Obwohl sich in den letzten dreißig Jahren jede Menge verändert hat in der Welt, gibt es im Mikrokosmos "BMW Achter-Reihe" doch eine Konstante: Das Topmodell der Baureihe liegt preislich knapp über jenem der luxuriösen Siebener-Reihe. Notierte die Preisliste im Jahr 1989 satte 135.000 Mark für einen 850i, war der 750iL fünftausend Mark günstiger. Heute verlangt BMW für sein Spitzenprodukt M760Li 174.500 Euro, während die Achter-Topvariante in Grundkonfiguration 176.000 Euro verschlingt – dabei handelt es sich um das M8 Competition Cabrio.
Nun aber geht´s erst einmal hinter das Steuer eines BMW 850Ci späteren Baujahres. Unter der Haube arbeitet der so genannte M73, das ist die überarbeitete Version des ersten deutschen Nachkriegs-Zwölfzylinders mit einer Hubraum-Erhöhung von fünf auf 5,4 Liter und einer moderaten Leistungssteigerung von 300 PS auf 326 PS. Nach dem Drehen des Schlüssels ertönt das typisch gleichmäßige V12-Anlassersummen, und die große Maschine nimmt ihre Arbeit auf.
Das muss wirken
Doch bevor der Wählhebel auf "D" gleitet – bitte kurz diese Armaturen wirken lassen. Hier strotzt es nur so vor Drucktasten und kleinen Displays. Die breite, angeschrägte Konsole lässt den E31 etwas salonartig wirken, fehlt nur noch, dass sich der Fahrer eine Zigarre ansteckt. Und es war noch eine Architektur, die sich von jener der anderen BMW-Modelle unterschied, auch und gerade von der des Siebeners, der bei BMW als das Standardwerk des noblen Fortkommens galt. Wer jedoch das viele Geld für den 850i auf den Tisch gelegt hatte, bekam ein besonderes und betont eigenständiges Vehikel. Diese Botschaft versteckt sich auch in der Außenhaut des Achters, der mit markanten Klappscheinwerfern und betont keilförmig vom Hof rollt.
Aber nun wird gefahren: Stufe D und sanft losrollen. Erst mal die acht Liter Motoröl warmfahren, bevor der Zwölfender Drehzahl bekommt. Schon auf den ersten Metern ohne schweren Gasfuß wird klar, dass das 1,8 Tonnen schwere Coupé ein Tourer und kein Hektiker ist. Trotzdem will man zumindest einmal nachempfinden, wie die glücklichen 8er-Eigner sich in den Neunzigern gefühlt haben müssen. Turbinenartig im Sound und mühelos in der Gasannahme säuselt sich das große Triebwerk in die 3000er-, 4000er- und 5000er-Drehzahlregion. Dabei macht der Zweiventiler überhaupt kein Bohei um seine Kurbelwellenrotationen, klingt mächtig und nobel, aber nie sonderlich extrovertiert.
Kompakt, emotional und doch gewöhnlich
Umstieg in das neuzeitliche Coupé, das um 7 Zentimeter in der Länge sowie 4 Zentimeter in der Breite wuchs: Obwohl die Dimensionen größer sind, wirkt der Achtfuffziger anno 2019 irgendwie kompakter. Und gewöhnlicher, trotz Designer-Blechkleids zum Träumen. Unzählige Sicken und der große Kühlergrill lassen den G15 futuristisch wirken, aber auch ein wenig zerklüftet, was vermutlich nicht jedermanns Geschmack ist. Der Innenraum präsentiert sich wertig verarbeitet, aber bis auf den Automatikwahlhebel in Glasoptik ganz schön konventionell; das aus purer Anzeigefläche bestehende Kombiinstrument findet sich mittlerweile in so ziemlich allen BMW-Modellen wieder – dennoch fördert es den Spieltrieb mit seinen verschiedenen Oberflächen. Eine feine Sache vor allem für die Playstation-Generation.
Richtig emotional wird der M850i xDrive, sobald sein 4,4 Liter großer Achtzylinder erwacht. Mit einem tiefen Bass posaunt er die nötige Aufmerksamkeit herbei. Nur das Oberklasse-Gefühl des ersten Achters will nicht so recht aufkommen, kein Wunder, der aktuelle Achter soll ein Dynamik-Profi sein, während das Konzept des großen, gleitenden Gran Turismo verworfen scheint. Komfort avanciert beim M-Performance-Kandidat zur Nebensache, der Druck im Kreuz muss stimmen. Und keine Sorge, dank 530 PS und obligatorischem Allrad wird das Coupé zum Supersportwagen-Jäger, schnalzt binnen 3,7 Sekunden auf Landstraßentempo. Auf kurviges Landstraßenlayout legt es außerdem hochdynamische Tanzeinlagen ein – schließlich lenken die hinteren Zwanzigzöller der 275/30er-Liga mit.
Sechs Sekunden geschmeidig sortiert
Dagegen fühlt sich der gerade frisch gebackene Oldtimer sanftmütiger an, und er erwartet, dass man ihm etwas mehr als 6 Sekunden Zeit gibt, bis 100 km/h erreicht sind. Geschmeidig sortiert der hier zum Einsatz kommende Fünfgang-Wandler seine Fahrstufen, während sich der hübsche Keil theoretisch souverän zu Höchsttempo 250 aufschwingt. Da kann der leidenschaftlich bollernde Power-Achter dann auch nicht mehr vorbei – denn abgeregelt sind sie beide beim exakt gleichen Tempo.
Übrigens: Die mitlenkende Hinterachse gab es damals schon zum Aufpreis von deutlich über 10.000 Mark – bestellt wurde das Hightech-Extra fast nie. Dennoch haben die beiden Modellreihen kaum mehr als den Namen und die Anzahl der Türen gemein. An die Extravaganz und Klasse des alten, distinguierten Zwölfzylinder-Coupés heranzureichen, ist schon nicht einfach. Doch das war offensichtlich auch gar nicht erklärtes Ziel der Bayern. Demnach müsste der neue Achter indes konsequenterweise eigentlich Sechser heißen, hält er doch analog zum Ur-Sechser E24 ab den gehobenen Versionen das gleiche Motorenangebot wie der zeitgenössische Fünfer bereit, was sogar bis zum Diesel reicht. Davon losgelöst betrachtet ist der M850i xDrive freilich ein kleiner Traum auf Rädern mit einem leidenschaftlichen Achtzylinder, wie er in der Welt des Downsizings selten geworden ist.
Quelle: n-tv.de
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