Seat Leon TGI - hoffentlich verpufft er nicht

  16 Auqust 2019    Gelesen: 592
Seat Leon TGI - hoffentlich verpufft er nicht

Mit gasgetriebenen Fahrzeugen versucht man im VW-Konzern seit einiger Zeit dem nicht mehr so geliebten Diesel eine Alternative an die Seite zu stellen. Eine Variante ist der Seat Leon TGI. Den gibt es jetzt mit neuem Motor, neuer Tankverteilung und einer bedenkenswerten Zukunft.

Irgendwie scheint die Gas-Initiative des VW-Konzerns immer wieder zu verpuffen. Vielleicht kann sie sich im Zuge der Elektro-Bewegung auch nur nicht frei entfalten? Am Ende wird sie gar stiefmütterlich an die Öffentlichkeit getragen? Dabei hat der bivalente Antrieb, also die Nutzung eines Verbrennungsmotors mit zwei unterschiedlichen Brennstoffen, durchaus ihre Vorteile. Im Falle des Testwagens, eines Seat Leon ST TGI FR, handelt es sich um CNG - also Erdgas - und stinknormales Benzin. Diese Kombination im Leon ist eben so wenig neu wie spektakulär, denn es gibt sie schon seit einigen Jahren. Neu ist allerdings, dass das zur Verbrennung genutzte Triebwerk jetzt ein 1,5-Liter-Vierzylinder ist, der 130 Rössern die Sporen gibt statt der im Vorgänger bereitgestellten 110 Pferdestärken.

Was für eine Tankkombination?

So weit, so gut. Doch mit dem neuen Motor hat Seat noch etwas verändert: die Größe der Tanks. Waren die beim 1,4-Liter-Triebwerk noch in einem Verhältnis von 15 Kilogramm CNG zu 50 Liter Benzin ausgelegt, sind es im aktuellen Testwagen 17,3 Kilogramm und 9 Liter. Die Folge ist, dass passionierte Langläufer jetzt ganz stark sein müssen. Denn konnte man mit dem erstgenannten Mischungsverhältnis noch bis zu 1000 Kilometer zurücklegen, ist es jetzt mit 480 Kilometern nicht mal mehr die Hälfte. Bei einem Verbrauch von im Test gemessenen 4,8 Kilogramm CNG über 100 Kilometer reicht die Gasfüllung für etwa 360 Kilometer. Die 9 Liter Benzin sollten dann noch mal 120 Kilometer ermöglichen, sind aber insgesamt eher als Reserve für die Strecke zur nächsten CNG-Tanksäule zu betrachten.

Nun mag man Seat unterstellen, dass sie für ihr Mischungsverhältnis ein recht dichtes Netz von Gas-Tankstellen zugrunde gelegt haben und natürlich den Spargedanken. Die Gaspreise liegen momentan pro Kilogramm zwischen 1,13 und 1,20 Euro, während man für einen Liter E10 zwischen 1,31 und 1,42 Euro zahlt. Für eine Gasfüllung wurden im Testfall also 19,29 Euro fällig, während für die Tankfüllung 12,05 Euro berappt werden mussten, in Summe also für 480 Kilometer 31,34 Euro zu Buche schlugen. (Die Preise beziehen sich auf Tankstellen in Berlin und Brandenburg) Das hört sich gut an für den, der alle 300 Kilometer an den Zapfhahn will, dem schnellen Langstreckler scheint ein solches Fahrverhalten eher unattraktiv. Aber auch wenn man sich nur an einem guten Maß an Flexibilität erfreuen will, scheint die Tankverteilung im Vorgängermodell nicht nur attraktiver, sondern auch logischer.

Spar mal was

Nun ist das selbstredend ein subjektives Empfinden. Wie schon erwähnt, ist die Dichte an Gastankstellen in Deutschland recht gut, aber schon in den angrenzenden Ländern kann es schwierig werden. In ganz Frankreich beispielsweise gibt es lediglich 60 Zapfsäulen. In Belgien sind es 120, in Spanien 40. Nur in Italien bietet fast jede Tankstelle auch CNG an. Die Gas-Situation in Europa ist also noch ziemlich unausgereift. Bei der schnellen Findung unterstützt das Navi, wenn man es in den POI-Einstellungen ganz klar zur Suche nach CNG-Zapfsäulen aufgefordert hat. Wer dem Braten nicht traut, der kann sich über die App von gibgas.de für ganz Europa Routen zusammenstellen lassen, die ihn mit Sicherheit an den richtigen Tankstellen vorbeiführen. Nun mag der Freund von Dieselmotoren verächtlich mit den Schultern zucken, auf die Reichweite hinweisen und zu Recht bemerken, dass die Preisspanne und damit die Ersparnis zu einem Selbstzünder nur noch marginal ist. Denn auch der Diesel wird momentan für schlanke 1,15 bis 1,20 Euro angeboten. Das ist nicht von der Hand zu weisen, aber an dieser Stelle sei an das ökologische Gewissen appelliert: Denn fährt der Leon ST TGI kombiniert, liegt sein Emissionswert bei 98 g/km. Das bringt ihm dann auch die CO2-Effizienzklasse A+ ein.

