Es ist ein Phänomen: Ein 16-jähriges Mädchen überquert per Segelschiff den Atlantik und die ganze Welt schaut zu. Greta Thunberg ist auf dem Weg nach New York, ihr Ziel ist der UN-Klimagipfel. Eine bessere Plattform für ihr Anliegen, den Klimaschutz, gibt es wohl kaum. Genauso wenig eine erstaunlichere Karriere einer Schülerin, die inzwischen sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen ist.
Vor einem Jahr hätte das noch keiner erwartet. Am 20. August 2018, am ersten Schultag nach den Ferien in Schweden, demonstrierte Greta Thunberg zum ersten Mal. "Skolstrjk for Klimatet", "Schulstreik für das Klima", stand auf dem Plakat, mit dem sie vor dem schwedischen Parlament einen radikalen Wandel der Klimapolitik forderte.
Vier Monate nach ihrem ersten Streik sprach Thunberg bereits auf dem UN-Klimagipfel in Kattowitz. Kurz darauf folgte das Weltwirtschaftsforum in Davos. Hier mahnt sie: "Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr dieselbe Angst empfindet, die ich jeden Tag spüre. Und dann will ich, dass ihr handelt, als ob unser Haus in Flammen stünde. Denn das tut es."
Das sie so offen zu Topmanagern und Spitzenpolitikern spricht, kommt an. Unter dem Hastag #fridaysforfuture wurde der Schulstreik über Twitter bekannt und Thunberg zur Symbolfigur. Inzwischen gehen jeden Freitag Tausende Schüler und Studenten allein in Deutschland auf die Straße. Laut "Süddeutscher Zeitung" gibt es hier mittlerweile rund 500 Ortsgruppen der Fridays-for-Future-Bewegung. Selbst in Ländern wie Syrien, China und Uganda demonstrieren Jugendliche, die Proteste sind zu einer weltweiten Bewegung geworden.
Die Schülerin hat eine Generation in Bewegung gesetzt, die viele für unpolitisch hielten.Inzwischen halten 80 Prozent der Jugendlichen in Deutschland Umwelt- und Klimaschutz für wichtig, wie eine Studie des Umweltbundesamtes ergab. Und auch bei Erwachsenen spielt das Thema, für das sich lange kaum jemand interessierte, eine immer größere Rolle. Wie das RTL/n-tv Trendbarometer von dieser Woche zeigt, halten 37 Prozent der Deutschen Umwelt- und Klimaschutz für das wichtigste Problem.
Dabei entzweit Thunberg die Gemüter wie keine andere Jugendliche. So warf CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak ihr noch im Februar vor, sie verbreite pure Ideologie und verliere kein Wort über Arbeitsplätze, Versorgungssicherheit oder die Bezahlbarkeit ihrer Forderungen. Auch FDP-Chef Christian Lindner äußerte sich kritisch zu der Klimaschutzbewegung, die Thunberg angestoßen hat. Er finde politisches Engagement von Schülerinnen und Schülern zwar toll, man solle die Klimapolitik aber lieber den Profis überlassen.
Ein Tweet, für den Lindner viel Kritik einstecken musste. Auch mehr als 12.000 Profis - Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz - stellten sich an Thunbergs Seite. "Wir sind die Profis und sagen: Die junge Generation hat recht", sagte Volker Quaschning, von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.
"Ein außergewöhnliches Mädchen"
Inzwischen unterstützen auch immer mehr bekannte Persönlichkeiten die junge Aktivistin mit den braunen Zöpfen. Sie erhielt unter anderem eine Audienz bei Papst Franziskus, Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete sie kürzlich als "außergewöhnliches Mädchen". Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future habe die Politik dazu gebracht, "entschlossener an die Sache heranzugehen", sagte Merkel auf der Sommerpressekonferenz im Juli.
Spätestens nach dem Ergebnis der Europawahlen, bei denen die Grünen in Deutschland triumphierten, haben die Parteien der Großen Koalition erkannt, dass Klimapolitik Wahlen entscheiden kann. Inzwischen sind auch CDU, SPD und vor allem die CSU mit ihrem frisch ergrünten Parteichef Markus Söder auf den Klimazug aufgesprungen. Am 20. September will sich die Regierung nun auf Klimaschutzmaßnahmen einigen, damit sie die - bislang verfehlten - Klimaziele doch noch irgendwie einhalten kann.
Hierzu wäre es ohne das Engagement und die Beharrlichkeit Thunbergs wohl kaum gekommen. Laut Medienwissenschaftler Volker Lilienthal ist die Entschlossenheit der Schülerin ein Grund dafür, warum ihre Auftritte inzwischen eine so große mediale Aufmerksamkeit hervorrufen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte er: "Thunberg ist insofern geschichtlich neu, als es meines Wissens noch nie ein Kind gab, das deutlich so eine Tendenz verkörperte." Grundsätzlich funktionierte Berichterstattung aber immer über Personalisierung: "Wenn in Personen gesellschaftlich virulente Themen gerinnen, wenn sie glaubwürdig verkörpert werden, attraktiv medienstark verkörpert werden, dann steigen Medien ein."
Dass sie so jung ist, scheint Greta nicht zu schaden. Im Gegenteil, gehört sie und ihre Generation doch zu den Leidtragenden des Klimawandels. Laut Forscher Lilienthal wird Greta wie eine Expertin wahrgenommen, wenngleich sie nicht jedes Detail kennen könne. "Sie fällt auf. Und dann muss man ihr zweifelsohne auch attestieren, dass sie eine enorme Energie hat, dass sie sich auch widersetzt."
Quelle: n-tv.de
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