Ex-Traumteam zerstört NFL-Finaltraum

  21 Januar 2020    Gelesen: 658
  Ex-Traumteam zerstört NFL-Finaltraum

Trotz ihres Höhenfluges scheitern die Green Bay Packers im Halbfinale der NFL-Playoffs. Die Niederlage gegen sein altes Traumteam ärgert Quarterback Aaron Rodgers gleich mehrfach. Für den 36-Jährigen war es die vielleicht letzte Chance auf den Super Bowl. Doch es gibt etwas, das Hoffnung macht.

Der Frust war Aaron Rodgers schon in den ersten Spielminuten anzusehen. Und spätestens ab dem zweiten Viertel glaubte der Quarterback der Green Bay Packers wohl selbst nicht mehr daran, das für ihn wichtigste Spiel seit drei Jahren noch drehen zu können. Seinerzeit hatten es seine Packers zum bislang letzten Mal in die Playoffs der National Football League (NFL) geschafft. Ein Sieg gegen die San Francisco 49ers hätte sie nun in den Super Bowl katapultiert. Doch ähnlich wie in der regulären Saison kam es am Sonntagabend zu einer herben Niederlage gegen das junge Team aus Kalifornien.

Ab der ersten Minute dominierten die 49ers das Geschehen mit ihrem Laufspiel. Sichtlich verunsichert lieferten sich die Packers einen vermeidbaren Fehler nach dem anderen. Spielmacher Rodgers warf zwei für ihn sehr untypische Interceptions in die Arme des Gegners, Center-Spieler Corey Linsley produzierte bei einer Ballübergabe an Rodgers einen weiteren vermeidbaren Ballverlust. Das Endergebnis war entsprechend deutlich, mit 20:37 unterlagen die Packers. Die Chance, nach zehn Jahren wieder in den Super Bowl einzuziehen, fand für das Team aus Wisconsin im Stadion von Santa Clara ein jähes Ende.

Die Niederlage ist für Rodgers besonders bitter: Als kleiner Junge aus dem kalifornischen Chico hatte er davon geträumt, einmal für die 49ers zu spielen. Der Traum war in seinem NFL-Draft im Jahr 2005 jedoch schon nach wenigen Sekunden aus. Als einer der Favoriten unter den College-Bewerbern galt es als ausgemacht, dass ihn die Kalifornier als ersten Pick in der jährlichen Talente-Ziehung verpflichten würden. "Es schien perfekt zu passen", erinnerte sich Rodgers später. "Wir würden als Team zusammenkommen und ich würde rot-gold tragen." Doch stattdessen musste der damals 21-Jährige mit ansehen, wie sich die 49ers gegen ihn und für Alex Smith entschieden. Nun, knapp 15 Jahre später, hat Rodgers mit der Niederlage gegen sein ehemaliges Traumteam seine womöglich letzte Chance auf den Super Bowl verpasst.

Das Aus gegen das ehemalige Lieblingsteam
Seine Fans hätten dem letzten noch in den Playoffs vertretenen Verfechter der alten Garde - Tom Brady und die New England Patriots hatten sich früh verabschiedet - einen Einzug in den 54. Super Bowl gegönnt. Die ersten drei Jahre seiner Karriere verbrachte er hinter Star-Quarterback Brett Favre auf der Ersatzbank. Die lange Wartezeit und Favres offenkundige Abneigung ihm gegenüber seien zwar eine "mentale Hürde" gewesen, doch sie habe ihm geholfen, seine Technik und seine Fitness zu verbessern. Rodgers beobachtete Favre aus der Ferne und übernahm dessen Stärken. Mittlerweile hat sich der achtmalige All-Star zu einem der besten Passverteiler der Liga-Geschichte entwickelt.

Kaum ein Spieler seiner Generation ist beweglicher und athletischer als er. Attribute, die auch die neue Spielmacher-Riege um Lamar Jackson von Baltimore Ravens auszeichnen. Statistisch gesehen hat Rodgers die höchste Passeffizienz in der NFL-Historie, bei 392 Touchdowns kommt er auf nur 84 Interceptions. Zum Vergleich: Der mit sechs Meisterschaften als das Nonplusultra unter den Quarterbacks geltende Tom Brady kommt dagegen mit fünf Spielzeiten mehr auf 563 Touchdown-Pässe und 178 abgefangene Bälle. Experten debattieren schon lange, wer von beiden der talentierteste Quarterback ist.

