„Deutschland übernimmt Verantwortung, indem es der Diplomatie eine Chance gibt"

  22 Januar 2020    Gelesen: 830
„Deutschland übernimmt Verantwortung, indem es der Diplomatie eine Chance gibt"

Durchbruch oder bloß ein kleiner Schritt? Viele Medien in Deutschland loben die Ergebnisse des Libyen-Gipfels in Berlin. International herrscht dagegen größere Skepsis - die Pressestimmen.

Die Beteiligten waren sich einig: Der Libyen-Gipfel in Berlin war ein wichtiger, wenn auch nur ein erster Schritt für einen möglichen Frieden in dem Bürgerkriegsland.

Die in den Konflikt verwickelten Staaten einigten sich am Sonntagabend auf eine Einhaltung des Waffenembargos und ein Ende der militärischen Unterstützung für die Konfliktparteien in Libyen (mehr dazu lesen Sie hier). Nie zuvor in dem seit acht Jahren andauernden Konflikt war es gelungen, alle ausländischen Akteure auf so weitreichende Vereinbarungen zu verpflichten.

Die "Frankfurter Rundschau" sieht das Treffen in Berlin als Chance: "Deutschland tat 2011 gut daran, sich nicht am Kriegseinsatz des Westens zu beteiligen. Daraus erwuchs politisches Kapital, mit dem die Kanzlerin und der Außenminister jetzt einen Friedensprozess starten. Deutschland übernimmt Verantwortung, indem es der Diplomatie eine Chance gibt."


Der Berliner "Tagesspiegel" lobt zwar die Bundesregierung für die Ausrichtung des Treffens, nimmt sie aber auch in die Pflicht: "Die vielen positiven Reaktionen aus der EU und anderen Ländern zeigen: Die deutsche Außenpolitik hat mit der Vorbereitung und Regie der Libyen-Konferenz in Berlin tatsächlich einen bedeutenden Erfolg erzielt. Ein Beweis gegen die Wirksamkeit militärischer Macht liegt in diesem Erfolg aber nicht. Die politische Verantwortung, die Berlin übernommen hat, endete nicht mit der Konferenz. Wenn die EU als Helfer bei einer Stabilisierungsmission oder zur Überwachung des Waffenembargos gefragt sein sollte, wird auch die Bundeswehr ihren Beitrag leisten müssen."
Die "Frankfurter Allgemeine" meint ebenfalls, dass Deutschland sich an einem internationalen Einsatz beteiligen müsste: "Schon ruft der von den UN gestützte libysche Regierungschef, aber auch der neue EU-Außenbeauftragte nach einer internationalen Blauhelmtruppe, um den Frieden und den staatlichen Aufbau in Libyen zu sichern. An beidem (...) wird Deutschland sich maßgeblich beteiligen müssen."

Putin als einziger Gewinner

International fällt die Sicht auf das Treffen etwas anders aus. Die italienische Tageszeitung "La Repubblica" sieht nur eine Person, die von dem Gipfel profitiert: "Der einzige Gast, der jedoch in Berlin als Sieger hervorgeht, ist Wladimir Putin. Indem er Haftar mit seinen Söldnern unterstützte, es aber vermied, sich mit offiziellen Kräften einzuschalten, gewann er eine politische Rolle in Nordafrika und an der südlichen Mittelmeerküste, die die Sowjetunion verloren hatte. Und ohne seine Vermittlung, ohne seinen Druck auf Erdogan wäre die Berliner Konferenz nicht möglich gewesen. Wenn der Waffenstillstand Bestand haben wird, entsteht für ihn kein Schaden. Wenn er scheitert, wäre das ein Scheitern Europas und er könnte den Stellvertreterkrieg fortsetzen, den er begonnen hatte."

Die Moskauer Tageszeitung "Iswestija" sieht in dem Abkommen nur eine Vertagung des Konflikts: "In Berlin konnte also kein Schlusspunkt unter die seit neun Jahren andauernde Krise gesetzt werden. Um den Konflikt beizulegen, ist vielmehr eine innerlibysche Konferenz notwendig, bei der die beiden Kraftzentren des Landes endlich einander zuhören. So jedenfalls füllt der deutsche Gipfel nur die Liste ähnlicher Treffen in Paris und Palermo, die den bestehenden Status bestätigten, aber das Problem an sich nicht lösen."

Und die katholische Pariser Tageszeitung "La Croix" kommentiert: "Die Einflussnahme aus dem Ausland hat die Lage in dem Land noch verschlimmert. Manche sehen bereits das Risiko einer Krise, die genauso schwer ist wie die in Syrien. Algerien, Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Frankreich, Griechenland, Italien, Katar, Russland, die Türkei: Die Liste der Protagonisten ist lang. Die Bedeutung der Berliner Konferenz lag darin, alle Störgeräusche auszuschalten. Dafür ist noch viel Zeit und Hartnäckigkeit nötig. Zum Wohl der Libyer und für den Frieden im Mittelmeerraum."

 spiegel.de


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