Ihre Weltpremiere feierte die dritte Generation des X6 auf der diesjährigen IAA. Na ja, nicht so richtig, denn im Zuge der Klimadebatte und der momentan streckenweise recht surreal anmutenden Forderungen hat BMW die Neuauflage des bis dato weltweit 443.000 Mal verkauften X6 ganz dezent in den Hintergrund geschoben. An den Pressetagen verschwand der Bayer fast unsichtbar hinter Limousine und Co. im Eck. Erst zu den Publikumstagen wurde er in die erste Reihe zurückgeholt. Und da gehört er momentan wohl auch hin.
Natürlich darf gerne über Sinn und Unsinn der Fahrzeuggattung SUV oder wie im Falle des X6 SAV Coupé diskutiert werden. Aber man möge bitte bedenken, dass es abseits des deutschen Marktes auch noch andere Länder gibt, in denen Autos gekauft werden. Große Autos mit ebensolchen Motoren.
Bitte recht sonor
So auch ein BMW X6 M50i. Mit seinem V8-Triebwerk unter der Haube bringt er nicht nur 2,3 Tonnen auf die Waage, er ist auch leistungstechnisch ein Monster: der Achtzylinder generiert 530 PS und stemmt ein maximales Drehmoment von 750 Newtonmeter an beide Achsen. In Summe macht das den neuen X6 dann auch zu einer Fahrmaschine der besonderen Art. Das bayrische Urvieh zieht und schiebt bei nachdrücklicher Gaspedalbewegung nach vorne, als gäbe es kein Morgen. Dabei stimmt es die bajuwarische M-Symphonie in der Tonart V8 aus der serienmäßigen Sportabgasanlage an, peinlichst darauf achtend, dass das Lied nur in den tiefen Tönen intoniert wird. Wer diese Musikrichtung mag, wird begeistert sein. Doch kaum dass der Dirigent den Taktstock gehoben hat und das Publikum der Ouvertüre lauscht, schiebt sich der X6 M50i in nur 4,3 Sekunden auf Tempo 100. Trotz des Gewichts geschieht das mit einer erstaunlichen Leichtigkeit.
Bei der bleibt es auch, solange der bullige Bayer im Geradeauslauf ist. Tempo 250? Kein Problem. Die Achtgang-Automatik schaltet ohne jeden Verzug hoch und runter, die Bremsen beißen mit Schmackes zu und auch der Antritt aus dem unteren Drehzahlbereich erfolgt ohne Verzug. Wie gesagt, der M50i schiebt einfach mal mit unbändiger Kraft an. Dabei überfliegt er im wahrsten Sinne des Wortes Bodenunebenheiten dank seiner dynamischen Dämpferkontrolle. Wer im Sturmflug unterwegs ist, hat mit Sicherheit den Sport-Modus aktiviert.
Und das ist auch gut so, denn bei Dynamik ist das Schwergewicht natürlich auch an die auf Erden geltenden physikalischen Grenzen gekettet. Mithilfe des im M50i serienmäßigen M-Fahrwerks, dessen Wankstabilisierung, der geregelten Differentialsperre im Hinterachsgetriebe und der M-spezifischen Integrallenkung können die in schnell gefahrenen Wechselkurven ein gutes Stück nach hinten verschoben werden. Ganz lassen sie sich aber nicht negieren und so wird der Pilot, den der Übermut packt, schnell merken, wo es besser ist, den Fuß wieder vom Gas zu nehmen. Obgleich angemerkt werden muss, dass die Grenze des Fahrers in der Regel früher da ist als die des Bayern.
Assistenten mit Anspruch
Früher als der Fahrer sind bei Bedarf die Helferlein in Form der Assistenzsysteme da. Vor allem dann, wenn genau das Gegenteil des oben Geschilderten passiert, wenn man den Kanten gelangweilt durch zähen Verkehr oder den Stau schieben muss. Dann nämlich kann der Assistent übernehmen: Abstand, Spur und Tempo halten, bis zum Stillstand abbremsen und wieder anfahren. Allerdings sollte, wer mit dem Bullen im Sturmlauf unterwegs ist, dem Spurhalteassistent eine Pause gönnen. Der ist einfach zu schreckhaft und reißt gerne etwas unvermittelt am Lenkrad. Meist dann, wenn es der Rennfahrer in spe am wenigsten gebrauchen kann. Klar kann, wer cruist, auch alle Vorteile dieser technischen Innovation bis hin zum selbständigen Überholen nutzen. Einfach Blinker setzen und den Wagen machen lassen. Geht!
Doch egal, ob den Fahrer der Hafer sticht oder er sich teilautonom chauffieren lässt, er wird in einem M50i immer in sportlichen Lederpolstern sitzen und auf eine neue Bedieneinheit blicken, wie man sie bereits aus X3, X5 und X7 kennt. Sieht schick und modern aus und BMW hat dafür gesorgt, dass sich Kenner des Bediensystems auch nicht groß umstellen müssen. Die Einheit für alles, was sich über das Zentraldisplay steuern lässt, ist weiterhin ein Druckdrehsteller.
