So gefährlich ist Mali für deutsche Soldaten

  28 Januar 2016    Gelesen: 661
So gefährlich ist Mali für deutsche Soldaten
Sprengfallen, Minen, Mörserangriffe: Der Norden Malis ist ein riskantes Terrain. Verschiedene Dschihadistengruppen tummeln sich hier - und ab Februar sollen Hunderte Bundeswehrsoldaten für Sicherheit sorgen.
Es ist wie eine Vorwarnung: Am 20. November des vergangenen Jahres stürmen islamistische Terroristen ein Luxushotel in Bamako, der Hauptstadt des westafrikanischen Mali. Mindestens 20 Menschen sterben, vier Deutsche können gerade noch vor den Kämpfern der Murabitun-Miliz, die zum Al-Kaida-Netzwerk zählt, fliehen. Trotz dieser prekären Sicherheitslage beschließt der Bundestag an diesem Donnerstag die Ausweitung der Mali-Mission der Bundeswehr. Bis zu 650 deutsche Soldaten sollen dann ab Februar für die friedenssichernde UN-Mission Minusma vor allem im unsicheren Norden des Landes im Einsatz sein.

Dass diese Mission nicht gerade gemütlich wird, ist allen Beteiligten klar: "Ich gehe davon aus, dass der Mali-Einsatz der gefährlichste Einsatz der Bundeswehr ist", sagt der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, im Gespräch mit n-tv.de. Auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen räumte erst kürzlich im Bundestag ein: "Es ist ein gefährlicher Einsatz." Doch helfe er "auch unseren eigenen Sicherheitsinteressen, weil er den Terror eindämmt".

Die Ausweitung des Mali-Einsatzes hatte die Bundesregierung nach den Terroranschlägen von Paris beschlossen - angeblich, um die Franzosen dort zu entlasten. Zurzeit sind gerade mal 12 Bundeswehrsoldaten im Rahmen der Minusma in Mali aktiv, 150 könnten es schon jetzt laut Mandat sein. Allerdings würden die "angebotenen Fähigkeiten" derzeit nicht abgerufen, heißt es aus dem Verteidigungsministerium lakonisch. Das mag auch an dem Material der Bundeswehr liegen: So stellte sie zwei Transall-Maschinen für den taktischen Lufttransport zur Verfügung - die allerdings wegen der Hitze wiederholt ausfielen. Die Bundeswehr verlegte sie wieder zurück nach Deutschland.

Künftig muss die Bundeswehr bei der rund 11.000 Mann starken Minusma eine größere Aufgabe stemmen: Mit Drohnen vom Typ Luna soll sie unter anderem verstärkt Aufklärungsfunktionen übernehmen und die Einhaltung der Waffenruhe überwachen, die im Sommer 2015 Tuareg-Rebellen und die Regierung vereinbart hatten. Auch soll sie sogenannte Objektschutzkräfte liefern und die rund 11.000 Mann starke Minusma sanitätsdienstlich und logistisch unterstützen. Einen Kampfauftrag haben die deutschen Soldaten nicht. Um die Gefahren so gering wie möglich zu halten, werden sie nur mit gepanzerten Fahrzeugen unterwegs sein.

Dschihadisten kämpfen für islamischen Staat

Seit Jahren ist der Norden Malis unsicheres Gelände. 2012 begannen Tuareg-Rebellen ihren Kampf für eine Abspaltung der nördlichen Landesteile. Nach einem Militärputsch vor dreieinhalb Jahren und dem zunehmenden Zerfall Libyens kämpfen hier mittlerweile auch verschiedene Dschihadistengruppen. Sie bestehen jeweils aus mehreren Hundert Islamisten, ihr Ziel ist ähnlich wie das des IS: die Errichtung eines islamischen Staates.

