Ekstase im Schlammbad

  15 Auqust 2019    Gelesen: 726
  Ekstase im Schlammbad

So eine Hippie-Party hatte die Welt noch nicht gesehen: 400.000 Menschen wollten 1969 die besten Rockbands erleben. Das überfüllte, verregnete Woodstock-Festival lief aus dem Ruder, im Chaos wurzelt der Mythos.

Er trug eine leichte Fransenjacke aus weißem Leder und weite blaue Schlaghosen, um die Stirn ein rotes Seidentuch, silberne Sticker in den Ohren. Der beste Rockgitarrist der Welt wirkte konzentriert, ernst, in sich gekehrt und schlug gegen Ende des Sets "Star-Spangled Banner" (Video) auf seiner weißen Fender Stratocaster an.

Es war Montagmorgen, 18. August 1969, auf einer schlammigen Wiese bei Bethel am Fuße der Catskills Mountains, 165 Kilometer nördlich von New York City. Von den über 400.000 Festivalbesuchern hatten nur 40.000 ausgeharrt. Jimi Hendrix ließ jetzt seine Gitarre jaulen, röhren, donnern. Mit reichlich Rückkoppelungen zerlegte er die Nationalhymne der Vereinigten Staaten und beförderte das Publikum auf die Schlachtfelder Vietnams, wo eine halbe Million US-Soldaten einen sinnlosen Krieg führten.

Hendrix selbst verstand seine Version gar nicht als Antikriegshymne. "Ich fand sie nicht unorthodox, ich fand sie schön", sagte er in einem Interview. Hendrix hatte sie zuvor schon bei gut 30 Konzerten gespielt und sie einmal seinen einstigen Kameraden der U.S. Air Force gewidmet, die ihn 1962 vorzeitig entlassen hatte.

Joe Cocker, gelernter Klempner aus Sheffield in England, war in den USA praktisch unbekannt. Er spielte als erster am Samstag, dem zweiten Festivaltag, um 14 Uhr und erinnerte sich später: "Zwei Jahre vor Woodstock hatte ich in einer Bar vor höchstens 300 Leuten gespielt." Es sei nicht leicht gewesen, "eine solche Menschenmenge bei der Stange zu halten. Aber als ich schließlich 'With a little Help from my Friends' brachte, haben wir es geschafft. Wir waren gerade fertig, da zog eine riesige schwarze Wolke auf, und es goss stundenlang."

Die Luftbrücke:  Viele Besucher brachen spontan auf, schafften es aber wegen der ungeheuren Verkehrsstaus nicht bis zum Festival. Weil alle Straßen hoffnungslos verstopft waren, mussten die Veranstalter sündhaft teure Hubschrauber mieten, um die Musiker aus ihren Unterkünften zur Bühne zu bringen. Die waren schon beim Anflug überwältigt von der schieren Größe des Festivals.

spiegel


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