aufgeht, die Iraner mittels ‚maximalem Druck‘ dazu zu bringen, das Regime zu stürzen.“
Die Autoren beschreiben die Situation der Schiiten im Nahen Osten, einer wichtigen Grundlage für die Politik Teherans. Die USA hätten keinerlei Verständnis für die Lage in der Region, stellen sie fest: „Als einzige Weltmacht in einer unipolaren Welt haben die USA viel Geld im Nahen Osten vergeudet und letztendlich dazu beigetragen, dass ihre Gegner gestärkt wurden.“
Während die USA sich in zahlreiche Kriege verwickelten, seien Russland und China als Akteure wieder auf Weltbühne zurückgekehrt. Deren wachsenden Einfluss versuche Washington nun zu verhindern, neben dem Zurückdrängen des Iran als Regionalmacht.
Kleines Zeitfenster für Diplomatie
Ein Konflikt mit dem Iran sei „nicht nur ein Konflikt mit einem Land, sondern er richtet sich gegen eine ganze Region bzw. Religion“, stellen Abdolvand und Schulz fest. Und: „Den politischen Konflikt mit den USA wird Iran nicht verlieren, sondern er wird eher zu einer Stärkung seiner Nationalökonomie führen, da Iran über eine breite industrielle Basis verfügt.“
Eine mögliche militärische Auseinandersetzung werde den „den Niedergang des US-Einflusses in der Region weiter beschleunigen und Iran stärken, das von allen jüngsten Konflikten in der Region, wie in Syrien, im Irak oder in Afghanistan, profitierte. Zugleich verlieren die pro-westlichen Kreise Irans zunehmend an Einfluss, wohingegen die konservativen Hardliner, die sich mehr in Richtung Osten orientieren, an Macht gewinnen, vor allem, wenn die US-Sanktionen aufrechterhalten werden.“
Die beiden Experten sehen noch ein „ein kleines Zeitfenster für diplomatische Anstrengungen zur Lösung des Konfliktes“. Scheitere die Entspannungspolitik, sei „nur ein düsteres Szenario denkbar. Das weitere Schüren des Regionalkonflikts bis hin zum Krieg hätte verheerende Konsequenzen nicht nur für den Iran oder die arabische Halbinsel, sondern für die ganze Welt.“
Iranische Entwicklung
In dem aktuellen „WeltTrends“-Heft beschreibt der Politikwissenschaftler Cornelius Adebahr den Weg des Iran seit der Islamischen Revolution von 1979. „40 Jahre nach der Revolution ist die Islamische Republik wieder bei Iran, dem Land und der Nation, angelangt.“ Anders als vielfach im Westen behauptet, verfolge die religiöse und politische Führung keine Expansionspläne, so Adebahr.
„Der Grund hierfür dürfte weniger in der Politik des ‚maximalen Drucks‘ der US-Administration als in der Enttäuschung der Menschen im Land liegen.“ Die Islamische Republik habe es nur unzureichend vermocht, „die Versprechen von 1979 – Freiheit, Unabhängigkeit und soziale Gerechtigkeit – einzulösen“, auch aufgrund der westlichen Sanktionspolitik.
Russische und indische Interessen
Mit der Frage, warum Russland und der Iran im Nahen Osten zusammenarbeiten, beschäftigt sich in dem Heft ein Beitrag des russischen Politikwissenschaftlers Pjotr A. Kortunow. Er stimmt der oft These zu, „dass die Beziehungen zwischen Russland und Iran im Nahen Osten weniger für die Erreichung gemeinsamer Ziele als für die Abwehr gemeinsamer Gefahren formiert wurden. Diesen Beziehungen liegen kaum gegenseitiges Vertrauen oder wirtschaftliche Abhängigkeit voneinander zugrunde.“ Dennoch deute vieles daraufhin, dass die Kooperation Teherans mit Moskau fortgesetzt werde, da beide einander in der Region bräuchten.
Ein weiterer Beitrag zum Thema ist den Beziehungen des Iran mit Indien angesichts der US-Sanktionen gewidmet. Die indische Politikwissenschaftlerin Shanthie Mariet D’Souza schreibt dazu, viele Analytiker habe „Indiens stille Kapitulation vor den US-Sanktionen“ überrascht. Aber: „Die Geschichte zeigt, dass die Hoffnung auf einen Zusammenbruch des iranischen Regimes oder seine Kapitulation im Ergebnis von Sanktionen illusorisch ist. Frühere Sanktionen haben ihr Ziel einfach deswegen nicht erreicht, weil die USA weder die Kapazität noch die erforderliche Unterstützung der internationalen Gemeinschaft hatten.“ Bis US-Präsident Trump die Grenzen seiner Politik erkenne, sei „Indiens Fähigkeit, seine historischen Verbindungen mit Iran aufrechtzuerhalten, herausgefordert“.
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