Erst war es eigentlich ein guter Tag für Donald Trump. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis war zu Besuch im Weißen Haus. Eine schöne Gelegenheit für den US-Präsidenten, seine Lieblingsrolle zu geben, die des entschlossenen Oberbefehlshabers der US-Streitkräfte.
„Wenn Iran irgendetwas unternimmt, was sie nicht tun sollten, dann werden sie die Konsequenzen spüren, sehr harte Konsequenzen“, sagte Trump. „Wir sind vorbereitet, wir sind bereit, sofort zurückzuschlagen.“
Dann flogen die Raketen.
Als Vergeltung für die Tötung des iranischen Top-Militärs Qasem Soleimani feuerte Iran in der Nacht mehr als ein Dutzend ballistische Raketen auf zwei Militärstützpunkte im Irak, auf denen auch US-Soldaten stationiert sind.
Im Weißen Haus brach sofort Hektik aus: Trump konferierte mehr als eine Stunde mit seinen wichtigsten Beratern im Weißen Haus, Außenminister Mike Pompeo, Vizepräsident Mike Pence, Verteidigungsminister Mark Esper. Man versuchte sich einen Überblick über mögliche Opfer zu verschaffen. Zwischenzeitlich hieß es, der Präsident werde sich in einer Ansprache aus dem Oval Office an die Nation wenden, dazu kam es aber zunächst nicht. Dies will Trump nun offenbar an diesem Mittwoch nachholen, vermutlich am Nachmittag (deutsche Zeit).
Der Angriff in der Nacht stellt Trump vor schwierige Entscheidungen. Soll er, wie von ihm mehrfach angedroht, einen Vergeltungsschlag anordnen? Oder ist es eher an der Zeit, zu deeskalieren, um einen Krieg mit Iran zu vermeiden, der die gesamte Region ins Chaos stürzen könnte?
Nach Lage der Dinge wurden keine Amerikaner bei den Attacken getötet. „Alles ist gut“, verkündete Trump in einer ersten kurzen Twitterbotschaft. Auch aus dem Pentagon gab es zunächst keine Angaben über amerikanische Opfer.
Manche Sicherheitsexperten im in den USA spekulierten prompt darüber, die Raketen könnten von den Iranern absichtlich so eingestellt worden sein, dass sie keine Amerikaner verletzten. Aus der Regierung hieß es, von den Angriffen seien Teile der Stützpunkte betroffen gewesen, in denen keine US-Soldaten stationiert seien.
Michael Chertoff, ehemaliger Minister für Heimatschutz unter Präsident George W. Bush, meinte im Sender CNN, die Iraner versuchten wohl, Washington mit einer sorgsam dosierten Antwort auf die Tötung Soleimanis zu signalisieren, dass sie den Konflikt nicht weiter eskalieren wollten.
Ähnlich sieht das der frühere Generalmajor der US-Streitkräfte James Marks: „Jetzt ist es Zeit für alle, Luft zu holen und zu überlegen, wie es weitergehen soll“, sagte er. „Das würde man sich zumindest wünschen.“
Tatsächlich dürften sich Trump und seine Berater nach dieser nächtlichen Attacke ihre nächsten Schritte gut überlegen. Sollten auch sie zu der Einschätzung kommen, dass Teherans Angriff eher als Signal der Deeskalation zu verstehen wäre, würde dies die Tür für eine Entspannung der Lage öffnen. Sollte Trump hingegen Vergeltungsschläge gegen Iran anordnen, wäre eine weitere Eskalation unvermeidlich. Teheran hat für den Fall von US-Angriffen auf sein eigenes Territorium sofortige Gegenattacken auf Israel und Dubai angekündigt.
spiegel
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