Es gibt ja diese absurden Zufälle im Leben, über die man im Nachhinein denkt: Kann nicht sein! Normalerweise drucke ich mir, wenn ich mit Easyjet unterwegs bin, die Tickets aus, weil es sicherer ist, Papier in der Hand zu halten, als auf eine App zu setzen. Doch an einem regnerischen Tag Mitte Oktober - null Ahnung, was mich geritten hat - dachte ich: Unsinn! Jetzt bist du mal mutig, so modern wie die SPD und probierst es mit der App. Gesagt, getan.
Nach Frankfurt ging alles glatt. Aber der Rückflug nach Berlin am Abend desselben Tags - grässlich. Etwa eineinhalb Stunden vor dem Abflug traf ich auf dem riesigen Frankfurter Flughafen ein. Ich trank einen überteuerten Kaffee und lief seelenruhig zur Security, öffnete die App - und geriet sofort in Panik. Ich bin leider jemand, der schnell die Nerven verliert, wenn sich Unheil abzeichnet. Deshalb komme ich garantiert nicht für Marsmissionen oder andere fragile Sachen infrage. Ich würde die Welt nicht vor dem Abgrund retten, sondern ihr den letzten Tritt verpassen, der sie hinunterplumpsen lässt. Wie auch immer: Die verdammte App zeigte mir die Bordkarte für den Hinflug an. Und nur die. Das Ding weigerte sich strikt, mir das Rückflugticket zu präsentieren. Ich machte das Smartphone aus und fuhr es wieder hoch. Nix da. Noch einmal: Aus und an. Fehlanzeige.
Ich war schon kurz vor dem Durchdrehen, da riet mir die freundliche Frau an der Sicherheit, die mich natürlich nicht ohne gültiges Ticket in ihr Reich lassen konnte, doch zum Easyjet-Schalter zu gehen. Coole Idee, dachte ich. Warum bin ich Schwachkopf nicht selbst darauf gekommen? Die Hüterin der Sicherheitspforte kannte sogar die Nummer des Schalters, an dem das Personal von Easyjet gewöhnlich residieren soll. Es dauerte einige Minuten, bis ich ihn fand. Doch, oh weh, der Schalter hatte schon zu. Weit und breit niemand in oranger Kleidung ward gesehen.
Wie funktioniert ein Flughafen?
Jetzt hatte ich eine brillante Idee. Ich rief die Hotline der Airline an. Denn ich bin - meist beruflich - ständig in luftigen Höhen und deshalb Mitglied im Esayjet Club. Ich schilderte einer Frau mit junger Stimme den Vorgang haarklein. Sie sagte: "Ist denn vor Ort niemand da, der Ihnen helfen kann?" Ich noch relativ ruhig: "Nein, deshalb rufe ich Sie an. Der Schalter von Easyjet ist nicht besetzt." Schon nach wenigen Sekunden kam der Verdacht auf, dass die Frau selbst noch niemals geflogen ist.
Die Zeit rannte davon. Nachdem ich schon x-mal gesagt hatte, dass ich von Frankfurt nach Berlin-Tegel fliegen will (wollte), fragte mich die Dame allen Ernstes: "Auf welchem Flugplatz sind Sie?" Ich wusste nicht, was sie meint, die Teilsilbe "Platz" statt "Hafen" hinter "Flug" irritierte mich schwer. Ich hätte heulen können. Aber was hätte das gebracht. Zugegeben, Berlin-Tegel erinnert an einen Dorf-Flugplatz von der Größe einer Segelsportschule. Aber eine Frage machte klar, wie aussichtslos meine Lage war, weil die Frau keine Ahnung hatte, wie ein Flughafen funktioniert. Ob mir denn niemand am Gate helfen könne? Ich kämpfte mit meiner Schnappatmung, bevor ich noch ruhig herausbrachte: "Ich bin nicht am Gate, weil ich ohne Bordkarte nicht durch die Security komme. Die App spinnt, ich komme nicht an die Bordkarte. Das habe ich doch schon mehrfach erklärt."
Grandios war die Feststellung der Frau nach ungefähr 20 Minuten sinnlosen Geredes, dass es "jetzt aber schon sehr spät" für meinen Flug sei. Ich dachte: Mein Gott, sie hat's! Ich sagte: "Na, was meinen Sie denn, warum ich mich so sehr aufrege?" Ich bin niemand, der Leute, die für eine Situation nichts können, anfaucht. Aber die Servicekraft am Telefon hat mich mit ihrer teils strunzdoofen Fragerei fast in den Wahnsinn getrieben. Es war ja nicht so, dass ich besoffen gelallt oder den Sachverhalt nicht richtig erklärt hatte. Ich glaubte, gleich kommt irgendwer und sagt den erlösenden Satz: Willkommen am Spaßtelefon oder in der versteckten Kamera. Nö, niemand kam. Irgendwann rutschte es mir raus: "Sagen Sie mal, wollen Sie mich verarschen?"
