Neuer Carsharing-Trend in Japan

  09 Juli 2019    Gelesen: 4877
  Neuer Carsharing-Trend in Japan

Das Auto galt schon immer als Ort des Rückzugs. Auch die Japaner in Großstädten wie Tokio wissen das. Da im Land der aufgehenden Sonne Plätze für Privatsphäre immer knapper werden, suchen viele Japaner ihr Heil beim Car-Sharing-Anbieter.

Für japanische Car-Sharing-Anbieter war es ein Phänomen: Immer mehr Kunden gaben ihre Fahrzeuge zurück, ohne sie nennenswert gefahren zu haben. Erst eine große Nachforschungsaktion brachte eine Erklärung, wie die Zeitung "Asahi Shimbun"berichtet und wirft gleichsam einen Blick auf die moderne Lebensweise der Menschen im Reich der aufgehenden Sonne.

Autos werden nicht bewegt

Bereits im Sommer 2018 fiel dem Management des Car-Sharing-Anbieters Orix - einem Dienst mit 230.000 registrierten Kunden - auf, dass eine wachsende Zahl ihrer Kunden Fahrzeuge anmietet, sie dann aber gar nicht bewegt. "Wir haben keine klare Vorstellung davon, wie unsere Kunden die Fahrzeuge tatsächlich eingesetzt haben", sagte ein PR-Mitarbeiter von Orix dem Blatt. "Das einzige, was wir sagen können, ist, dass die Daten belegen, dass eine Reihe von Menschen Autos mieten, ohne sie zu fahren." Die ungefahrenen Fahrzeuge fielen nicht nur Orix auf: Auch Times24 Co, ein Wettbewerber mit 1,2 Millionen registrierten Nutzern, registrierten ähnliche Phänomene – und so machte sich die Branche gemeinsam auf die Suche nach der Ursache, unter anderem mit ausgedehnten Kundenbefragungen.

Das Ergebnis zeigt, unter welchen Umständen einige Arbeitnehmer in Japan leben und ihren Job machen. Und wie wichtig mittlerweile im Auto ein Ladeanschluss für das Smartphone ist. Denn dem Bericht zufolge ist die Suche nach einer Steckdose für viele Kunden ein Grund, sich ein Auto zu leihen. Begonnen habe das in der Folge der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe 2011, als das öffentliche Stromnetz sehr wackelig war.

Das Auto als Rückzugsgebiet

Heute ist das Stromtanken nur einer von mehreren Vorteilen, die das Auto bietet. So nutzen es zahlreiche Kunden zum Schlafen oder für Büroarbeiten, weil kommerzielle Schlaf- oder Büroboxen etwa in Tokio deutlich teurer wären. Auch als Platz für den Verzehr des Mittagessens sind Carsharing-Fahrzeuge populär, so der Bericht. Nicht zuletzt werden die Autos als Gepäckablage genutzt – wenn öffentliche Schließfächer belegt sind.

Nissan hat schon mal ein fahrendes Büro entworfen.

Vor allem die einfache Erreichbarkeit der Carsharing-Dienste ist ein großer Vorteil. Kunden können rund um die Uhr Fahrzeuge über ihr Smartphone für den sofortigen Einsatz reservieren. Zudem kostet die 30-minütige Nutzung nur knapp 400 Yen (etwas 3,28 Euro) und kann auf einem der mehr als 12.000 japanischen Parkplätze des Unternehmens abgeholt werden.

Auch eine Umfrage von NTT Docomo Inc., einem anderen Car-Shraing-Anbieter zeigt, dass jeder achte Benutzer ein Auto für andere Zwecke als für den Transport gemietet hat. Eine überwältigend große Anzahl der Befragten gab an, in Fahrzeugen geschlafen zu haben oder sich auszuruhen, gefolgt von Kunden, die angaben, Autos als Orte für Telefongespräche mit Freunden, Familienangehörigen und Geschäftskunden zu nutzen.

Die Carsharing-Dienste und Autovermieter beklagen diese Entwicklung. An stehenden Fahrzeugen verdienen sie in der Regel weniger als an fahrenden, weil die Gebühren sich häufig an der Kilometerleistung bemessen. Verschärft wird das Problem aus ihrer Sicht noch, weil viele Kunden während des Parkens den Motor laufen lassen, um die Klimaanlage betreiben zu können. Auf den Spritkosten bleiben die Unternehmen dann sitzen.

Quelle: n-tv.de, hpr/sp-x


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