Apropos Fahren: Hier gibt es nichts Negatives vom Gas-Auto zu berichten. Im Gegenteil, der Leon erfreut im Gasbetrieb mit einer erstaunlichen Laufruhe. Diese Ruhe muss aber auch der Fahrer für sich bewahren, denn selbst mit dem größeren Motor und 130 PS wird aus dem Spanier kein wilder Stier. Dabei sind die 10,1 Sekunden, die es braucht, um auf Landstraßentempo zu beschleunigen, gar nicht das Problem. Das ist vielmehr die Schwäche unterhalb von 1500 Kurbelwellenumdrehungen. Zwar haben die Ingenieure versucht, die 200 Newtonmeter maximales Drehmoment schon ab 1400 Umdrehungen an die Vorderräder zu schaufeln und auch die Schaltzeiten der Sieben-Gang-Automatik deutlich verkürzt, aber für einen echten Sturmlauf reicht das eben nicht. Wer etwas mehr Sportfeeling haben möchte, der zieht den Gangwahlhebel auf Sport oder bringt beim manuellen Schalten die Wippen am Lenkrad ins Spiel. Dann, und hier sind wir wieder bei der Ausdauer, bewegt der Spanier mit etwas Geduld die Tachonadel deutlich über die 200er-Marke. Und damit weiter über die im Datenblatt angegebenen 206 km/h.

Und weil der Seat ST TGI eben eher auf dem Wanderweg unterwegs ist als auf der Tartanbahn, haben ihm die Spanier ein erstaunlich kommodes Fahrwerk ans Chassis geheftet. Das reicht aus, um auch mal flott ums Eck zu stechen, erfreut aber eher damit, dass es bei Straßenunebenheiten keine unangenehmen Überraschungen für die Insassen bereithält. Lediglich mit sich aufbäumenden Querfugen kann der Leon an der Vorderachse nicht so gut umgehen. Wenn er die überläuft, macht er deutlich auf sie aufmerksam. Aber da es solche Asphalt-Gemeinheiten nicht in großer Zahl gibt, fällt das hier nicht weiter ins Gewicht.

Da kommt noch was

Es gibt aber etwas anderes zu bedenken: Der Leon steht vor einem Modellwechsel. Und so ist das, was hier zum Test vorgefahren ist, an Außenhaut und Innenleben nicht mehr ganz up to date. Denn so, wie der Spanier momentan unterwegs ist, kennt man ihn mit leichten Retuschen bereits seit 2013. Es ist nicht so, dass man zwingend etwas im Seat vermissen würde. Die Sitze sind straff und langstreckentauglich, waren im Testwagen für zusätzliche 560 Euro mit Alcantara bespannt, für 1040 Euro mehr strahlen die Frontscheinwerfer mit LED-Licht und für 310 Euro gibt es ein Fahrassistenzpaket, das neben Abstandstempomat und Spurhalteassistent sogar im Stau hilfreich an Gas und Bremse greift. Auch ein Radio-, Navigations- und Multimediasystem mit Ladeschale fürs Smartphone ist für 220 Euro an Bord.

Da fehlt also nichts. Es ist lediglich die Anmutung des recht kleinen Bildschirms in der Mittelkonsole, dessen Bedienung über zwei seitlich angebrachte Knöpfe gar nicht mehr so pfiffig wirkt. Auch das scharfkantige Ambiente scheint etwas in die Jahre gekommen. Man verstehe das nicht falsch, nichts ist alt an dem Auto, aber gemessen an aktuellen Modellen in der gleichen Klasse würde der Seat Leon ST nicht mehr in der ersten Reihe mitfahren. Und weil das auch die Verantwortlichen wissen, steht die nächste Generation bereits in den Startlöchern und wird vermutlich schon im nächsten Jahr aus den Produktionshallen rollen. Dann wird es auch für den Leon auf Wunsch ein volldigitales Cockpit geben und einen größeren TFT zur Bedienung der Multimediaeinheiten.

Insofern bleibt für Interessenten zu überlegen, ob sich der Kauf eines mindestens 28.640 Euro teuren Autos noch lohnt. Der Testwagen brachte es mit allen Extras sogar auf 33.370 Euro. Denn man bedenke, auch für die vierte Generation wird es sich Seat nicht nehmen lassen, den bivalenten Antrieb anzubieten, denn der treibt auch den Golf Variant 1,5 TGI und den Skoda Octavia G-Tec an. Und wer weiß, vielleicht ist ja die nächste zukunftsweisende Innovation die Verbandelung von Gas- und Elektroantrieb. Die Tschechen jedenfalls hatten diesbezüglich schon mal ein Konzeptfahrzeug in Form des "Skoda Vision X" zum Autosalon nach Genf geschleppt.

Fazit: Der Seat Leon ST 1.5 TGI ist mit seinem bivalenten Antrieb beim Treibstoffpreis durchaus eine Alternative zum Diesel und vor allem zum Benziner. Auch was den CO2-Ausstoß betrifft, hat der Wagen ein grünes Plus verdient. Allerdings bleibt zu bedenken, dass die Wachablösung bereits vor der Tür steht und sich der Kauf der hier vorgestellten Variante eher lohnt, wenn er genau wegen dieser Tatsache im Preis etwas nachlässt. Denn 33.000 Euro sind schon eine Stange Geld.

Quelle: n-tv.de


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