Eine entsprechende Vereinbarung im Rahmen des langfristigen Projektes „Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene und Internierte“ muss der russischen Seite einen Zugang zu den Daten zu sowjetischen Kriegsgefangenen in den ehemaligen Wehrmacht-Archiven ermöglichen. Auf diese Weise könnten die Schicksale von ungefähr 500.000 sowjetischen Kriegsgefangenen geklärt werden, die dann in einer Online-Datenbank landen und für alle Interessierten zugänglich sein werden. Wie Wladimir Tarassow weiter mitteilte, würden beim Projekt eben das russische Verteidigungsministerium sowie das Deutsche Historische Museum in Moskau und der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mitmachen.
„Dies ist eine Schuld, die die deutsche Seite an uns zurückzahlen muss, da wir derartige Daten schon lange an sie weitergegeben haben. Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes war maßgeblich daran beteiligt, dass unser Archiv noch in den 1990er Jahren eine Vielzahl von Informationen über deutsche Kriegsgefangene übermittelt hatte“, sagte Tarassow gegenüber Sputnik.
Mindestens 4,5 Millionen sowjetische Kriegsgefangene
Nach Angaben des Generalstabs der russischen Streitkräfte wurden während des Zweiten Weltkriegs rund 4.559.000 sowjetische Bürger von der Wehrmacht gefangen genommen, nach Angaben der deutschen Seite waren es etwa 5.270.000 Menschen. Laut dem Ausschuss des Verteidigungsministeriums unter dem Vorsitz von General a. D. Machmut Garejew aus den 1990ern waren 1.836.562 Menschen davon aus der Gefangenschaft in die Sowjetunion zurückgekehrt, von denen etwa 900.000 Menschen für den weiteren Militärdienst eingesetzt wurden; etwa 600.000 wurden davon in den Arbeitsbataillonen in der Industrie eingesetzt und circa 339.000 sollen in den NKWD-Lagern gelandet sein als jene, die „sich in Gefangenschaft kompromittiert“ hatten. Zu den Schicksalen der restlichen über zweieinhalb Millionen hat die russische Seite keine genauen Angaben.
Der deutschen Statistik zufolge waren etwa 3.300.000 von 5.270.000 sowjetischen Kriegsgefangenen in Deutschland ums Leben gekommen. Annähernd 80.000 jüdische Angehörige der Roten Armee wurden in Kriegsgefangenschaft ermordet.
In den vom russischen Verteidigungsministerium seit 2007 geführten Online-Datenbanken „Memorial“, „Heldentat des Volkes“ und „Erinnerung des Volkes“ sind bisher die Daten zu den Namen und Schicksalen der sowjetischen Kriegsteilnehmer und fast nichts Konkretes zu den Kriegsgefangenen zu finden. Von 2000 bis 2016 hatte die Stiftung Sächsische Gedenkstätten auf deutsches Geld jedoch eine Datenbank zu etwa 700.000 sowjetischen Kriegsgefangenen erstellt. Die weitere Forschungsarbeit hatten 2016 der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und sein russischer Kollege Sergej Lawrow angekündigt. Dies sei sehr wichtig für unsere Gesellschaften, die die historische Versöhnung zwischen unseren Ländern begrüßen würden, sagte damals Lawrow. Die neue Vereinbarung soll diese Initiative weiter unterstützen.
Außer den Kriegsgefangenen sind während des Zweiten Weltkrieges den Angaben der Verwaltung für Kriegsgefangene und Internierte des Innenministeriums der Sowjetunion von 1959 noch 5.269.513 sowjetische Bürger gewaltvoll nach Hitler-Deutschland transportiert und für die Zwangsarbeit eingesetzt worden. Nach dem Krieg wurden davon etwa 2.654.100 Menschen in ihre Heimat zurückgeführt. Aus unterschiedlichen Gründen waren rund 451.100 Menschen nicht zurückgekehrt. Die restlichen 2.164.313 Menschen waren ums Leben gekommen.
Deutsche Kriegsgefangene und Internierte
Weiteren Angaben der Verwaltung für Kriegsgefangene und Internierte zufolge waren im Zweiten Weltkrieg von der sowjetischen Seite etwa 2.389.560 deutsche Militärs gefangen genommen, gestorben waren in der Gefangenschaft davon etwa 356.678 Menschen. Die Sterblichkeit war in den Anfangsjahren des Krieges besonders hoch. Aufgrund strengen Frosts, mangelnder Kleidung und schlechter Ernährung waren viele Gefangene an Erschöpfung gestorben, bevor sie in die Lager gebracht wurden. In den Nachkriegsjahren ging die Sterblichkeit signifikant zurück. Die Massenrückführungen sollen dabei laut der Historikerin Natalja Markdorf erst 1948-49 entfallen sein.
Als Bundeskanzler Konrad Adenauer 1955 zum Staatschef Nikita Chruschtschow in die Sowjetunion gekommen sei, verwies die Historikerin zuvor in einem Sputnik-Interview, habe er die letzten Rückführungen sicherstellen wollen. Chruschtschow entgegnete darauf, „man habe keine Kriegsgefangenen übrig, sondern nur Kriegsverbrecher“. Jedoch soll die Sowjetunion auch diese bis 1956 an Deutschland zurückgeführt haben. Für die sogenannten Reparationen durch Arbeit soll die Sowjetunion etwa über 155.000 Deutsche interniert haben, etwa 66.500 waren dabei an Kälte, Flecktyphusepidemien oder schlechten Lebensbedingungen gestorben.
sputniknews
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