Taucher würden derzeit die Fundamente der 113 Meter hohen und 3600 Meter langen Sperre (im Bild oben links) untersuchen, die Pioniere der US-Armee als den gefährlichsten Damm der Welt ansehen. Der Bau sei „in jeder Hinsicht unsicher“, sein Kollaps könne 500.000 Menschen in den Tod reißen und eine Million obdachlos machen, urteilten die Fachleute.
Ein Problemdamm
Und die Gefahr wächst. Denn Ende Februar setzt in den türkischen Bergen die Schneeschmelze ein und lässt den Tigris anschwellen. Und seit der IS die Sperre im August 2014 elf Tage besetzt hielt, bevor Peschmerga sie zurückeroberten, sind alle Wartungsarbeiten gestoppt und klaffen immer größere Risse in dem maroden Konstrukt.
1984 unter Diktator Saddam Hussein errichtet, war der Damm von Anfang an ein Problemfall. Acht Milliarden Kubikmeter Wasser sind in dem größten Süßwasserreservoir des Irak aufgestaut, von dem Millionen Menschen ihr Wasser und zehntausende Bauern jenes für die Felder beziehen, ganz abgesehen vom Strom dreier Kraftwerksblöcke. Die Staumauer jedoch steht auf einem weichen Untergrund aus Gips, Kalk und Tonerde. Am Fuß der Mauer wäscht Wasser das weiche Material ständig aus und untergräbt den Damm durch immer neue Hohlräume.
Die Barriere hält langfristig nur, weil Maschinen und Arbeiter jeden Tag Zement ins löchrige Erdreich nachpressen, insgesamt mehr als 50.000 Tonnen. Doch nach dem IS-Intermezzo waren „alle Maschinen weg und alle Arbeiter verschwunden“, so ein Sprecher der US-Armee. Zudem steht jenes Zementwerk, das die spezielle Dichtmischung erzeugt, in Mosul – und unter der Kontrolle der Gotteskrieger.
20 Meter hohe Flutwelle
Die Folgen eines Dammbruchs haben Wissenschaftler bereits 2009 beschrieben. Innerhalb von zwei Stunden würde die Zwei-Millionen-Einwohner-Metropole Mosul von einer zwanzig Meter hohen Welle überschwemmt, genauso weiter flussabwärts liegende Städte wie Tikrit und Samara. Weite Landstriche mit Äckern, Dörfern und Straßen würden untergehen. Selbst in Bagdad wäre die Flutwelle einige Tage später noch vier Meter hoch. Die Botschaften der USA und mehrerer anderer Länder dort haben bereits Evakuierungspläne für ihre rund 30.000 Mitarbeiter ausgearbeitet.
Dennoch gab sich die irakische Regierung unbeeindruckt. Noch Mitte Jänner erklärte das Wasserministerium, dessen Chef, Mohsin al-Shammari, der Partei des schiitischen Predigers Moktada al-Sadr angehört, man brauche keine Hilfe und wolle die Bevölkerung nicht in Panik versetzen. Auch der Generaldirektor des Mosul-Dammes, Riyadh Ezzedine al-Nuaimi, versicherte, es sei alles okay. Der Damm sei nicht ernstlich gefährdet.
Italienische Rettungsaktion
Und so musste US-Präsident Barack Obama Iraks Premierminister Haider al-Abadi per Telefon ins Gebet nehmen, bis man dort endlich reagierte. Am Dienstag beauftragte das Kabinett in Bagdad nach zweijährigem Hin und Her den italienischen Trevi-Konzern, die zerfressenen Fundamente zu sanieren und zu stabilisieren. 18 Monate sollen die Arbeiten dauern und rund 380 Millionen Dollar kosten. Eine schwere Bürde für den gebeutelten irakischen Staatshaushalt.
Rund 450 italienische Soldaten, etwa drei Kompanien, werden die europäischen Experten und die Arbeiter schützen. Denn die IS-Terrormiliz operiert nur 40 Kilometer von der heiklen Baustelle entfernt.
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