Deutsche Rüstungsexporte in die Türkei sind durchaus umstritten - zuletzt kam mit dem eskalierenden Rohstoffstreit vor der Küste Zyperns ein weiterer Konfliktpunkt hinzu. Doch trotz aller bestehender Bedenken hat die Türkei in den ersten vier Monaten dieses Jahres Kriegswaffen für 184,1 Millionen Euro aus Deutschland erhalten.
In der Rangliste der wichtigsten Empfängerländer steht der Nato-Partner damit wie schon im Vorjahr mit großem Abstand an Nummer eins. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Bei den Waffen für die Türkei handelt es sich den Angaben zufolge ausschließlich um "Ware für den maritimen Bereich". Es ist wahrscheinlich, dass es um Material für sechs U-Boote der Klasse 214 geht, die in der Türkei unter maßgeblicher Beteiligung des deutschen Konzerns ThyssenKrupp Marine Systems gebaut werden. Die Bundesregierung hatte die Lieferung von Bauteilen bereits 2009 genehmigt und den Export mit einer sogenannten Hermes-Bürgschaft in Höhe von 2,49 Milliarden Euro abgesichert.
Bestehende Geschäfte sind von den neuen Regelungen nicht betroffen
Seit dem gescheiterten Militärputsch von 2016, der sich am Montag zum dritten Mal jährte, wurden solche Bürgschaften für Kriegswaffenexporte in die Türkei nicht mehr erteilt. Bereits genehmigte Rüstungsexporte an den Nato-Partner gehen aber normal über die Bühne. Die Lieferungen an die Türkei machten schon im vergangenen Jahr mit 242,8 Millionen Euro fast ein Drittel aller deutschen Kriegswaffenexporte (770,8 Millionen Euro) aus. In den ersten vier Monaten dieses Jahres waren es sogar 60 Prozent des Gesamtvolumens von 305,8 Millionen Euro.
Auch bei den neuen Exportgenehmigungen der Bundesregierung für die Türkei hat sich im ersten Halbjahr nach zwei Jahren Rückgang eine Trendwende abgezeichnet. Bis zum 5. Juni gab die Bundesregierung grünes Licht für Rüstungslieferungen im Wert von 23,3 Millionen Euro. Das ist bereits fast doppelt so viel wie im ganzen Jahr 2018 mit 12,9 Millionen Euro. Die Zahl der Einzelgenehmigungen lag bis Anfang Juni bei 139 im Vergleich zu 58 im gesamten Vorjahr. Das geht aus einer weiteren Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour hervor.
Disput um Gasvorkommen im Mittelmeer eskaliert
Die Linken-Politikerin Dagdelen hält die anhaltenden Lieferungen an die Türkei vor allem vor dem Hintergrund der umstrittenen türkischen Erdgaserkundungen vor der Küste des EU-Mitgliedslandes Zyperns für "unverantwortlich". Die Bundesregierung würde eine Mitschuld tragen, wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die U-Boote im Konfliktfall gegen Zypern einsetzen würde, sagte die Linken-Politikerin.
Im östlichen Mittelmeer streiten auf der einen Seite die Türkei und ihr Protegé, Nordzypern, auf der anderen Zypern und Griechenland um die Öl- und Gasvorkommen in der Region. Der Konflikt schwelt, seit die Türkei 1974 in Zypern militärisch intervenierte. Die Insel ist de facto zweigeteilt, in den griechischen Süden, der Mitglied der EU ist, und den Norden, der lediglich von der Türkei anerkannt wird.
In Reaktion auf als illegal erachtete türkischen Bohrungen in dem Gebiet haben die Außenminister der EU-Staaten am Montag Strafmaßnahmen gegen Ankara beschlossen. Konkret sollen unter anderem EU-Gelder für die Türkei gekürzt und die Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen eingestellt werden.
Die Türkei weist die Vorwürfe illegaler Bohrungen zurück. Sie vertritt den Standpunkt, dass die Gewässer, in denen sie aktiv ist, zu ihrem sogenannten Festlandsockel gehören.
spiegel
Tags: