Coach Kovac attackiert seine Spieler

  30 Oktober 2019    Gelesen: 818
Coach Kovac attackiert seine Spieler

Am Ende, so findet Angreifer Gnabry vom FC Bayern München, sei es doch egal, wie der Zweitrundenerfolg im DFB-Pokal beim Fußball-Zweitligisten VfL Bochum zustande gekommen sei. Trainer Kovac sieht das ganz anders. Wohl auch, weil es um seinen Job geht.

Am 21. Dezember 2016 hat Thiago Alcantara einen ziemlich fürchterlichen Pass gespielt. Der Spielmacher machte einen rotgekleideten, mitlaufenden Weihnachtsmann auf einer Werbebande als Teamkollegen aus und schob ihm den Ball ohne hinzuschauen zu. Dieser Pass, er sah schon ziemlich blöd aus. Es war aber das Einzige, was beim damals furiosen 3:0-Erfolg des FC Bayern gegen den Tabellenzweiten aus Leipzig blöd aussah im sonst furiosen Spiel des Spaniers. Knapp drei Jahre später, an diesem Dienstagabend, spielte Thiago wieder einen fürchterlichen Pass. Einen Weihnachtsmann sah er dabei nicht. Und wohl auch nicht Joshua Kimmich. Der sollte den Ball zwar zugespielt bekommen, war aber schon mal ein paar Meter vorgelaufen. Das sah schon erneut sehr blöd aus. Thiago drehte ab. Und sein Trainer, Niko Kovac, erneut ziemlich auf.

Es war die 29. Minute in der Zweitrundenpartie des DFB-Pokals zwischen dem Münchener Titelverteidiger und dem VfL Bochum, einem heftig kriselnden Fußball-Zweitligisten, als die angereiste Mannschaft des FC Bayern ihren Anleiter mit dem Laissezfaire-Deja-vuvuvuvuvu entnervte. Was Kovac sah, das konnte er nicht glauben. Das wollte er nicht glauben. Einfachste Pässe kamen nicht an, sehr viele Duelle gingen gegen den galligen Gegner leidenschaftslos verloren. Anders als das Spiel, das nämlich gewann der Doublesieger, weil Serge Gnabry (83.) und Thomas Müller (89.) den 0:1-Rückstand durch ein Eigentor von Alphonso Davies noch spät in einen 2:1-Erfolg ummünzten. Und so war dann das Beste an der Geschichte schnell herausgearbeitet, fand Kovac. "Das Weiterkommen zählt." Das Zustandekommen sei "am Schluss egal", so Gnabry.

Auserzählt war dieser Pokalabend im mit 26.600 Zuschauern ausverkauften Ruhrstadion damit allerdings nicht. Auch das fand Kovac. Der VfL, so urteilte er, habe das "klasse gemacht." Die Mannschaft habe alles "an den Tag gelegt, was man an den Tag legen muss, um eine Chance zu haben." Die Bochumer hatten sich gewehrt. Sie hatten phasenweise auch richtig gut gespielt. Sie hatten aber vor allem überragend gekämpft. Sie hatten Leidenschaft und Einstellung gezeigt. Alles Dinge, die an der Castroper Straße zuletzt in einem unzugänglichen Schacht tief verborgen lagen, die den Traditionsklub bis auf Rang 16 der 2. Bundesliga hatten abstürzen lassen. Alles Dinge, die Kovac bei seinem Team vermisste.

"70 Minuten sehr viel falsch gemacht"

Eindrücklich hatte Kovac sein Team in der Vorbereitung gewarnt, sich nicht dem Rhythmus des Gegners anzupassen. Gefährlich könne es dann werden. Eindrücklich hatte er seiner Mannschaft auch nahegelegt, das Tempo hochzuhalten, dann werde sich die Qualität durchsetzen. Zweimal hat es geklappt, weil der schnelle Kingsley Coman gegen immer müder werdende Gastgeber eben jenen qualitativen Unterschied machte. Das aber ist nicht der Anspruch der Münchener. "Wir haben 60, 70 Minuten sehr viel falsch gemacht", schimpfte Kovac über die Kollektivleistung. "Wir hatten sehr viele Ballverluste, keine Spielkontrolle." Erst mit den Einwechselungen von Thomas Müller und Philippe Coutinho, die ebenso wie Robert Lewandowski, aus der ersten Elf rotiert waren, wurde es besser. "Da hatten wir mehr Kontrolle, größere Räume." Noch größer wurden die in der 88. Minute, als der junge Bochumer Armel Bella-Kotchap erst ausrutschte, dann den Ball mit dem Arm stoppte - und Rot sah.

