Der "Fürst der Finsternis" steht vor Gericht

  05 November 2019    Gelesen: 707
Der "Fürst der Finsternis" steht vor Gericht

Seit Jahrzehnten zieht der berüchtigte Exzentriker Roger Stone in Washington die Fäden. Er erkannte Donald Trumps Potenzial und half ihm dabei, ins Weiße Haus zu ziehen. Nun beginnt ein Prozess gegen Stone. Seine schmutzigen Tricks könnten ihm zum Verhängnis werden - und für Trump problematisch.

Als die ersten Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahl eintrudeln und alle Umfragen, gängigen Voraussagen und Es-darf-einfach-nicht-sein-Mantren auf den Kopf stellen, sitzt Roger Stone im Studio des Alt-Right-Mediums Infowars.com und bleibt ruhig. Als dann irgendwann feststeht, dass Donald Trump gewonnen hat und sein Traum erfüllt wurde, den er seit dreißig Jahren hegt, ist der Politikberater Stone entrückt. Er stößt mit den anderen an und schaut danach gedankenverloren ins Leere.

Es ist an diesem Abend im November 2016 egal, dass Roger Stone einen Wahlkampf mit Mitteln geführt hatte, wie ihn die USA noch nie gesehen hatten: an der Grenze der Legalität und darüber hinaus. Trump hatte gewonnen. Sein Kandidat.

Nun, drei Jahre später, beginnt ein besonderer Gerichtsprozess. Der Angeklagte ist Roger Stone. Einer der schmutzigsten Handlanger der US-amerikanischen Politik muss sich voraussichtlich rund zwei Wochen lang verantworten, weil er gelogen, die Justiz damit behindert und einen Zeugen zu Falschaussagen zu seinen Gunsten gebracht haben soll. Und zwar, um die Verbindungen von sich selbst und damit auch Trumps zu Wikileaks und potenziell nach Russland zu verschleiern.

Trump dachte womöglich, er habe in der Russland-Affäre und vom Mueller-Report nichts mehr zu befürchten. Doch was in den Gerichtsverhandlungen ans Licht kommen wird, könnten die oppositionellen Demokraten auch in dem sich anbahnenden Amtsenthebungsverfahren verwenden. Im Mueller-Report waren zahlreiche Stellen geschwärzt, bei denen es um Wikileaks-Veröffentlichungen geht - wegen laufender Ermittlungen. Es gilt als höchst wahrscheinlich, dass es sich dabei um die Anklage gegen Stone handelt, die nun verhandelt wird.

Teil der "Folter-Lobby"

Roger Stone ist ein bekanntes, berüchtigtes Gesicht im politischen Washington. Er hat unter anderen für Richard Nixon gearbeitet, für Ronald Reagan, Bob Dole und eben Donald Trump. Er ist ehemaliger Vorsitzender der Young Republicans und war schon mit 19 Jahren in Nixons Wahlkampfteam in New York. Stone ist auch einer der Namensgeber und Gründer der politischen Berater "Black, Manafort, Stone and Kelly", die sich mit ihrer Nähe zum Weißen Haus in den 1980er-Jahren zu einer der einflussreichsten Lobbyfirmen in der US-Hauptstadt aufschwangen. Neben Stone war auch Paul Manafort in entscheidenden Positionen für Trumps Wahlkampf tätig.

Die politischen Ausrichtungen ihrer internationalen Klienten waren der Kanzlei weitgehend egal. Sie spezialisierte sich darauf, fragwürdigen Unternehmen und Diktatoren die politische Unterstützung in den USA zu sichern, damit sie dort Geschäfte machen konnten - und kassierten dafür viele Millionen Dollar. Sie erhielt so ihren Spitznamen: "Die Folter-Lobby".

"(Wir) hatten die meisten Diktatoren, die weltweit aufzutreiben waren", hatte Stone vor der Kandidatur Trumps über seine Lobbyfirma gesagt. "Pro-westliche Diktatoren natürlich". Bei der Bezeichnung Diktatoren komme es ohnehin auf die Perspektive an, sinnierte er. Unter den Klienten der Kanzlei waren etwa Somalias Militärherrscher Siad Barre, Zaires Mobutu Sese Seko und Ferdinand Marcos von den Philippinen. Sie alle haben viel Blut an ihren Händen, um ihre Regime zu festigen. "Ich bin stolz auf meine Arbeit (dort), weil ich viel Geld verdient habe", sagte Stone vor ein paar Jahren. "Mir fällt nichts ein, was illegal oder unmoralisch gewesen wäre."

Nixon-Köpfe als Wasserpfeifen

Stone ist ein politischer Exzentriker. Zwischen den Schulterblättern hat der Lobbyist sich irgendwann Nixons Gesicht tätowieren lassen. Nicht aus ideologischen Gründen, sagt er, es solle ihn bloß daran erinnern, niemals aufzugeben. Auch die Gestik des ehemaligen republikanischen Präsidenten hat er übernommen, etwa die beiden hochgestreckten Arme mit den Händen zum "Victory"-V geformt. In seinem Haus in Florida zählt er Wasserpfeifen in Nixon-Kopfform zu seinen wertvollsten Besitztümern; neben Wahlplakaten hängt ein Ölgemälde von sich selbst, in Uniform und berühmter Pose Napoleon Bonapartes.

