Diese Aufgaben muss der FC Bayern lösen

  25 Dezember 2019    Gelesen: 668
Diese Aufgaben muss der FC Bayern lösen

Der FC Bayern München verlängert die Arbeit mit Hansi Flick. Er bleibt bis zum Sommer Cheftrainer des Fußball-Bundesligisten - mindestens. Denn schafft Flick es, auch diese fünf Baustellen noch zu schließen, ist sogar eine langfristige Beschäftigung möglich.

Es ist keine große Überraschung mehr, dass Hansi Flick in der Rückrunde der Cheftrainer des FC Bayern München sein wird. Die Klarheit, mit der der Serienmeister der Fußball-Bundesliga auch eine Verlängerung über diese Saison hinaus andeutet, überraschte hingegen schon. In der Pressemitteilung heißt es, dass dieses Szenario "ausdrücklich eine gut vorstellbare Option" sei. Flick hat nach einigen schwächeren Spielen die Kehrtwende zunächst geschafft und einen Fußball etabliert, mit dem sich alle in München wieder identifizieren können. Der Spaß ist zurück, aber es wartet zugleich viel Arbeit im neuen Jahr.

Aufgabe 1: Grundlagenarbeit

Ein wenig erinnert der Status quo der Bayern sogar an das Jahr 2009. Damals wie heute war der Klub auf der Suche nach einer Identität auf dem Platz. Grundlegende Dinge passten nicht und eine klare Handschrift auf dem Platz war kaum zu erkennen. Was mit Jürgen Klinsmann noch scheiterte, weil die Vorstellungen aller Seiten nicht zueinander passten, sollte mit Louis van Gaal dann endlich funktionieren.

Niko Kovac erging es nun ähnlich wie Klinsmann vor zehn Jahren. Und auch die Situation ist in Ansätzen vergleichbar: Seit dem Abgang von Josep Guardiola im Jahr 2016 ging bei den Bayern die fußballerische Identität verloren. Es war ein wenig so, als hätten die Bayern immer noch ihr Ziel, dominanten, attraktiven und erfolgreichen Fußball zu spielen, doch kein Navigationssystem mehr. Und so wirkte vieles unsauber und behäbig.

In den letzten Jahren fehlte eine klare Handschrift. Flick will all das zurückbringen, doch er stößt auch auf Probleme. Vor allem sind es Grundlagen wie das Positionsspiel und das richtige Gespür für die Balance aus Tempo und Ruhe, die seiner Mannschaft noch fehlen. In der Rückrunde wird es deshalb darauf ankommen, diese Grundlagen nach und nach zurückzubringen. Er könnte damit zum ersten wichtigen Baustein werden. Wie einst van Gaal.

Aufgabe 2: Konterabsicherung


Eine akute Baustelle der Bayern ist die defensive Absicherung: 22 Gegentore allein in der Liga sind zu viel. Flick hat mit seinen Anpassungen immerhin schon Fortschritte erzielt. Das extrem aggressive und hohe Pressing führt zu mehr Durchschlagskraft, zwingt den Gegner zu Fehlentscheidungen und gibt der Mannschaft das Gefühl, selbst aktiver zu sein. Gerade durch die oft sehr hoch rausschiebenden Außenverteidiger entstehen aber auch Lücken, die das eine oder andere Mal durch lange Bälle bestraft wurden. Diese Lücken gilt es zu schließen, um den Zugriff auf den Gegner auch bei Ballverlusten weiter zu intensivieren.

Aufgabe 3: Chancenverwertung?

Mit Blick auf die noch nicht geschlossenen Baustellen darf vor allem die Chancenverwertung nicht fehlen, oder? Nun. Ganz so simpel ist es nicht. Die Verwertung der vorhandenen Chancen ist nämlich nicht das größte Offensivproblem der Bayern. Mit "Expected Goals" versuchen statistische Modelle auszuwerten, wie viele Tore anhand der erspielten Chancen wahrscheinlich gewesen wären. Das funktioniert, indem jeder Chance eine Torwahrscheinlichkeit zugeordnet wird. Diese Auswertung hat aber auch ein Problem: Als Serge Gnabry gegen Leverkusen gemeinsam mit Thomas Müller und Ivan Perisic auf das gegnerische Tor zulief und sich für den falschen Pass entschied, wurde der Ball von Lars Bender geklärt. Eigentlich eine Riesenchance für die Bayern, die aufgrund des fehlenden Abschlusses in der Statistik aber nicht vorkommt.