Weil sie selbst sehr mobil sind und von den Viehhirten der Region nicht zu unterscheiden, können die internationalen Truppen nur schwer erkennen, wer tatsächlich Terrorist ist. Hinzu kommt: Die Grenzen zu Niger und Algerien sind kaum zu überwachen, jederzeit können sich die Dschihadisten in die beiden Nachbarländer oder in das zerrüttete Libyen zurückziehen.

Bei der Minusma-Mission muss die Bundeswehr ständig mit Angriffen durch die Islamisten rechnen, mit Sprengfallen, Minen oder Gefechten auf UN-Basen und Konvois. Der Mali-Experte Georg Klute von der Universität Bayreuth bringt es im Gespräch mit n-tv.de so auf den Punkt: "Überall wo die Uno in Mali ist, knallt es." Die Minusma, die eigentlich für Frieden in dem Land sorgen soll, stehe besonders im Visier islamistischer Truppen wie etwas Al-Kaida im islamischen Maghreb. Keine andere Blauhelmmission in der Welt beklagt derzeit mehr Angriffe und Gefangene, seit Beginn des Minusma-Einsatzes im Sommer 2013 wurden 56 Soldaten getötet.

"Der Krieg der Islamisten hat den Charakter eines Guerillakrieges", sagt Klute. Da die Dschihadisten zahlenmäßig und von der Ausrüstung her den malischen und internationalen Truppen klar unterlegen seien, versuchten sie inzwischen, die Kräfte des Feindes zu zerstreuen. "Sie greifen an verschiedenen Orten an, damit sich ihre Feinde nicht auf eine Region konzentrieren können."

Angriffe vermehrt auch im Süden

Zunehmend terrorisieren die verschiedenen dischadistischen Gruppen daher auch den bisher als relativ sicher geltenden Süden des Landes. Der Sturm auf das Luxushotel in Bamako im November war nur ein Anschlag von vielen. Auch auf die Nachbarländer weitet sich inzwischen der Terror aus, wie der Anschlag von Mitte Januar im bisher als relativ sicher geltenden Burkina Faso zeigt. Hier töteten Islamisten in einem Restaurant 30 Menschen, unter ihnen 15 Ausländer. Die Sorge der EU und Deutschlands ist daher groß, dass die Terroristen ihren Terror immer mehr über Westafrika ausdehnen und den Kontinent noch mehr destabilisieren. Eine Folge davon wäre nicht zuletzt, dass auch der Flüchtlingsandrang nach Europa noch größer wird.

Die zunehmenden Übergriffe islamistischer Gruppen auf den Süden Malis könnten auch für die 197 Bundeswehr-Soldaten zu einem Problem werden, die dort derzeit schon für die EU-Mission EUTM in Mali im Einsatz sind. Im Rahmen der EU-Ausbildungsmission bilden sie vor allem malische Soldaten aus, zeigen ihnen etwa, wie man Sprengfallen entschärft oder bei Geiselnahmen vorgeht.

Für die Bundeswehr sind die EU- und UN-Missionen nicht nur gefährlich, sondern auch ein kaum noch zu bewältigender Kraftakt. "Mali ist der letzte Einsatz, den wir verantwortungsbewusst stemmen können", sagt der Chef der Bundeswehrgewerkschaft Wüstner n-tv.de: Wenn nicht in diesem Halbjahr personell, materiell und vor allem finanziell nachgesteuert werde, seien die vielen Auslandseinsätze für die kleinste Bundeswehr aller Zeiten nicht mehr zu leisten. "Die Bundeswehr ist absolut im roten Bereich."

Dabei ist Wüstner skeptisch, dass das nun geplante einjährige Mandat für eine 650-köpfige deutsche Minusma-Mission in Mali ausreichen wird. "Wir dürfen da nicht an bestimmten Scheinrealitäten feshalten", so Wüstner. "Das ist eine labile und fragile Region, und wenn man Interesse hat, sie zu stabilisieren, dann wird das nicht innerhalb von wenigen Jahren möglich sein."

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