Dass Stone in all den Jahrzehnten bislang nie als Hauptangeklagter vor Gericht stand, ist ein wenig erstaunlich, sagt aber viel über den Politikbetrieb in den USA aus. Er war schon als junger Mann in den Watergate-Skandal verwickelt, ließ mögliche politische Gegner Nixons bespitzeln. Ein andermal fingierte er eine Parteispende, um diese damit zu diskreditieren. Wegen seiner Methoden hat Stone in Washington eine ganze Liste von Spitznamen angesammelt: von "dreckiger Trickbetrüger" über "Agent Provocateur" bis "Fürst der Finsternis". Stone findet das nicht schlimm, im Gegenteil. Er nennt sich in Interviews selbst so. "Es ist besser, berüchtigt zu sein, als gar nicht berühmt", lautet einer seiner Grundsätze. Er ist ein Strippenzieher, der die Öffentlichkeit sucht.

Der Gerichtsprozess wird neben Stones Verbindungen zum Präsidenten und dessen Rolle in der Russland-Affäre auch seinetwegen höchst interessant. Verleitet ihn sein Hang zur Selbstdarstellung dazu, Informationen preiszugeben, die anderen aus Trumps Umfeld oder dem Präsidenten selbst schaden können? Stone hat sich in der Vergangenheit immer wieder selbst widersprochen, womöglich bewusst. So wollte er etwa vorab von der Veröffentlichung der E-Mails der Demokraten durch Wikileaks gewusst haben und sagte während des Wahlkampfes 2016, er stehe in Kontakt mit Julian Assange - was er später wieder dementierte. Die Daten hatte die Enthüllungsplattform von russischen Hackern erhalten.

Mainstream der "stillen Mehrheit"

Seit den 80er-Jahren hatte Stone immer wieder versucht, Trump von einer Präsidentschaftskandidatur zu überzeugen. Stone war offiziell von Juni bis August 2016 für Trumps Wahlkampf tätig, aber schon davor mit seiner Kanzlei. Als Paul Manafort wegen umstrittener Verbindungen in die Ukraine die Wahlkampfleitung an Trumps späteren Nationalen Sicherheitsberater Steve Bannon abgeben musste, war auch Stone nicht mehr offiziell im Team. Aber Stone war zu diesem Zeitpunkt längst verbündet mit den Medien der Alt-Right, der Neuen Rechten; mit Breitbart, Infowars.com und so weiter. Sie seien der neue Mainstream der "stillen Mehrheit", war Stone überzeugt. Bannon kam von Breitbart. "Er ist Trumps Geheimwaffe", sagte Stone. Er sollte Recht behalten. Die "stille Mehrheit" wählte Trump.

Das politische Universum Washington hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch wegen Stone umgestaltet und neu definiert. Er führte in den 80er-Jahren einen destruktiven Wahlkampf ein, wie es ihn in dieser Form noch nie gegeben hatte: haltlose Diffamierungen des Gegners, Streuung von Gerüchten bei Journalisten; alles, was irgendwie noch legal war. Darauf sprangen die Medien wie wild an und tun es noch immer. "Hass ist ein stärkerer Motivator als Liebe", sagt Stone. Er war auch legal kreativ: Die Parteispendengrenzen, die nach Watergate verschärft wurden, umging er, indem er ein "Political Action Committee" (Pac) gründete, das Spendengelder einsammelte und damit ohne offizielle Kontrolle der Partei oder deren Kandidaten mit Unternehmensgeldern legal Wahlkampf betrieb.

Die US-amerikanische Politik ist ohne diese Pacs, inzwischen wegen ihrer Finanzmittel auch Super-Pacs genannte Geldmaschinen, nicht mehr denkbar. Dollar machen mehr Politik als je zuvor. Es ist paradoxerweise der absichtlich geschürte Hass auf genau diese Mechanismen, den von Stone selbst angelegten "Sumpf", der Trump siegen ließ. Als vermeintlichen Außenseiter. So wie Stone: Wegen eines Sexskandals in den 90er Jahren war er für Mainstream-Republikaner nicht mehr tragbar und an den Rand der Partei gedrängt.

Manafort schon im Gefängnis

Stones ehemaliger Geschäftspartner Paul Manafort wurde im März im Zusammenhang mit seinen Geschäften in der Ukraine - dort brachte er den prorussischen Viktor Janukowitsch an die Macht - wegen Bankbetrugs und Steuerhinterziehung zu fast vier Jahren Haft verurteilt. Zuvor hatte er in einem Interview gesagt: "Roger (Stones) Beziehung zu Trump ist so verwoben, dass es schwierig ist zu sagen, was Roger ist und was Donald." Es sei Trumps Präsidentschaft, aber Stones Philosophie. Dazu gehören: Nie in die Defensive geraten. Permanent angreifen. Vorwürfe des Gegners grundsätzlich leugnen.

Es ist gut möglich, dass bei dem Gerichtsprozess gegen Stone auch Bannon aussagen wird. Der hat es sich mit Trump verdorben, weil er allzu freimütig über den Präsidenten und seine Familie gelästert hatte. Die Alt-Right-Ikone ist dafür bekannt, mit seinen Ansichten und Details nicht immer hinter dem Berg zu halten. Stone sagte einmal, eine Straftat zu vertuschen sei nicht schlimm, sondern nur die Straftat selbst. Das Gericht könnte das anders sehen.

Quelle: n-tv.de


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