Maas bleibt wichtigste Antwort schuldig

  20 Januar 2020    Gelesen: 484
  Maas bleibt wichtigste Antwort schuldig

Waffenembargo einhalten, Waffenstillstand erhalten: Nach dem Libyen-Gipfel in Berlin stehen die Zeichen auf Hoffnung. Auch Außenminister Maas will das Treffen bei Anne Will als großen Erfolg verkaufen. Doch auf die wichtigste Frage hat er keine Antwort: Wie werden die Ziele umgesetzt?

"Es ist ein erster Schritt" - das betont Heiko Maas mit Blick auf die Berliner Libyen-Konferenz immer wieder in Anne Wills Talkrunde. Der Außenminister ist sichtlich stolz, auch wenn – wie er sagt - die eigentliche Arbeit erst jetzt komme. Und Moderatorin Will schlägt in ihrer Sendung, die sich um die Zukunft Libyens dreht, mit ihrer ersten Frage genau in diese Kerbe: War die Konferenz wirklich ein Erfolg? Dazu spielt sie einen Clip von Kanzlerin Angela Merkel auf der Pressekonferenz nach dem Treffen ein. "Wir können feststellen, dass alle einig sind, dass wir das Waffenembargo respektieren wollen", sagt Merkel sehr diplomatisch und etwas abgehackt. Will hakt bei Maas nach: Das Waffenembargo respektieren wollen oder werden? "Das habe ich auch so verstanden, dass wir das tun werden", zeigt sich Maas überzeugt.

Alle Beteiligten seien zu dem Schluss gekommen, so Maas, dass der Konflikt nicht militärisch zu lösen sei, sondern politisch. Damit sei das Ziel erreicht. Will sagt, sie habe gedacht, es sei nur ein erster Schritt. Maas räumt ein, man sei "beileibe nicht am Ziel, das Ziel heißt Frieden in Libyen". Aber der Außenminister sagt auch, was erreicht wurde. Nämlich, dass alle Unterstützer zusammengetrommelt und beide Seiten aus dem Bürgerkriegsland - Premierminister Fajis al-Sarradsch und dessen Gegenspieler General Chalifa Haftar - an den Verhandlungstisch gezwungen worden seien.

Den Erfolgen von Maas kann Politikwissenschaftler Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik nicht viel abgewinnen. "Ich wäre da deutlich vorsichtiger", sagt Lacher. Das Hauptziel sei schließlich gewesen, dass Waffenembargo endlich umzusetzen und von der militärischen Unterstützung abzulassen. In dem Abschlusspapier der Konferenz aber finde er "keine konkreten Maßnahmen zur Stärkung des Embargos".

Durchsetzung des Waffenstillstands bleibt unklar

Christoph von Marschall, diplomatischer Korrespondent der "Tagesspiegel"-Chefredaktion, lobt die Bundesregierung dafür, den Gipfel auf die Beine gestellt zu haben. "Aber es ist nur ein Erfolg auf dem Papier", sagt von Marschall. Der Waffenstillstand sei gewollt, "wie man das machen will - das ist alles noch ungeklärt".

Ein kleines Lob gibt es von der Linken-Politikerin Sevim Dagdelen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags. Die Konferenz auszurichten sei besser gewesen, als nichts zu tun. Immerhin. Doch die Libyen-Konferenz sei eine Konferenz ohne Libyer gewesen – der größte Makel aus Dagdelens Sicht. Haftar und Al-Sarradsch hätten mit am großen Verhandlungstisch sitzen müssen. Als konkreten Handlungsauftrag empfiehlt sie der Bundesregierung, Waffenexporte - wie zum Beispiel in die Türkei - zu stoppen.

Maas sieht sich in der Pflicht, seine Diplomatenehre zu verteidigen. Es würden keine neuen Waffen und keine Söldner mehr ins Land geschickt. Und die Söldner, die es gebe, würden entwaffnet. Steht ja schließlich im Papier. Er schiebt noch einen Satz nach, der nah an Merkels Zitat reicht: "Von beiden Seiten gibt es die grundsätzliche Bereitschaft, aus der Waffenruhe einen Waffenstillstand zu machen."

Einen anderen Blick auf Libyen und die Ergebnisse der Konferenz steuert Hanan Salah bei. Salah berichtet seit mehreren Jahren für Human Rights Watch aus dem Bürgerkriegsland. Sie sehe nicht, was der aktuelle Prozess an der seit neun Jahren andauernden Politik der Beschwichtigung ändern solle, sagt sie. "Man kann mit jedem verhandeln, aber man kann nicht aus den Augen lassen, dass das Menschen sind, die für schwere Menschenrechtsverletzungen zuständig sind." Die Verantwortlichen im Land müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Wie sieht es mit den Menschenrechtsverletzungen in Libyen aus? Maas besinnt sich auf seine Anfangsformel: "Dass die Waffen schweigen, ist ein erster Schritt." Das humanitäre Völkerrecht sei im Papier abgebildet. "Jetzt geht es erst mal darum, dafür zu sorgen, dass nicht ständig neue Waffen dahingeliefert werden." Ob er zuversichtlich sei, dass sich Russland und die Türkei aus Libyen zurückziehen, fragt Will den Libyen-Experten Lacher. "Dafür gibt es bisher überhaupt keine Zeichen", antwortet er. Aber der Ansatz der Konferenz sei auch nicht gewesen, Druck auszuüben, sondern der Versuch, Staaten zusammenzubringen.

Frieden nutzt nicht allen

Dagdelen verweist auf die Gründe für den Stellvertreterkrieg in Libyen: Ideologie und wirtschaftliche Interessen. Von Marschall stimmt in die Diskussion ein. Viele der beteiligten Staaten, darunter die Türkei und Russland, hätten überhaupt kein Interesse am Frieden in Libyen und auch nicht daran, sich militärisch rauszuhalten. "Schrittweise muss man gucken, wie man dieses Embargo mit mehr Zähnen versieht – und das ist gar nicht so einfach." Im Papier ist der Weg dahin zumindest nicht festgelegt, erinnert Anne Will. Deutsche Soldaten nach Libyen zu schicken, ist aus der Sicht von Marschalls zumindest kein guter Weg für die Bundesregierung.

Prompt präsentiert Will Zitate des EU-Außenbeauftragten Josep Borrells aus dem aktuellen "Spiegel". Borrell hält eine Mission von EU-Soldaten durchaus für möglich. Maas soll kommentieren. "Erst einmal muss man klären, wer Verantwortung übernimmt", sagt er. Neben der EU gebe es schließlich auch noch die Vereinten Nationen und die Afrikanische Union, die seiner Ansicht nach nicht begeistert von einem EU-Einsatz wäre. "Also hat der Außenbeauftragte unrecht?", fragt Will spitz. "Wir werden morgen mal darüber reden", sagt Maas. "Ah", freut sich Will, "das klingt scharf."

"Dieser Prozess, der heißt ja Berliner Prozess", betont Maas, "und ist maßgeblich von der deutschen Bundesregierung mit aufgesetzt worden." Bei der Umsetzung könne sich Deutschland deswegen nicht einfach aus der Verantwortung ziehen. Von Marschall dreht jetzt auf: "Dann sagen Sie es doch: Wie kriegen Sie Türken und Russen zum Abzug?" Maas verweist auf das Papier – stehe doch alles drin, die Milizen sollen entwaffnet werden. Will mischt sich ein: "Das ist noch keine Antwort auf die Frage ‚Wer setzt es durch?’" Diese Antwort bleibt Maas schuldig.

Quelle: ntv.de


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