Gabriel moniert Haltungsproblem in der SPD

  14 Juli 2019    Gelesen: 852
  Gabriel moniert Haltungsproblem in der SPD

Noch führt ein Interims-Trio die SPD. Und wer folgt danach? Sieben Wochen vor Bewerbungsschluss ist das Interesse an der Parteispitze überschaubar. Das ruft Sigmar Gabriel auf den Plan. Der Ex-Vorsitzende beklagt, dass der Posten "fast wie ein infektiöses Kleidungsstück behandelt" werde.

Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel beklagt die Zurückhaltung bei der Suche nach einer neuen Parteispitze. "Ich sehe das mit großer Verzweiflung und auch wachsendem Zorn, wie der Vorsitz der SPD fast schon wie ein infektiöses Kleidungsstück behandelt wird, das sich niemand ins Haus holen will", sagte Gabriel der "Bild am Sonntag". "Scheinbar denken viele immer nur über die Frage nach, ob ihnen der SPD-Vorsitz nutzt oder schadet."

Gabriel stand der SPD von 2009 bis 2017 als Parteichef vor. Er selbst sei als Vorsitzender zurückgetreten, weil er gedacht habe, die Partei bräuchte einen neuen Hoffnungsträger. "Man muss die SPD um ihrer selbst willen führen wollen und nicht um der eigenen Karrierewünsche. Sie ist es wert", sagte der 59-Jährige weiter. Die SPD brauche jetzt neue Vorsitzende, "die für nichts anderes brennen als dafür, die SPD nach 160 Jahren nicht verschwinden zu lassen. Denn es geht gerade um die Existenz meiner Partei."

Trotz teilweise unguter Erinnerungen an seine Zeit im Berliner Willy-Brandt-Haus bezeichnete Gabriel den SPD-Vorsitz als "das stolzeste Amt, das demokratische Parteien in Deutschland zu vergeben haben". Dann fügte er hinzu: "Ich erhoffe mir sehr, dass Menschen, die ihre gesamte Karriere nur der SPD verdanken, unserer Partei jetzt auch was zurückgeben."

"SPD-Führung wird regelmäßig zermahlen"

Zugleich räumte Gabriel ein, dass das Amt des Vorsitzenden einer Regierungspartei schwierig auszuführen sei. "Wir streiten uns um Halbsätze, damit sich auch wirklich jeder in all den Papieren wiederfinden kann", sagte er über die Parteiarbeit. Doch in der Praxis gehe es "auf einmal nicht mehr ums Regieren, sondern ums innerparteiliche Rechthaben. Und in diesem Mühlstrom wird das Führungspersonal der SPD regelmäßig zermahlen", erklärte Gabriel.

Derzeit führen übergangsweise die Vize-Vorsitzenden Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel die Partei. Interessenten für den SPD-Vorsitz haben bis zum 1. September Zeit, ihren Hut in den Ring zu werfen. Bislang haben dies nur die beiden Duos Michael Roth und Christina Kampmann sowie Karl Lauterbach und Nina Scheer getan. Andere mögliche Kandidaten für die Nachfolge der Anfang Juni zurückgetretenen Andrea Nahles halten sich noch zurück.

Auch Kritik an Bundesregierung

Zum Nahles-Rücktritt kurz nach dem schlechten Ergebnis der SPD bei der Europawahl sagte Gabriel: "Wir waren politisch nun wahrlich nicht die besten Freunde. Aber es tut mir um jeden Menschen leid, der wie sie mit ungeheuer leidenschaftlichem Engagement in der Politik ist und dann an einen Punkt kommt, wo nur noch der Rücktritt bleibt." Politik habe auch etwas Erbarmungsloses. "Aber sie hat diese sehr harte Seite der Politik auch immer selbst betrieben."

Ins Gericht ging Gabriel auch mit der Arbeit der Bundesregierung: "Deutschland wird leider unter seinen Möglichkeiten regiert." Es werde sich nicht auf eine immer unsicherer werdende Welt vorbereitet. "Wir müssen mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit rechnen. Und die Welt um uns herum wird gefährlicher. Da braut sich ein perfekter Sturm zusammen. Die Windstille, die in Deutschland herrscht, ist trügerisch. Im Auge des Orkans ist es immer windstill."

Quelle: n-tv.de, cri/dpa


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