Hochwasser: Wird Italien überflutet?

  27 November 2019    Gelesen: 1110
    Hochwasser:   Wird Italien überflutet?

Die Überschwemmungen und Unwetter in Venedig dauern an: Am Sonntag stieg erneut der Wasserpegel in der italienischen Stadt. In Italien gibt es sehr viele Regionen, die von Überflutungen betroffen sind.

Doch im Fall Venedig besteht die Gefahr, ein Weltkulturerbe zu verlieren. Am Sonntagmorgen stieg das Wasserniveau auf 130 cm. Wie wird sich die weitere Situation in Venedig entwickeln? Darüber sprach Sputnik mit Ingenieur Maurizio Ferla von der Abteilung für Wasserschutz der ISPRA.

- Was ist in Venedig in der nächsten Zeit zu erwarten?

- Das ist nicht mit der Katastrophe der vergangenen Woche zu vergleichen (Wasser stieg auf 187 cm – Anm.d.Red.), doch das Wasser wird wohl wieder den größten Teil der Stadt überschwemmen.

- Projekte zum Schutz vor Überschwemmungen wie MOSE und Arno sicuro, haben bereits sehr viel Geld gekostet, ihr Bau ist bislang jedoch nicht abgeschlossen. Kann man sagen, dass sie nutzlos sind?

- MOSE ist noch nicht abgeschlossen. Wäre es früher fertiggebaut worden, wäre es natürlich besser (das ist ein integriertes Schutzsystem, das aus Reihen mobiler Schleusen besteht, mit denen man die Lagune von Venedig vom Adriatischen Meer isolieren kann – Anm.d.Red.). Wäre die Anlage betriebsbereit, wäre der Höchststand in der vergangenen Woche nicht bei fast 190 cm, sondern 120 cm gewesen, womit die Situation eine völlig andere gewesen wäre.

- Kann Venedig wirklich untergehen oder sind das nur Spekulationen?

- Diese wunderschöne Stadt hatte schon immer eine schwierige Beziehung zum Meer. Nach unseren Beobachtungen stieg der Wasserspiegel in den letzten 100 Jahren, in den letzten 20 Jahren beschleunigte sich der Prozess. Das wissen wir aus historischen Aufzeichnungen. Zur Entwicklung der Situation in der Zukunft sollten wir bei Klimawandel-Experten nachfragen – im 5. Bericht der internationalen Gruppe 2014 werden Prognosen angeführt, wonach der Weltmeeresspiegel zwischen 30 cm und 1 m steigen soll.

Venedig ist  mit dem Mittelmeer verbunden, das wegen Verbindungen mit Ozeanen via Straße von Gibraltar und Suezkanal eine besondere Dynamik hat. Im Vergleich zu den Ozeanmassen ist das Mittelmeer nicht groß. Veränderungen in den Ozeanen werden natürlich Folgen für Venedig nach sich ziehen, doch bislang gibt es wenig zuverlässige Prognosen über die Folgen für das Mittelmeergebiet. Nach Einschätzungen des Euro-Mittelmeerzentrums für Klimawandel wird der Wasserspiegel in der Adria bis 2050 mindestens um 10 cm steigen.

Hätte das Projekt MOSE bereits funktioniert, hätte die Lagune in der vergangenen Woche sechs Mal gesperrt werden müssen. Wäre der Wasserspiegel um weitere 10 cm gestiegen – rund zwölf Mal.

- Wir sehen eine Tendenz des Anstiegs des Meeresspiegels. Welche Schlüsse kann man daraus ziehen?

- Europäische und italienische Politiker arbeiten an Strategien, die bei der Anpassung an solche Naturphänomene helfen würden. Die Küstengebiete sind von den Folgen des Klimawandels am stärksten bedroht. Im Fall Venedig ist alles sehr schwierig, weil unter anderem der Schutz des wertvollen kulturellen und historischen Erbes berücksichtigt werden soll.  Ich höre oft von der Technologie der „Anhebung des Bodenniveaus“, doch ich bin mir nicht sicher, inwieweit sie sich in dieser Situation eignet. Wichtig ist jedoch, allmählich damit zu beginnen, mit derlei Technologien zu experimentieren.

- Neben Venedig, welche Regionen Italiens könnten noch von diesem Problem betroffen sein?

- In Italien gibt es sehr viele andere Gebiete, wo das Problem mit Überschwemmungen besteht – fast alle Regionen an der nördlichen Adria-Küste – vom Po-Delta bis Triest. Das sind Flachlandgebiete. In einigen Orten sind Gebiete knapp unter dem Meeresspiegel, in anderen – ganze 3-4 Meter. Der durchschnittliche Anstieg des Meeresspiegels und die Stärke der Meeresstürme können in den nächsten 20-30 Jahren einige Probleme nach sich ziehen: Erstens ist unklar, ob der Küstenschutz die Situation meistern kann. Ebenso wenig ist klar, ob Tätigkeiten an der Küste fortgesetzt werden können. Zudem besteht das Problem der Anpassung an diese Bedingungen. Das betrifft alle flachen Gebiete Italiens. In Italien  gibt es sehr viele Küsten-Ökosysteme -  ein ökologisches Erbe, das nun bedroht ist.

- Bezüglich des Themas Klimawandel: Sind Sie Optimist oder teilen Sie die negativen Stimmungen?

- Man muss nicht unbedingt Optimist oder Pessimist sein, wichtig ist einfach, die Fakten zu kennen – die Wissenschaft weist uns darauf hin, dass die Temperatur der Atmosphäre in den letzten 100 Jahren deutlich gestiegen ist. Das führte unvermeidlich zu mehreren Folgen, mit denen wir es jetzt zu tun haben: Anstieg des Meeresspiegels, vermehrt Stürme. Man sollte das ernstnehmen, weil diese Naturphänomene erwiesenermaßen stattfinden. Deswegen sollten wir an Maßnahmen arbeiten, die in der Praxis am effektivsten angewendet werden können.

sputniknews


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