Neuer Trainer, neues Glück?
Charakteristisch für Rodgers' Karriere ist jedoch sein Talent, verloren geglaubte Spiele in den letzten Minuten herumzureißen. Nicht ohne Grund wurde er zwei Mal als "Most Valuable Player", also als wertvollster Spieler, ausgezeichnet. 16 Mal verhalf er seiner Mannschaft in der regulären Saison zu Comebacks in den zwei letzten Spielminuten. Überdies schaffte er es im Spiel gegen die Detroit Lions - das im Dezember 2015 als "Miracle in Motown" in die NFL-Geschichtsbücher einging - sein Team bei einem Rückstand von 21:23 mit einem langen, riskanten Vorwärtspass ("Hail Mary") zum Sieg zu führen. Doch der größte Makel in der Karriere des zukünftigen Hall of Famers wird es wohl sein, bei seinem herausragenden Talent nur im Jahr 2011 den Super Bowl gewonnen zu haben.

Unter dem bisher einzigen Head Coach seiner NFL-Karriere, Mike McCarthy, war ein Einzug ins Endspiel für Rodgers in den jüngsten zwei Jahren aufgrund verpasster Playoffs nicht ansatzweise Thema. Ein Medienbericht im April 2018 deckte zudem auf, dass die persönliche Beziehung zwischen den beiden nicht so gut war wie von der Öffentlichkeit angenommen. Der Quarterback nahm es McCarthy demnach noch immer übel, dass dieser im Jahr 2005 als Offensivkoordinator der 49ers maßgeblich für seine Ablehnung verantwortlich gewesen war. Obendrauf noch oft unzufrieden mit den vorgegebenen Spielzügen von McCarthy, widersetzte sich der von Kritikern gerne als starrköpfige "Diva" bezeichnete Rodgers zunehmend seinen Anweisungen. Damit schadete der Quarterback seinem Team bisweilen, nicht immer lag er mit seinen riskanten Entscheidungen richtig. Sein Legendenstatus erschwerte es Kollegen jedoch, ihn zu mehr Demut zu bewegen und sich unterzuordnen.

"Nicht mehr viele Chancen"
Auch mit Trainer-Newcomer Matt LaFleur hat es für die Packers in dieser Saison nicht zum ganz großen Wurf gereicht. Doch die neue Ära mit LaFleur hat den Packers zumindest zu einem neuen Höhenflug verholfen. Die Veränderungen, die der 40-Jährige erwirkt hat, haben der Franchise nach zwei schwachen Spielzeiten nah ans Finale gebracht, nur ein Sieg fehlte. "Ich denke, der Erfolg und die Art, wie ich spiele, sind in dieser Offense dieses Jahr anders", lautete Rodgers' Fazit im US-Sender ESPN: "Ich muss keine 40 Touchdowns werfen, damit wir gewinnen." Personelle Ergänzungen in der Defense und ein vielfältigeres Laufspiel in der Offensive unterstützten Rodgers dabei, die "Cheeseheads" für ihre Gegner wieder gefährlich zu machen.

LaFleur, der sich als "Players' Coach" sieht und seine Spieler in seine Strategien mit einbezieht, hat es geschafft, dass sein Team die Erwartungen übertroffen hat. Damit hat er bereits die Weichen für die Zukunft gestellt. Denn das Scheitern so kurz vor dem Ziel bringt bei einem ehrgeizigen Spieler wie Rodgers die nötige Motivation auf, um in seiner verbleibenden NFL-Zeit noch einmal alles zu geben. Seines Alters ist er sich durchaus bewusst. Wenn 2023 sein Vertrag in Green Bay ausläuft, ist er 40 Jahre alt. Ob er es bis dahin noch einmal in das Endspiel schafft? „Ich werde nicht mehr viele Chancen bekommen, noch einmal in den Super Bowl einzuziehen“, sagte Rodgers am Sonntagabend. Die Niederlage gegen die 49ers schmerze daher „mehr als früher.“

n-tv


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