„Seniorenaufstand“: 30 Milliarden Euro fehlen in der Rentenversicherung – „und keiner kriegt es mit“

  04 Oktober 2019    Gelesen: 841
    „Seniorenaufstand“:   30 Milliarden Euro fehlen in der Rentenversicherung – „und keiner kriegt es mit“

Die „Deutsche Rentenversicherung“ (DRV) hat ein Finanzierungsloch von über 30 Milliarden Euro gemeldet. Doch die entsprechende Pressemeldung werde ignoriert, empört sich die Initiative „Seniorenaufstand“ und spricht von „Medienversagen“.

In einer Pressemitteilung vom Juni 2019 erklärte die Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung (DRV), Anneli Buntenbach, es bestehe eine jährliche Unterdeckung nicht beitragsgedeckter Leistungen durch den Bund in Höhe von 30 Milliarden Euro. Sie forderte: Leistungen der Rentenversicherung, die wie die Mütterrente nicht auf Beiträgen beruhen, „sind vollständig aus Steuermitteln zu finanzieren“.

Das sei ein Skandal, dass von einer derartig gigantischen Finanzierungslücke nirgendwo berichtet werde. „Kein Presseorgan habe das bisher gemeldet“, empört sich der Pensionär und Renten-Experte der Initiative „Seniorenaufstand“, Reiner Heyse im Sputnik-Interview: „Wenn solche Experten wie Axel Börsch-Supan (‚Mannheimer Forschungsinstitut‘), Bernd Raffelhüschen (Universität Bergen) oder wenn es die ‚Bertelsmann Stiftung‘ veröffentlichen würde, dann wäre das mit Sicherheit in den Medien – und zwar als Überschrift.“

„Betrug an Beitragszahlern“

Problematisch sei das Finanzierungsloch, weil die 30 Milliarden Euro als Deckungslücke aus Beitragsgeldern der Rentenversicherten gestopft werde, kritisiert Heyse.

„Es ist ja nicht so, dass die Rentenversicherung ihre Leistung nicht bringt – sie bringt sie. Aber sie bringt sie nicht aus den Steuergeldern, aus den Steuerkompensationsleistungen, sondern aus den Beitragsgeldern. Und das ist ein Betrug an den Beitragszahlern. Sie führen sozusagen eine Sondersteuer ab und keiner kriegt es mit.“

Das Bundesfinanzministerium lehne die Finanzierung aus dem Bundehaushalt kategorisch ab, heißt es im Artikel „50 Millionen DM, das waren einmal ‚Peanuts‘ – 30 Milliarden Euro, das ist weniger als ein Staubkorn“ auf der Internet-Seite der Senioren-Initiative. „Sie konnten sich in ihren ‚schwarzen Nullen‘ sonnen. In Wirklichkeit funktioniert das nur, weil sie auf Schattenhaushalte bei den Sozialversicherungen zurückgriffen. Tendenz steigend“, kommentiert der Autor des Online-Beitrags, Reiner Heyse.

Die sogenannten versicherungsfremden oder nicht beitragsgedeckten Leistungen würden zustande kommen, indem zum Beispiel Renten für Aussiedler, Renten für Erziehungszeiten, Renten für Kriegsfolgelasten, für Verfolgung von NS-Opfern oder SED-Unrecht, durch die Rentenversicherung bezahlt werden, erklärt der langjährige Gewerkschaftler.

„Es ist so, dass es da schon immer eine Unterdeckung gab, dass also diese Aufwendung von staatlicher Seite nicht in voller Höhe ausgeglichen wurde. Das wird von der Rentenversicherung regelmäßig errechnet und den Politikern vorgehalten.“

Die Milliardenlücke komme widererwarten zustande, betont Heyse. Vor acht Jahren sei geschätzt worden, dass diese Lücke bis 2017 nur eine Milliarde ausmachen werde: „Diese ist jetzt auf 30 Milliarden angestiegen, weil eben solche Ausgaben, wie die ‚Mütterrentenreform‘ also 2014, die ‚Rente ab 63‘ im Jahr 2017 und die ‚Erwerbsminderungsrentenreform‘ so gut wie ausschließlich aus Beitragsgeldern bezahlt werden, obwohl sie richtigerweise aus Steuergeldern finanziert werden müssten“.

Warum schweigen die Medien?

„Gibt es in den Redaktionen keine Expertise, um diese Zusammenhänge und Entwicklungen zu erkennen und zu hinterfragen? Gibt es ein Zurückschrecken, weil die Dimension zu gewaltig ist (too big, to be the truth)? Gibt es Journalisten oder Herausgeber, die gar kein Interesse an einer Berichterstattung haben, weil sie die Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung als zielführend ansehen, denn damit steigt ja der Druck, privat vorzusorgen und die Interessen der Finanzindustrie zu bedienen?“, fragt die Rentner-Initiative.

Wahrscheinlich sei es eine Mischung aus allem, vermutet der Autor. Ein weiterer Grund sei, dass die DRV mit ihren Berechnungen und Forderungen sehr zurückhaltend umgehe. „So wird die vorhandene detaillierte Berechnung der Unterdeckung selbst bei Presseanfragen nicht herausgegeben.“ Zu befürchten sei, dass die politischen Abhängigkeiten des Spitzenpersonals bei der DRV die Konfliktbereitschaft stark „bedämpfe“, schreibt Heyse. „Die großen gesellschaftlichen Probleme mit Verschweigen und Vertuschen zu behandeln, ist antidemokratisch. Wer das betreibt und dann den Zulauf bei den rechten ‚Vereinfachern‘ beklagt, ist einfach nur scheinheilig“, kritisiert der Pensionär im Artikel.

sputniknews


Tags:


Newsticker