Experten warnen vor Windows 7 als einer "tickenden Zeitbombe für Privatanwender und Unternehmen" - doch das veraltete Betriebssystem von Microsoft ist nach wie vor weit verbreitet. Rund 30 Prozent aller PC-Anwender haben immer noch den Software-Dino im Einsatz. Das geht aus Berechnungen des Sicherheitsunternehmens ESET hervor. Für Windows 7 gibt es ab heute keinen kostenlosen Support durch Microsoft mehr. Außerdem stellt der Konzern auch die Unterstützung für zwei Serverbetriebssysteme ein.
"Wer weiterhin die drei Dinosaurier im Einsatz hat, muss mit gravierenden Folgen für die Sicherheit seiner Daten beziehungsweise seines Unternehmens rechnen", sagte Sicherheitsexperte Thomas Uhlemann von ESET. "Entfallen die regelmäßigen Sicherheit-Patches, werden bekanntgewordene Sicherheitslücken nicht mehr geschlossen." Unternehmen und Organisationen können sich bei Microsoft eine Gnadenfrist erkaufen und weiterhin kostenpflichtige Updates erwerben. Privatanwender hingegen haben dagegen keinen Zugang mehr zu den Sicherheitsupdates.
Zu den öffentlichen Einrichtungen, die den Umstieg auf ein modernes Betriebssystem nicht rechtzeitig geschafft haben, gehört die Berliner Stadtverwaltung. Dort waren im Dezember erst knapp zwei Drittel der 82.000 IT-Arbeitsplätze auf Windows 10 umgestellt worden. Experten gehen davon aus, dass das Land Berlin eine sechsstellige Summe für einen gesonderten Support-Vertrag ausgeben muss, um die noch nicht umgestellten Arbeitsplätze am Laufen zu halten.
Unternehmen und Behörden gehen beim Ignorieren des Support-Endes für Windows 7 nicht nur ein höheres Risiko ein, weil dies Cyberangriffe erleichtert. Sie verstoßen nach Experteneinschätzungen auch gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Die EU-Richtlinie verlangt, bei der Verarbeitung sowie Nutzung personenbezogener Daten den "Stand der Technik" einzuhalten. Unternehmen sowie Ärzte oder Anwälte, die personenbezogene Daten verarbeiten und speichern, handeln hier, wenn sie weiterhin Windows 7 oder Server 2008 einsetzen, entgegen der DSGVO, meint Experte Uhlemann. "Bei Datendiebstählen personenbezogener Daten wird das Bußgeld durch Datenschützer entsprechend höher ausfallen. Versicherungen könnten dann auch hier die Leistung verweigern."
Windows-XP-Ende führte 2017 zu Trojanerattacken
Windows 7 kam vor über zehn Jahren am 22. Oktober 2009 als Nachfolger des erfolglosen Windows Vista auf den Markt und wurde bis 2014 von PC-Herstellern verwendet. Auch der Nachfolger Windows 8 kam mit Startschwierigkeiten und überzeugte viele Nutzer nicht. Daher blieben vor allem viele Unternehmen Windows 7 auch nach 2014 treu. Obwohl Windows 7 allgemein als ausgereift gilt, wurden in jüngster Zeit immer mehr Sicherheitslücken in dem betagten System entdeckt. So wurden im Jahr 2010 nur 64 Sicherheitslücken bei Windows 7 gefunden, 2019 erreichte die Anzahl mit 250 offiziell registrierten Problemen einen Höchststand.
Mit dem Ende des kostenlosen Produktsupports für Windows 7 könne es unter ungünstigen Umständen so laufen wie einst beim Supportende von Windows XP. 2017 griffen die Verschlüsselungstrojaner WannaCry und Petya die PCs an, bei denen die "EternalBlue"-Schwachstelle nicht geflickt worden war. In britischen Krankenhäusern kam es so zu Ausfällen, auch Computer der Deutschen Bahn waren betroffen. Für Windows XP gab es damals schon seit drei Jahren keine Updates mehr, sodass die verbliebenen XP-Installationen besonders betroffen waren.
Ein Mann scheint dieser Gefahr bis heute zu trotzen: Wladimir Putin. Im Dezember vergangenen Jahres wurden Fotos öffentlich, auf denen der Bildschirm seines Arbeits-PC zu sehen war. Bald erkannten die ersten das XP-Design und eine mögliche Erklärung kam auf: Windows XP sei das letzte Betriebssystem gewesen, welches als sicher eingestuft worden sei. Demnach wäre es illegal, Staatsgeheimnisse auf Computern zu speichern, auf denen Nachfolgesysteme laufen. Russland will seine Verwaltung langfristig auf ein eigenes Betriebssystem umstellen und Server der russischen Firma Yandex nutzen. Außerdem verabschiedete Putin ein Gesetz, das es ermöglichen soll, Russland vom weltweiten Internet zu trennen.
Nun dürften allerdings selbst die Nutzer gefährdet sein, die mit Windows 7 besser ausgerüstet sind als der russische Präsident. Die Sicherheitsforscher von ESET fürchten nach der Einstellung des Supports eine neue Angriffswelle: Die Schwachstellen des Systems, die künftig nicht mehr kostenlos geflickt werden, könnten Cyberangriffe erleichtern. Entwickler von Schadprogrammen hätten bereits gezielt Schadcodes für bekannt gewordene Windows-Schwachstellen programmiert. "Der Umstieg auf ein modernes Betriebssystem ist für Unternehmen und Privatanwender unausweichlich", sagte Uhlemann. "Cyberkriminelle warten nur darauf, nicht mehr geschlossene Sicherheitslücken bei Windows 7 auszunutzen. Die weiterhin hohen Nutzerzahlen versprechen fette Beute."
Quelle: ntv.de, Christoph Dernbach, dpa
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