Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat einen Vorschlag gemacht für eine Kehrtwende in der deutschen Syrienpolitik - ein Bereich, für den sie gar nicht zuständig ist, sondern ihr Kollege, SPD-Außenminister Heiko Maas.
In einem Interview mit der "Deutschen Welle" forderte Kramp-Karrenbauer: "Mein Vorschlag ist, dass wir eine international kontrollierte Sicherheitszone einrichten unter Einbeziehung der Türkei und unter Einbeziehung von Russland." Wie könnte diese Idee in der Praxis aussehen?
Was ist eine international kontrollierte Sicherheitszone?
Annegret Kramp-Karrenbauer hat nicht präzisiert, was sie meint. Sollte die Sicherheitszone eine Flugverbotszone sein oder auch am Boden gelten? In jedem Fall bräuchte es für die Einrichtung einer solchen Zone einen Beschluss des Uno-Sicherheitsrats.
Doch dieser ist gespalten, insbesondere in der Syrienfrage. Russlands Veto verhinderte bisher stets ein gemeinsames internationales Vorgehen; diesen Monat votierten Russland und die USA sogar gemeinsam gegen eine von den Europäern eingebrachte Erklärung, die türkische Offensive in Nordsyrien zu verurteilen.
Dieser Punkt scheint besonders fraglich. Die Türkei und Russland sind in Syrien Krieg führende Parteien:
- Der Türkei - und den von ihr unterstützten Milizen - werden etwa ethnische Vertreibungen in Nordwestsyrien vorgeworfen,
- Russland unter anderem die systematische Bombardierung von Wohngebieten und Krankenhäusern.
Wie solche Länder zu einer Sicherheitszone beitragen könnten, die die Menschen in Syrien schützt, ist somit völlig unklar. Kramp-Karrenbauers Idee setzt eine 180-Grad-Wende der bisherigen russischen und türkischen Politik voraus.
Wie unterscheidet sich ihre Idee von Erdogans Pufferzonenvorschlag?
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verfolgt mit seinem Vorschlag eigene Interessen:
- Er will die syrischen Flüchtlinge in der Türkei loswerden, wegen denen er zuletzt innenpolitisch unter Druck geriet.
- Zudem will er eine Pufferzone zwischen der Türkei und dem syrischen Ableger der kurdischen Arbeiterpartei PKK einrichten.
Daher hat er vor der Uno-Generalversammlung im September vorgeschlagen, eine etwa 30 Kilometer breite "Friedenszone" entlang der syrisch-türkischen Grenze einzurichten und dorthin eine Million Syrer umzusiedeln, die bisher in der Türkei leben. Zuletzt sprach Ankara sogar von der Umsiedlung von bis zu zwei Millionen Syrern. International hat sein Vorschlag allerdings keine Unterstützung gefunden.
Nun will er diese Zone in Zusammenarbeit mit islamistischen syrischen Milizen einrichten. Dies würde wohl die Vertreibung der bisher dort lebenden Syrer bedeuten, unter diesen gibt es viele ethnische und konfessionelle Minderheiten - ein Kriegsverbrechen. Inwiefern er seinen Plan umsetzen kann, hängt im Wesentlichen ab von Russlands Präsident Putin, mit dem er sich darüber am Dienstag in Sotschi verständigt.
De facto hatten die USA unter Trumps Amtsvorgänger Barack Obama in Nordsyrien eine Sicherheitszone eingerichtet, allerdings ohne ein internationales Mandat, wie es Kramp-Karrenbauer fordert. Die US-Kampfjets in der Luft und die Präsenz von 200 amerikanischen Soldaten am Boden hatten ausgereicht, um als Abschreckung zu wirken:
- Russland und Syrien bombardierten diesen Teil des Landes nicht, und auch die Türkei verzichtete darauf, dort einzumarschieren.
- Eine direkte Konfrontation mit der noch immer größten Militärmacht der Welt wollten Ankara, Moskau und Damaskus nicht riskieren.
Seit fast einem Jahr jedoch wollte US-Präsident Donald Trump die amerikanischen Soldaten von dort abziehen und schlug vor, dass europäische Soldaten ihren Platz einnehmen könnten. Nur schien es auch für diesen Vorschlag aussichtslos, ein internationales Mandat des Uno-Sicherheitsrats zu bekommen. Die Bundesregierung lehnte im Juli die Anfrage Washingtons nach deutschen Bodentruppen für Syrien ab.
spiegel
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