App-Versagen auf Video
Ich war total genervt und erklärte ihr, dass es keinen Grund für mich gab, ihr etwas vorzuspielen. Ich bot ihr an, irgendjemanden ans Telefon zu holen, der - abgesehen vom Hintergrundlärm - bestätigen könnte, dass ich am Flughafen Frankfurt bin und nicht etwa mit Kumpels in einer Bar abhänge und versuche, einen Konzern zu betrügen. Sie glaubte mir. Yeah! Ich bat, in mein Klimasündenregister zu schauen, was ich alles noch für dieses und schon für nächstes Jahr bei der Airline an Tickets gekauft habe. Da die Easyjet-App nicht funktioniere, müsse doch eine Umbuchung aus Kulanzgründen am nächsten Morgen möglich sein. Ich würde bei Freunden schlafen, die Erstattung von Hotelkosten sei unnötig.
Sie werde darüber - nicht das erste Mal während des Telefonats - mit ihrem "Teamleiter" reden, was für mich bedeutete, wieder die grässliche Warteschleifenmusik hören zu müssen. Nein! Das gehe nicht, teilte sie unter Berufung auf das Votum des kongenialen Teamleiters mit. Besonders lustig oder besser: unverschämt war die Aussage: In den Geschäftsbedingungen stehe, man müsse zwei Stunden vor dem Abflug da sein, da hätte ich Pech gehabt.
Ich nahm die Bahn nachts um 3 Uhr, denn die Tickets am Abend waren viel zu teuer, besuchte meinen alten FTD-Kumpel Falk (danke!) und nahm nachts ein Taxi zum Bahnhof. Daheim in Berlin erkundigte ich mich bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen nach der Rechtslage. Die erklärte, dass mir Easyjet das Ticket und 250 Euro Entschädigung zahlen müsse, da ich für die schadhafte App nichts könne. Um einen Nachweis zu haben, dass die App schuld war, habe ich das Aufrufen der Bordkarte mit einem anderen Handy auf Video aufgenommen.
Das alles schrieb ich an den Kundendienst der Airline und forderte das Geld für das Bahnticket und 250 Euro. Drei Wochen später antwortete mir jemand vom "Spezialteam". Ich gebe das hier nicht in der schrägen Rechtschreibung wieder, um mich lustig zu machen, sondern um den Wahnsinn dieser automatisierten Scheiße multinationaler Konzerne zu dokumentieren. Hauptsache billig. Es hieß: "In Ihrem Fall, verstehen wir dass Sie einen Kommunikationfehler mit Ihrem Handi hatten, und somit können Sie leider nicht die Schuld dafür auf easyJet zeigen." Wow! Per Ferndiagnose konnte das "Spezialteam" meinen Fall nicht nur juristisch bewerten. Es entdeckte via Glaskugel auch die angebliche Schwachstelle meines Handys. Nee, Spezialteam, eure App funktionierte nicht.
7,38 Euro Erstattung
"Bei alle Fluggesellschaften schließt der Checkinschalter eine Stunde bevor Abflug, damit die Personal Sich am Boarding Gate stellen können, um die Passagieren mit Boarding behilflich zu seien." Und weiter: "Wie Sie in Ihrem Schreiben erwähnen, möchten wir Ihnen empfehlen dass Sie in zukunft mindesten zwei Stunden bevor Abflug beim Flughafen ankommen."
Zwei Tage später schrieb mir die "Kundenbetreuung". Die Antwort war es denn auch, warum ich mich entschloss, mein Erlebnis auf diese Weise öffentlich zu machen. "Wir freuen uns dass wir Ihnen mitteilen können dass wir die Flughafensteuer, in Höhe von 7,38 € erstattet haben, fur den verpassten Flug EJU5554, am 16. Oktober 2019." Freude? Ihr habt sie doch nicht alle!
Es heißt ja immer: Beim Geld hört die Freundschaft auf. Offenbar auch Kulanz und Fingerspitzengefühl. Hätte ich meinen Flug durch Zuspätkommen verpasst - alles gut. Ich wäre schuld gewesen. Mein Ding. Aber so? Ätzend! Easyjet hat im abgelaufenen Geschäftsjahr trotz Klimadebatte eine halbe Milliarde Euro Gewinn vor Steuern gemacht. Und dann erzählen die mir so einen Müll.
Quelle: n-tv.de
Tags: