Der Gesamtwert der Forderungen liegt wohl im dreistelligen Millionenbereich, es geht unter anderem um Gemälde bedeutender Künstler und Wohnungsrecht im Potsdamer Schloss Cecilienhof: Die ehemals kaiserliche Familie Hohenzollern erhebt gegenüber dem Bund sowie den Ländern Berlin und Brandenburg Ansprüche auf einige Tausend Kunstwerke und verlangt von der öffentlichen Hand Entschädigung für Immobilien, die von den Sowjets nach 1945 enteignet wurden. Die jahrelangen geheimen Vergleichsverhandlungen wurden im Juli öffentlich bekannt.
Für die Enteignungen der Immobilien durch die Sowjets steht den Hohenzollern eine Entschädigung zu, die sich in Brandenburg auf 1,2 Millionen Euro beläuft. Im Zentrum des Streits steht die Frage, ob die Hohenzollern während der Weimarer Republik und danach "dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet haben". Denn in diesem Fall schließt die Rechtslage Ansprüche aus. Zu dieser Frage liegen vier Gutachten von Historikern vor. Zwei davon gehen davon aus, dass die Hohenzollern den Nationalsozialisten "erheblichen Vorschub" leisteten, indem sie ihr Ansehen für sie einsetzten. Die anderen beiden Gutachten stellen Kronprinz Wilhelm dagegen nur als eine Randfigur oder gar als Hitler-Gegner dar.
In dem Streit ging die Familie auch rechtlich gegen Historiker vor, die sie öffentlich kritisiert hatten. Dabei ging es nicht direkt um die Entschädigungsansprüche, sondern um Detailfragen. Etwa, ob die Familie inhaltlich Einfluss haben wollte, wie die Hohenzollern in öffentlichen Museen dargestellt werden. Der Anwalt der Familie bestreitet, dass die Hohenzollern jemals Einfluss auf die museale Darstellung nehmen wollten und schickte einstweilige Verfügungen und Unterlassungsbegehren an mehrere Historiker; er drohte mit Strafzahlungen bis zu 250.000 Euro.
Einer der betroffenen Wissenschaftler, der renommierte Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) Martin Sabrow, hatte in einem offenen Brief kritisiert, das Vorgehen der Familie Hohenzollern gefährde die Wissenschaftsfreiheit und führe zu einer "Unkultur der Einschüchterung". Jeder Historiker, der sich in dem Streit öffentlich äußert, müsse nun fürchten, mit einstweiligen Verfügungen und Unterlassungsbegehren überzogen zu werden.
"Wenn eine Adelsfamilie rechtlich gegen Historiker vorgeht, die ihre fachliche Expertise zu geschichtspolitischen Stellungnahmen nutzen, und ihnen mit Strafzahlungen von bis zu 250.000 Euro droht, kann man nicht von Waffengleichheit sprechen", sagt Sabrow dem SPIEGEL.
Der Streit hat dem Image der Familie erheblich geschadet, nun rudert sie offenbar zurück. Georg Friedrich Prinz von Preußen habe inzwischen Kontakt mit ihm aufgenommen und sein Bedauern über die Eskalation der Lage ausgedrückt, teilte Sabrow dem SPIEGEL auf Anfrage mit. Der Anwalt der Familie habe schriftlich bestätigt, dass Herr von Preußen beabsichtige, die einstweilige Verfügung gegen einen Mitarbeiter Sabrows zurückzuziehen.
"Keine Geheimverhandlungen mehr"
Dies könne allerdings nur ein erster Schritt sein, betonte Sabrow. Er geht davon aus, dass die Familie auch gegenüber anderen betroffenen Wissenschaftlern nicht länger auf juristischem Weg vorgeht. "Wenn es dazu kommt", urteilt Sabrow, "sehe ich die in meinem offenen Brief beklagte Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit abgewendet und darüber hinaus auch den Weg zurück zu einer sachlichen Verhandlung über die strittigen Fragen des Preußenerbes gebahnt." Der Anwalt der Familie Hohenzollern ließ eine Anfrage des SPIEGEL bisher unbeantwortet.
Wie es mit den anderen Verfahren weitergeht, ist unklar. Neben Historikern war die Familie auch gegen Journalisten juristisch vorgegangen.
Der Streit um das Erbe der Hohenzollern geht indes weiter. In der kommenden Woche ist eine öffentliche Anhörung im Bundestag geplant. Dabei wird auch über den Antrag der Linken diskutiert, außergerichtliche Absprachen mit der Adelsfamilie zu beenden. Es könne "keine Geheimverhandlungen mehr geben, keine außergerichtlichen Absprachen", sagte der Linke-Abgeordnete Jan Korte. Die Revolution von 1918 habe die Monarchie hinweggefegt, die Hohenzollern seien offenbar noch nicht in der Demokratie angekommen.
spiegel
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