Seehofer in Moskau: Ein Patzer zum Abschluss

  06 Februar 2016    Gelesen: 1065
Seehofer in Moskau: Ein Patzer zum Abschluss
Moskau - Während sich Horst Seehofer in Moskau aufhält, tobt daheim die Debatte was der CSU-Chef damit bezweckt. Es geht ihm um Vorteile für Bayern und den eigenen Ruf. Und am Ende schief.
Es ist das denkwürdige Ende einer denkwürdigen Dienstreise. Horst Seehofer hat die Abschluss-Pressekonferenz in Moskau beendet, als sich alle im Raum ein wenig ratlos anschauen. Schon während der ganzen Reise hat Seehofer nur mühsam Konfliktthemen umschifft. Seine Mission ist, konstruktiv nach vorne zu schauen. Seine Botschaft: Wir brauchen Russland zur Lösung der Flüchtlingsfrage in Syrien. Wir brauchen Russland wirtschaftlich. Wir müssen Vertrauen aufbauen, Gesprächsfäden stärken. Er wiederholt das mantraartig. Auf dem Hinflug am Mittwochmittag, nach dem Treffen mit Wladimir Putin am Mittwochabend. Auf dem Roten Platz am Donnerstagmorgen. Dann kommt am frühen Abend die abschließende Pressekonferenz – und Seehofer gerät ins Schwimmen.

Bereits für den Satz „Ich finde es nobel von Putin, dass er sagt: ,Ich möchte mich nicht in Eure Flüchtlingspolitik einmischen‘“ erntet er erstaunte Reaktionen. Erst vor wenigen Tagen herrschte massive Verstimmung zwischen den Außenministern, weil Russland die Debatte um Angela Merkels Flüchtlingspolitik über seine staatlich gesteuerten Medien anheizt. Eskaliert war dies bei der angeblichen Vergewaltigung einer 13-Jährigen in Berlin. Außenminister Sergej Lawrow warf Deutschland gar eine Verheimlichung vor. Sein Kollege Frank-Walter Steinmeier sprach danach wenig diplomatisch von „politischer Propaganda“.

Trotz Ukraine Krise sieht Horst Seehofer Fortschritte

Auch ein anderer Satz irritiert die Medienvertreter. Seehofer lobt den zivilisatorischen Fortschritt, Konflikte heutzutage nicht mehr durch Krieg, sondern durch Diplomatie zu lösen. Herrsche denn in der Ukraine kein Krieg, will eine Journalistin wissen. Ein anderer fragt, ob Seehofer Russland in seine Fortschrittsthese ohne Krieg einschließe. Die klare Antwort des CSU-Chefs: „Ja“. Und im Versuch, sich zu rechtfertigen, fällt noch der Satz zur Ukraine: „Da gibt’s jetzt Schießereien. Das ist nicht gut und sollte beendet werden.“ Wer Seehofer in diesen Tagen erlebt hat, wird das als kommunikative Panne werten. Aber die Debatte um seine Reise dürfte damit neue Nahrung erhalten.

Ja, es ist eine sehr außergewöhnliche Reise, die er da absolviert. Nicht nur, weil daheim so viele Gift und Galle spucken. Sondern auch, weil Amtsinhaber in der Regel nicht ihre Vorgänger mit zu Staatsbesuchen nehmen. Edmund Stoiber, in der CSU noch immer Strippenzieher, kennt natürlich das Protokoll. Seehofer redet, führt, entscheidet. Aber zu Russland pflegt der Alt-Ministerpräsident eine besonders intensive Beziehung – nicht nur, weil ihn Putin am Mittwoch mit einer herzlichen Umarmung begrüßte. Dazu gesellt sich eine gesunde Portion Skepsis gegenüber den USA.

Vieles an der bayerischen Charmeoffensive in der russischen Hauptstadt trägt Stoibers Handschrift. Seehofer geht es um knallharte bayerische Wirtschaftsinteressen und ein Ende der Flüchtlingspolitik. Pragmatisch, dass es nur so quietscht. Mantrahaft wiederholt er, man müsse miteinander reden. Na gut, vielleicht nicht über alles. Die russische Propaganda beispielsweise, deren anti-deutscher Schwenk im Auswärtigen Amt für größte Besorgnis sorgt, lässt Seehofer außen vor. „Ich hüte mich davor, im Ausland oberlehrerhaft aufzutreten“, sagt Seehofer. „Das ist nicht mein Stil.“

Stimme der Vernunft oder unstillbares Geltungsbedürfnis?

Der CSU-Chef sieht diese Haltung als Teil seiner „Realpolitik“. Realität ist aber auch, dass sich die russische Propaganda-Maschinerie die Hände reibt. Abends kann man im Fernsehen lange Sequenzen über den Besuch eines deutschen Landeschefs bewundern. „Das war relativ lang, das stimmt“, gibt er zu. „Bayern baut seine Beziehungen mit Moskau an Berlin vorbei aus“, ist ein Artikel auf der Homepage des staatlichen Fernsehsenders Rossija 24 überschrieben. Seehofer, so die gängige Lesart, sei die „Stimme der Vernunft“.

Die „Stimme der Vernunft“ will sich in den nächsten Wochen vor allem für ein baldiges Ende der Sanktionen aussprechen. Dazu muss es in der Ukraine vorangehen: Kiew und Moskau müssten den Verpflichtungen aus dem Minsker Vertrag nachkommen. Während der Sicherheitskonferenz empfängt Seehofer sowohl den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko als auch den russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew in der Staatskanzlei. Beide müssten sich bewegen: Die Russen, indem sie die Separatisten im Donbass zum Einhalten des Waffenstillstandes ermahnen. Und die Ukrainer, in dem sie zugesagte neue Gesetze verabschieden und umsetzen.

Seehofer klingt wie ein Weltpolitiker. Doch daheim will die Kritik an ihm nicht abreißen. Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, bescheinigt Seehofer im „Deutschlandfunk“ ein „unstillbares Geltungsbedürfnis, das nur auf diese Weise jetzt befriedigt worden ist“. Die Kanzlerin schweige nur, sagt der SPD-Politiker, „weil sie den Schaden nicht noch vertiefen will“.

Tags:


Newsticker