US-Raketentest weist auf Verstoß gegen INF-Vertrag hin: „Damit beginnt der Rüstungswettlauf“

  23 Auqust 2019    Gelesen: 690
  US-Raketentest weist auf Verstoß gegen INF-Vertrag hin: „Damit beginnt der Rüstungswettlauf“

Russlands Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten. Der US-Raketentest vom Sonntag belegt, dass das in Europa stationierte „Raketenabwehrsystem“ offensiv gegen Russland eingesetzt werden könnte.

Die Abschussvorrichtungen „MK-41“ sind Teil des Nato-Raketenabwehrsystems „Aegis Ashore Missile Defense System“ (AAMDS), das in Rumänien bereits stationiert ist und in Polen aufgebaut wird, um nächstes Jahr in Betrieb genommen zu werden. Mit einer Abschussvorrichtung dieses Typs haben am vergangenen Sonntag die USA zu Testzwecken einen offensiven Marschflugkörper aus der „Tomahawk“-Reihe abgeschossen.

Jahrelang befürchtete Russland, dass diese Anlagen, die angeblich zum Schutz vor den iranischen Raketen in Europa stationiert wurden, auch offensive Marschflugkörper abfeuern können, damit die Sicherheitsarchitektur Russland bedrohen und den INF-Vertrag verletzen könnten.

MK-41: „Fähigkeit beispielloser Flexibilität“

Amerikanische Rüstungsexperten bestätigen diese Vorwürfe, wie Jeffrey Lewis vom „Middlebury Institute“ in Kalifornien.

Der US-Wissenschaftler und ehemaliger Militärberater, Theodore A. Postol, sprachbereits Anfang des Jahres in einem Artikel der Zeitschrift  „Bulletins of Atomic Scientists“ davon, dass die „Aegis“-Systeme in Europa auch mit Marschflugkörpern bestückt werden können. Zudem würden das öffentlich zugängliche Informationen belegen. Auf der Internetseite des Herstellers „Lockheed Martin“ ist in der Beschreibung zu den „MK 41“-Abschusseinrichtungen Folgendes zu lesen: „Das System ist so ausgelegt, dass in jede Zelle unterschiedliche Raketen passen, eine Fähigkeit beispielloser Flexibilität.“ Der Beschreibung zufolge müsste das auch für die „MK 41“-Systeme in Europa gelten. Diese Befürchtungen wurden nun durch den Raketentest am Sonntag weiter verstärkt.

Pentagon-Sprecher Robert Carver bekräftigte zwar, dass es sich bei der Abschussanlage tatsächlich um die „MK 41“ gehandelt hatte. Das Testgerät sei jedoch nicht identisch mit dem AAMDS, welches in Europa präsent ist oder sich im Aufbau befindet. Das System in Europa sei „rein auf Verteidigung ausgerichtet“: „Es kann keine Tomahawk-Marschflugkörper abfeuern. Aegis Ashore ist nicht dafür eingerichtet, um Offensivwaffen, egal welchen Typs abzufeuern.“

„Rüstungswettlauf beginnt“

Für den Bundestagsabgeordneten Dr. Alexander Neu (Die Linke) beginnt mit dem Raketentest der „Rüstungswettlauf bei der Produktion und der Verlegung von Mittelstreckenraketen“. Nach Informationen des Verteidigungsexperten brauche es für eine Umrüstung auf ein offensives System eine andere Software. Doch eine Software könne man einfach austauschen, betont Neu im Sputnik-Interview. „Es kommt ja auf die Hardware an. Und die Hardware ist eben MK 41. Mein Eindruck ist, diese ist identisch. Es ist auf jeden Fall so, dass man mit diesem System hochflexibel agieren kann.“ Der Bundestagsabgeordnete fordert, die Europäer sollen auf die USA einwirken, vor allem die Rumänen und Polen, damit es nicht zu einem Rüstungswettlauf kommt und der russischen Seite die Möglichkeit einer Verifikation des „MK 41“-Systems zu erlauben. „Aber wenn es nur eine Frage der Software ist, dann ist es unerheblich.“

„Verletzung des INF-Vertrags nicht eindeutig nachweisbar“

Skeptisch sieht die Vorwürfe der Abrüstungsexperte Ottfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS). Für ihn ist die Verletzung des INF-Abkommens durch die USA, solange dieses in Kraft war, nicht eindeutig zu belegen: „Denn dazu hätten die Amerikaner in Rumänien und in Polen Zusatzsysteme stationieren müssen, die für die Raketenabwehrbasis nicht nötig sind.“ So sei für den Abschuss von Tomahawk-Marschflugkörpern ein sogenanntes „Mission planning system“ erforderlich, wie es beispielsweise der US-Rüstungskonzern „Boeing“ für die US-Navy bereitstellt. Damit könne der Marschflugkörper zum Beispiel vor dem Abschuss mit Daten programmiert werden, damit dieser im Geländefolgeflug zu seinem Ziel geführt werden könne, erklärt Nassauer gegenüber Sputnik. Dieses brauche man jedoch nicht, wenn man nur Raketen mit Flugkörpern, die aus dem „MK 41“-Behälter gestartet werden, abwehren will, so der Verteidigungs-Experte. „Dieses Zusatzgerät ist schon relativ teuer und relativ voluminös. Es besteht im Wesentlichen aus Computertechnik.“

Theoretisch wären die Abschussvorrichtungen für offensive Zwecke ausbaubar, bestätigt Nassauer. „Die russische Befürchtung war, dass die Amerikaner dies sowieso eingerüstet haben. Ob sie das getan haben, konnte nicht verifiziert werden, weil beide Seiten sich während der Phase der Vorwürfe der Vertragsverletzungen gegenseitige Vorortinspektionen nicht ermöglicht haben.“

Ein konventioneller landgestützter Marschflugkörper ist durch Washington erstmals nach der Aufkündigung des INF-Abkommens getestet worden. Dieser sei am Sonntag von der Insel San Nicolas in Kalifornien abgefeuert worden und habe sein Ziel nach mehr als 500 Kilometern Flug präzise erreicht, teilte das Pentagon am Montag mit. Medienberichten zufolge handelt es sich bei dem Marschflugkörper um eine Tomahawk-Variante. Der russische Außenminister Sergej Lawrow übte an dem Test scharfe Kritik: „Erprobungen der neuartigen US-Rakete waren lange vor dem 2. August dieses Jahres geplant gewesen, als der Vertrag über das Verbot von Kurz- und Mittelstreckenraketen erlosch“, erklärte er am Dienstag in Moskau.

sputniknews


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