Vielleicht sei die späte Entscheidung auch eine Frage der größeren Kraft gewesen, mutmaßte Kovac. Oder des längeren Atems. Egal. So oder so sei es "einzigartig" gewesen, wie sich der VfL nach der desaströsen Ligapleite (1:2) zuletzt gegen Holstein Kiel wieder aufgebaut habe. "Da sieht man mal, wenn alle das machen, was der Trainer sagt, dann funktioniert das auch." Ein Satz, der wirkt. Der wirkt. Der wirkt. Der wirkt wie die größtmögliche Watschn an das eigene Team, das ein "Fehlpassfestival" geboten habe, dass "alle so gespielt haben, wie wir es eigentlich nicht spielen".

Kovac macht Einstellungsproblem aus

Immer wieder konnte sich der VfL befreien, Bälle erobern und diese eroberten Bälle ohne großes Gegenpressing, das war ja zuletzt ein skurril bewertetes Thema, verteidigen. Mit jeder Befreiung wurden die Fans lauter. Mit jedem Konter, jedem Schuss aufs Tor noch ein wenig mehr. Genau das aber hatte Kovac gerne vermeiden wollen. Aber gegen den Mut des Gegners stand die eigene Fahrigkeit.

"Dass wir so viele Fehlpässe spielen, hat meiner Meinung nach gar nichts mit Taktik, sondern klar etwas mit der Einstellung zu tun", ärgerte sich Kovac und machte die ausgerechnet bei Herausforderer Borussia Dortmund seit Wochen kochende Mentalitätsdebatte so auch zum Thema in München. Mit Leon Goretzka und Manuel Neuer fand er auch prompt zwei Unterstützer für das Einstellungsdefizit. "Das heißt", setzte der Trainer dann fort, "ich muss in ein Spiel reingehen, muss mich konzentrieren, muss jeden Ball sauber annehmen und sauber zum Mitspieler bringen. Solch eine Vielzahl von Fehlpässen - ich muss mir das jetzt nach dem Spiel in Ruhe anschauen, um zu sehen, wo wir alles dem Gegner den Ball in die Füße gespielt haben." Eine Spielanalyse in Ruhe - die dürfte für Kovac allerdings immer schwieriger werden. Denn seit den wenig überzeugenden Vorstellungen in den vergangenen Partien mit den immer gleichen Anfälligkeiten und Kreativproblemen steigt der Druck wieder auf den Trainer. Einiges deutet darauf hin, dass der 48-Jährige langsam aber sicher wie schon vor etwa einem Jahr beim Rekordmeister und -pokalsieger wieder um seinen Job bangen muss. Dieser Eindruck hat sich beim Auftritt in Bochum verstärkt.

Vor allem im Bayern-Mittelfeld ging in der Pokalpartie gar nichts zusammen. Thiago spielte ebenso grausam wie Corentin Tolisso. Der ehemalige Bochumer Goretzka war bei seinem "Heimspiel" bestenfalls eher unauffällig. Die einst gefürchteten Kaiserdiagonalen von Innenverteidiger Jérôme Boateng sind nur noch so gut getimt wie deutsche Fernzüge. Und der Manchmal-Sechser Kimmich fremdelt plötzlich rechts hinten. So ließ er sich vor dem Gegentor von Danny Blum überraschend einfach überlaufen. Blum hätte das Spiel für den VfL übrigens kurz vor dem Ausgleich fast entschieden, aber seinen Schuss aus der eigenen Hälfte auf das verwaiste Bayern-Tor fischte Neuer rechtzeitig aus der Luft. Zuvor hatte der Kapitän einen Pass gespielt. Einen ziemlich schlechten. Das hätte ganz schön blöd ausgesehen.

Quelle: n-tv.de


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