Elektroautos sind keine Klimakiller

  06 Dezember 2019    Gelesen: 755
Elektroautos sind keine Klimakiller

Elektroautos sollen die Umwelt schützen. Gegner sagen jedoch: Sie schaden ihr mehr als Verbrenner. Dieselben Wissenschaftler, die vor zwei Jahren mit einer viel zitierten Studie für Furore sorgten, haben nochmal nachgerechnet. Das Ergebnis überrascht.

Ist es richtig, im Namen des Klimaschutzes voll und ganz auf E-Mobilität zu setzen? Oder handelt es sich bei dieser politisch gewollten Wende um eine "zielgerichtete industriepolitische Täuschung", wie der frühere Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sagt? Die Autowelt scheint in dieser Frage tief gespalten. Mitten in die hochgekochte Debatte platzt nun eine Studie aus Schweden mit neuen Erkenntnissen, die Gegner milde stimmen und vielleicht sogar für einen Burgfrieden sorgen könnte. Das Besondere an ihr: Sie stammt aus der Feder derselben Forscher, die noch vor zwei Jahren eine deutlich schlechtere Bilanz zu den angeblichen ökologischen Vorteilen der E-Mobilität gegenüber konventionellen Fahrzeugen gezogen haben.

Die CO2-Bilanz sinkt

Der größte Vorwurf, den Kritiker immer wiederholen, ist die klimaschädliche Herstellung insbesondere der Akkus für die Elektroautos. Der CO2-Abdruck sei wegen der enthaltenen Batterierohstoffe viel größer als der von herkömmlichen Fahrzeugen. Die neue Studie aus Schweden korrigiert dieses Bild. Auf Basis neuerer Zahlen und im Unterschied zu ihren alten Forschungsergebnissen kommen die Experten zu dem Schluss, dass bei der Produktion der Batterien bereits deutlich weniger klimaschädliche Gase ausgestoßen werden als früher.

Laut dem Umweltforschungsinstitut Svenska Milgöinstitutet (IVL), das die Studie im Auftrag der nationalen Energiebehörde erstellt hat, entstehen bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien heute im Durchschnitt zwischen 61 und 106 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde produzierter Batteriekapazität. Nicht transparente Daten berücksichtigt - gemeint dürften die aus chinesischen Fabriken sein - erhöhe sich der Anteil auf 146 Kilogramm pro Kilowattstunde, schreiben die Forscher. In der alten Analyse aus dem Jahr 2017 waren es noch 150 bis 200 Kilogramm.

Die Presse griff die Zahlen damals dankbar auf. Eine Zeitung ging in ihrer Interpretation der "Schwedenstudie", wie sie genannt wurde, so weit, die komplexen Ergebnisse am Ende auf 17 Tonnen CO2 pro Batterie zu reduzieren. Die Öffentlichkeit reagierte schockiert und das vermeintliche Studienergebnis wurde in der Folge immer wieder zitiert. Der Haken war nur: Die Angabe bezog sich auf eine 100-Kilowatt-Batterie des Tesla Model S 100 D - also ein echtes Schwergewicht aus der Flotte des Elektropioniers Elon Musk. Ein Mittelklassewagen wie der ID. 3 von VW ist dagegen nur mit einer in etwas halb so großen Batterie unterwegs.  

Die Durchschnittszahlen in der Studie von 2017 waren niedriger. Und selbst die zugrundegelegt, ist heute eine deutliche Verbesserung in der Klimabilanz zu erkennen. Einer der Hauptgründe dafür sind die größeren Produktionsstätten, die auch deutlich mehr Batterien herstellen. Diese sogenannten Skaleneffekte machen die Fabriken effizienter, schreiben die Autoren. Auch der steigende Gebrauch fossilfreier Energieträger macht sich inzwischen positiv bemerkbar. Laut der Forscher ist der Anteil erneuerbarer Energien bei der Batterieproduktion zwar immer noch relativ gering, aber er steigt. Idealerweise wird das Elektroauto irgendwann komplett mit Ökostrom gebaut und geladen.

Der längere Lebenszyklus der Elektroautos trägt ebenfalls zur besseren Klimabilanz bei. Die Klimaschuld verringert sich im Laufe des Fahrbetriebs - und zwar je schneller, je sauberer der Strom gewonnen wird. Laut ADAC ist der Nachteil von Batterieautos ab Fahrleistungen von 50.000 bis 100.000 Kilometern ausgeglichen. Die Tesla-Flotten in den USA liegen da schon deutlich drüber.

Beim Recycling gibt es Luft nach oben

Die neue Schwedenstudie äußert sich auch zum umstrittenen Materialbedarf für Batterien. Der Bergbau habe "große ökologische und soziale Auswirkungen", kritisieren die Wissenschaftler. Sie fordern deshalb bessere Recycling-Methoden. "Ein wichtiger Schritt, um den Bedarf an neuen Rohstoffen zu verringern" sei die Wiederaufbereitung von Metallen aus gebrauchten Batterien, heißt es. Außerdem müssten alte Akkus gesammelt und weiterverwertet werden.

In Elektroautos stecken Lithium-Ionen-Batterien, die nicht nur Lithium, sondern auch Kobalt, Nickel und Aluminium enthalten. Insbesondere der Abbau von Lithium und Kobalt gilt für die Umwelt und den Menschen als problematisch. Wohin die Reise gehen muss, ist klar.

Laut ADAC können durch Recycling aus den Antriebsbatterien bis zu 95 Prozent der relevanten Funktionsmaterialien Kobalt, Nickel und Kupfer zurückgewonnen werden. Die Rückgewinnung von Lithium sei ebenfalls möglich, aber aufgrund günstiger Rohstoffpreise derzeit noch unwirtschaftlich. Das soll sich durch neue Technologien ändern. Experten prognostizieren, dass sich ein ganzer Industriezweig für Lithium-Ionen-Batterien entwickeln werde, sobald das Angebot an Altbatterien groß genug sei.

Und noch eine positive Änderung zeichnet sich ab: Schon bald stammt Lithium vielleicht aus Europa. Das Unternehmen European Lithium will 2021 mit dem Abbau des Rohstoffes in Österreich beginnen. Die Forschung arbeitet gleichzeitig an Batterien, die weniger oder gar kein Kobalt brauchen. Tesla hat den Anteil von Kobalt in seinen Batterien bereits drastisch gesenkt. So wie es derzeit aussieht, spielt die Zeit für die Elektromobilität.

Grüner Strom ist das A und O

Das Update zeigt: Elektroautos sind keine einfache Lösung gegen den Klimawandel. Grundsätzlich halten die Forscher auch an ihrer Kritik am Produktionsprozess fest. Eine Sackgasse ist die E-Mobilität deshalb aber nicht. Entscheidend ist, die Klimaschuld weiter zu schrumpfen und das Thema Batterierecycling voranzutreiben, um die wertvollen Rohstoffe wiederzuverwenden.

Die Studie liefere wertvolle Informationen über den ökologischen Fußabdruck von auf Lithium-Ionen Batterien basierenden Elektrofahrzeugen, erklärte Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Sie verdeutliche, dass ein Großteil der möglichen negativen Wirkungen auf die Herstellung der Zellen zurückginge. Künftig seien viel höhere Anteile von Ökostrom für Herstellung und Betrieb zu erwarten - das werde den CO2-Fußabdruck weiter deutlich verringern, so die Expertin für Energie, Verkehr und Umwelt. "Zudem führen technologischer Fortschritt und verstärkte Nachhaltigkeits- und Recycling-Standards dazu, dass weniger seltene Erden oder andere begrenzte Rohstoffe zum Einsatz kommen werden."

Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin fordert ein konsequentes energiewirtschaftliches Umdenken. Künftig müsse nicht nur der Betrieb, sondern auch die Herstellung der Fahrzeuge und der Batterien völlig klimaneutral erfolgen, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens einhalten zu können. Klar sei, dass sich mit einem Festhalten am Verbrennungsmotor keinerlei Klimaziele erreichen ließen. "Alle neueren Studien zeigen, dass Elektroautos, die mit dem normalen Strommix betrieben werden, geringe Klimaschutzvorteile haben", sagt der Professor für Regenerative Energiesysteme. Bei überwiegend grünem Strom ergäben sich jedoch deutliche Vorteile für den Klimaschutz.

Quelle: n-tv.de


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