Wem das lästig ist und wer die Hände aus Sicherheitsgründen lieber am Lenkrad lässt, der kann den ebenfalls serienmäßig an Bord befindlichen "Intelligent Personal Assistent" beauftragen, an verschiedenen Reglern zu drehen. Hört sich schräg an? Ist es gar nicht. Der persönliche Assistent funktioniert nämlich wie Siri, Alexa oder Cortana. Der Ruf "Hey BMW" weckt ihn und macht ihn bereit für Fragen und Aufgaben. Welche das in Gänze sind, kann hier nicht geklärt werden. Das System lernt täglich und erweitert seine Fähigkeiten. Und wem die Ansprache "Hey BMW" zu unpersönlich ist, der kann dem Kind natürlich auch einen anderen Namen geben. Ganz nach eigenem Geschmack.
Ich seh' den Sternenhimmel
Den Wohlfühlfaktor soll natürlich auch das Panoramadach, dessen Durchsichtsfläche im Vergleich zum Vorgänger um 83 Prozent gewachsen ist, erhöhen. Auf Wunsch ist es aber nicht mehr nur das schnöde Fenster in den Himmel - wer will, kann es mit einem Häkchen in der Optionsliste zum immer leuchtenden Sternenhimmel machen. Mehr als 15.000 beleuchtete Grafikpunkte lassen es im Zungenschlag von BMW zu einer "Sky Lounge" werden. Ganz ohne zusätzliches Kreuz wird beim Öffnen der Türen über das Ambientelicht der Ein- beziehungsweise Ausstiegsbereich der Passagiere ausgeleuchtet. Damit sind die Wohlfühloptionen aber noch nicht zu Ende.
Wer will, kann seinen X6 mit einem V8-Treibsatz nicht nur zum ultimativen Sports Car aufrüsten, er kann ihn auch zum Konzertsaal machen. Nötig ist dafür lediglich das Bowers & Wilkins Diamond+ 3D Surround Sound System. Dieses Klangwunder ist nämlich nach Aussage von BMW im Automobilbereich einzigartig. Ob das so ist, kann hier nicht bestätigt werden. Aber dass das Teil mit 7-Kanal-Verstärker und 1500 Watt Leistung einen fantastischen 3D-Sound zaubert und auf Wunsch mit seinen Bässen nicht nur die Ohren massiert, sondern bis in die Magengrube fährt, das schon.
Nichts für Rechner mit spitzem Stift
Nun steht für den praxisorientierten Kraftfahrer aber wahrscheinlich weder der Sternenhimmel noch die Soundanlage oder der persönliche Assistent im Vordergrund. Den dürfte eher interessieren, wie viel so ein V8 verbraucht. Sie kennen die Antwort! Das hängt von der Fahrweise ab. Wer den Dicken so richtig ins Laufen bringt, der hat mal schnell eine 17 im Display stehen. Ein anderer, der das Gaspedal nur streichelt, kann auch mit knapp 9 Litern Super über 100 Kilometer kommen. Im Testlauf blieb die Anzeige nach über 100 Kilometern bei 11,4 Litern stehen.
Nein, das ist nicht wenig, andererseits für die Leistungsstufe auch nicht wirklich viel. Will man sparsamer unterwegs sein, muss man sich zwingend für einen kleineren Motor entscheiden. Zur Wahl stünden hier ein Sechszylinder im 40i mit 340 PS und einem Datenblattverbrauch im Drittelmix von 8,6 Litern. Noch weniger schlucken die beiden Dieselvarianten: Der M50d mit seinem Sechszylinder und 400 PS soll mit 7,2 Litern über 100 Kilometer auskommen und der 30d, der ebenfalls von einem Reihensechszylinder mit 265 PS angetrieben wird, schafft die Distanz mit 6,6 Litern. Alle Antriebe erfüllen die Euro 6d-Temp Norm.
Natürlich spart der Interessent abseits eines M50i nicht nur beim Verbrauch, denn die Spitzenmotorisierung schlägt mit einem Grundpreis von 99.000 Euro ordentlich ins Kontor. Der M50d bringt es noch auf 96.600 Euro. Da mutet der 40i mit seinen 77.000 Euro geradezu preiswert und der 30d mit 75.500 Euro wie ein Schnäppchen an. Allerdings sind das jeweils die Einstiegspreise, die mit entsprechenden Zukäufen bei der Ausstattung deutlich steigen können. Ergo: Ein Vernunft- und Stadtauto war und ist der BMW X6 eher nicht. Dafür taugt er mit seinem 580 Liter fassenden Kofferraum durchaus als bequemes Reisemobil, in dem man trotz Coupé-Linie auch als Erwachsener in der zweiten Reihe sitzen kann.
Quelle: n-tv.de
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