Trotzdem: 42,3 erwartete Tore führt die Seite "fbref.com" für den FC Bayern, 46 Treffer sind es in der Realität. Kein so schlechter Wert und eher ein Anzeichen dafür, dass die Mannschaft eine recht ordentliche Chancenverwertung hat. Die entscheidende Aufgabe für Flick und sein Trainerteam ist es eher, die Qualität der Möglichkeiten zu erhöhen. Viele Abschlüsse der Bayern sind mehr Halbchancen als Hochkaräter, weshalb der Eindruck entsteht, dass sie zu viel liegen lassen. Ein Grund: Zu viele hohe Flanken. Diese sind zwar ein simples Mittel, um in den Strafraum zu kommen. Doch wenn wir schon mal bei Statistiken sind: Verschiedene Auswertungen haben mehrfach bewiesen, dass hohe Hereingaben kein besonders effizientes Mittel zur Torerzielung sind. Es sind also Alternativen gefragt.

Aufgabe 4: Umgang mit verändertem Rhythmus


Jedoch lässt sich nicht alles im Fußball berechnen. Deshalb sind taktische und statistische Aspekte auch nur einer von vielen Faktoren, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Die Bayern haben in den zehn Partien unter Flick bewiesen, dass sie häufig einen sehr guten Plan haben und den auch gut umsetzen können. Schwächen zeigten sie hingegen, wenn sich der Rhythmus des Spiels veränderte. Hier braucht die Mannschaft wieder mehr Souveränität und vor allem noch mehr Handlungsalternativen. Überdeutlich wurde das im Spiel bei Borussia Mönchengladbach (2:1), als eine Umstellung des Gegners dazu führte, dass die Bayern in der gesamten Schlussphase keine Gefahr mehr ausstrahlen konnten. Da fehlt es noch an Anpassungsfähigkeit.

Aufgabe 5: Vorbereitung der neuen Saison

Die größte Herausforderung der Rückrunde wird es aber sein, bereits mit Weitblick zu agieren. In der Saison 2017/18 gelang das nicht. Insbesondere Uli Hoeneß war damals überzeugt davon, mit Jupp Heynckes verlängern zu können. Letztendlich gingen die Alternativen auf dem Markt aus und Niko Kovac kam – ein komplexes Missverständnis auf allen Ebenen, wie sich später zeigte.

Jetzt können die Bayern beweisen, dass sie daraus gelernt haben. Die Entscheidung, mit Flick bis zum Sommer weiterzumachen, war alternativlos. Zu positiv war die Entwicklung der Mannschaft unter ihm bisher. Ab Sommer könnten die Münchner aber sehr wahrscheinlich mit Erik ten Hag zusammenarbeiten. Ein Trainer, der nicht nur den Klub kennt, sondern sehr konkret für die Art Fußball steht, die Karl-Heinz Rummenigge zuletzt eingefordert hat. Man sollte meinen, dass das ein Match auf allen Ebenen ist.

Doch schafft Flick es, die Mannschaft noch einen Schritt weiterzubringen und auch die letzten Baustellen zu schließen, kommen die Verantwortlichen womöglich ins Grübeln. Nur sollten sie sich dabei nicht zu viel Zeit lassen. Je früher Planungssicherheit für die kommende Saison herrscht, desto weniger läuft man Gefahr, erneut eine Entscheidung aus der Not heraus treffen zu müssen. Der Weg zurück zu alter Stärke ist trotz der positiven ersten Schritte unter Flick noch weit. Vieles wird davon abhängen, was ab Sommer geschieht.

Zur Winterpause liegt der FC Bayern München nur auf Rang drei der Bundesliga-Tabelle. Das ist deutlich zu wenig für das Selbstverständnis des deutschen Fußball-Rekordmeisters. Herbstmeister ist erstmals RB Leipzig. Die Sachsen haben mit 37 Punkten vier Punkte mehr als die Münchner. Auf Platz zwei liegt Borussia Mönchengladbach.


Quelle: ntv.de


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