Für Instagram ließ sich Anthony Joshua doch noch zu einem zarten Selfie-Lächeln bewegen. Weltmeister war er gerade erst wieder geworden. Vier Titel hatte er sich gegen Andy Ruiz junior zurückgeholt. Den Auftrag, den er an sich selbst formuliert hatte, hatte er erfüllt. Mit seriösem Boxen. Ganz ohne Spektakel. Und so fiel ihm das Lächeln nach zwölf Runden und einem Punktsieg beim höchst umstrittenen Event im saudi-arabischen Dirijah eher schwer. 189 Tage nach dem Coup von Ruiz im Madison Square Garden beherrschte Joshua das zweite Duell nun nach Belieben. "Ich wollte keine Ausreden suchen. Ich habe früher Leute ausgeknockt, doch ich wollte jetzt zeigen, dass ich auch klug boxen kann", sagte Joshua.
"Anthony ist der König", lobte sein Promoter Eddie Hearn, der maßgeblich dafür verantwortlich war, dass der Kampf im aufgrund der Menschenrechtsverletzungen umstrittenen Saudi-Arabien stattfand: "Er wurde in New York erniedrigt und ist jetzt zurück und beherrscht diesen Sport." Allerdings war Ruiz auch ewig weit von der Form entfernt, die ihn Anfang Juni zum Weltmeister gemacht hatte. Er war zu langsam, zu uninspiriert, zu schwach. Phasenweise ging seine Leistung als peinlich durch. "Ich bin einfach zu schwer geworden", urteilte Ruiz knapp.
Ganz anders eben als Joshua. Der attackierte sehr gut vorbereitet aus der Distanz. Und war auf schnellen Beinen unterwegs. "Das hat mich ein wenig an Sven Ottke erinnert", urteilt unser Box-Experte Andreas von Thien. "Da hat man mal wieder gesehen, was eine gute Beinarbeit ausmacht."
Wichtige Tipps von Klitschko
Mitverantwortlich dafür waren auch ein paar Kilo, die Joshua vor dem Kampf verloren hatte. "Das hat sich sehr positiv auf den Kampfverlauf ausgewirkt", so von Thien. Der 30 Jahre alte Brite war so jederzeit in der Lage das Geschehen zu kontrollieren. Er hielt sich so aus dem Gefahrenbereich raus, war für Ruiz außer Reichweite und setzte immer wieder erfolgreiche Konter. "Da waren ein paar schöne Aktionen dabei. Vor allem mit dem Jab. Er ist wie ein Chirurg zu Werke gegangen, hat strategisch sehr gut geboxt", erklärte unser Experte. Ganz anders noch als beim ersten Duell. "Anthony hat seine Lektion gelernt."
In der Vorbereitung auf den Rückkampf hat sich der 30-Jährige auch von Wladimir Klitschko Tipps geholt. Ein Schlüssel zum Erfolg, wie von Thien meint. "Dieses Distanzboxen, das hat mich schon sehr an Klitschko erinnert. Er ist nie Gefahr gelaufen, im Infight einen abzukriegen und k.o. zu gehen. Das war ein Sieg der taktischen Reife." Eine Taktik, die bei ihm Schule machen könnte, gerade wenn es nun womöglich gegen die großen Schwergewichtsgegner geht. Gegen die so schlagstarken Deontay Wilder oder Tyson Fury, die sich aber erstmal am 22. Februar des kommenden Jahres duellieren.
Von Ruiz hingegen ist von Thien total enttäuscht gewesen. "Nur mit Einzelschlägen zu versuchen, den Koloss ins Wanken zu bringen, das ist einfach zu wenig." Dennoch träumt der Amerikaner davon, dass es zu einem dritten Duell mit Joshua kommt. "Lasst uns das zu einer Trilogie machen. Wenn ich eine dritte Chance bekomme, werde ich in der besten Form meines Lebens sein", meinte der 30-Jährige, der für den Kampf eine Börse von zehn Millionen Dollar erhalten haben soll. Joshua stimmte einem dritten Teil noch im Ring zu, doch ob es dazu kommt, das ist dennoch völlig offen.
Quelle: n-tv.de
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