Beginnt Salvini seinen Marsch auf Rom?

  26 Januar 2020    Gelesen: 643
 Beginnt Salvini seinen Marsch auf Rom?

Es sind nur Regionalwahlen - und es geht doch um viel mehr. In zwei Regionen Italiens werden Gouverneure gewählt. Mit Spannung wird das Ergebnis für die Emilia-Romagna erwartet. Lega-Chef Salvini will bei einem Wahlsieg einen neuen Anlauf nehmen und die Regierung in Rom stürzen.

Eigentlich sind es nur Wahlen, zu denen die Bürger in den italienischen Regionen Emilia-Romagna und Kalabrien aufgerufen sind. Trotzdem wartet das ganze Land gespannt auf die Ergebnisse, besser gesagt auf ein Ergebnis. Denn dieses könnte auch über die Zukunft der Regierung in Rom entscheiden.

In Kalabrien ist der Sieg der Lega-Kandidatin Jole Santelli so gut wie sicher, aber die süditalienische Region interessiert den rechtspopulistischen Lega-Chef Matteo Salvini eher weniger. Er will das rote Herz Italiens erobern, die Emilia-Romagna, dort wo sich einst der Priester Don Camillo und der kommunistische Bürgermeister Peppone immer wieder in den Haaren lagen. Die Region wird seit 75 Jahren von den Linken regiert. Diese aus ihrer Hochburg zu vertreiben, wäre für Salvini die ultimative Abrechnung. Und zwar nicht nur mit den Roten in der Emilia-Romagna, sondern mit der Koalition in Rom. "Mit dem Sieg in der Tasche werde ich Conte den Räumungsbefehl erteilen", sagte er in Richtung des amtierenden Ministerpräsidenten Giuseppe Conte.

Der frühere Innenminister will Revanche für seinen im vorigen Sommer gescheiterten Coup. Als er im August die Regierungskoalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung aufkündigte, setzte er auf vorgezogene Parlamentswahlen. Doch seine Rechnung ging nicht auf. Die Fünf Sterne rauften sich mit den Sozialdemokraten zusammen und bildeten eine neue Koalition. Seitdem vergeht kein Tag, an dem Salvini der Regierung nicht vorwirft, sich dem Willen des Volkes, das ihn an der Spitze der Regierung haben wolle, zu widersetzen.

Die Regierung in Rom unter zunehmendem Druck

Ob der Plan aufgeht, ist unklar - mit einem hat der Lega-Chef aber Recht. Sollten die Sozialdemokraten die Region verlieren, wäre das nicht nur ein herber Schlag für die Partei, sondern auch für die Regierungskoalition. Die Zusammenarbeit zwischen den Fünf Sternen und der sozialdemokratischen PD funktioniert alles andere als reibungslos und findet auch deswegen wenig Zuspruch in der Bevölkerung. Für die Wahl in der Emilia-Romagna konnten sich die Fünf-Sterne-Bewegung und die Sozialdemokraten nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen, was die Kräfte gegen Salvinis Lega gebündelt hätte. Hinzu kommt, dass vor wenigen Tagen Luigi Di Maio seinen Rückzug von der Spitze der Fünf Sterne angekündigt hat. Will man den Kommentaren dazu in den Medien glauben, auch kein gutes Omen.

Salvini ist über all das natürlich sehr erfreut und klappert weiter die Emilia-Romagna ab. Keine Stadt und keine noch so winzige Ortschaft lässt er aus. Er ist der Hauptdarsteller dieser Wahlkampagne, ihm gehört die mediale Bühne. Von den anderen zur Wahl stehenden Kandidaten ist kaum die Rede. Und der Aufwand scheint sich zu lohnen, sein Sieg, beziehungsweise der der Lega-Kandidatin Lucia Borgonzoni, ist nicht ausgeschlossen. Im Moment liefert sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit amtierenden Gouverneur Stefano Bonaccini. Der Sozialdemokrat hat in den Umfragen zwar die Nase vorn - doch der Abstand beträgt nur wenige Prozentpunkte.

Formel 1, Barilla und Parmaschinken

Ein so knapper Vorsprung eines linken Kandidaten wäre vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar gewesen. Die Emilia-Romagna war seit Kriegsende ein sicherer Hort für die Linke und gehört zu den Vorzeigeregionen des Landes. Mit ihren knapp 4,5 Millionen Einwohnern, einem Durchschnittseinkommen von 23.233 Euro (landesweit liegt es bei 21.170 Euro) zählt sie, gleich hinter der Lombardei und dem Veneto, zur wirtschaftlich drittstärksten Kraft Italiens.

Um Bologna, der Hauptstadt, befindet sich die sogenannte Packaging-Valley, dort hat Europas größte Verpackungsindustrie ihren Sitz; in Maranello residiert der Autobauer Ferrari und mit ihm das Herz der italienischen Formel-1-Begeisterung; keine 40 Kilometer weiter in Sant’Agata Bolognese stehen die Lamborghini-Werkstätten; in Parma ist die Lebensmittelriese Barilla zu Hause, von dort kommen zudem der weltweite bekannte Parmaschinken und der Parmesankäse. Die Region schaffte es als erste in Italien nach der Wirtschaftskrise vor gut einem Jahrzehnt wieder auf die Beine zu kommen. Unter der Regierung Bonaccinis halbierte sich die Arbeitslosenquote auf 5,6 Prozent.

Das politische Labor Italiens

Der sozialdemokratische Gouverneur kann also auf eine erfolgreiche fünfjährige Amtszeit zurückblicken. Einer Wiederwahl sollte eigentlich nichts im Wege stehen. Doch dem ist nicht so. Ein Teil der Emiliani hat der Linken den Rücken gekehrt, und das nicht erst seit den Europawahlen im Mai, als die Lega mit 33,8 Prozent zur stärksten Partei aufstieg. 2007 fand in Bologna die erste große Protestkundgebung der Fünf Sterne statt. Bei den Parlamentswahlen 2018 wurde die PD von der Fünf-Sterne-Bewegung überholt.

Die Region gilt seit eh und je als politische Labor. "Das hat damit zu tun, dass die Leute hier schon immer politisch sehr aktiv waren und es bis heute sind", sagt Politologe Marco Valbruzzi im Gespräch mit ntv.de. Jüngster Beweis ist die in Bologna ins Leben gerufene Sardinen-Bewegung. "Und solange die Linke fest in der Gesellschaft verwurzelt war, konnte ihr auch keiner etwas anhaben."

Seit Kriegsende, damals arbeitete noch 60 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft, achten die Lokalpolitiker darauf, dass der Fortschritt niemanden zurücklässt und alle gleichermaßen profitieren können. Das "Modell Emilia-Romagna" weckte sogar reges Interesse im Ausland. "Doch dann, irgendwann in den 90er-Jahren, nach dem Fall der Berliner Mauer, als die Ideologien endeten, sich die Kommunistische Partei auflöste -  wohlgemerkt in Bologna -, als sich der Dienstleistungssektor die Industrie abhängte und die soziale Marktwirtschaft vom Neoliberalismus abgelöst wurde, hat die Linke den Anschluss verpasst", sagt Valbruzzi weiter.

Hinzu kommt, dass auch hier die Wirtschaftskrise viele Arbeitsplätze zerstört hat, die jetzt obendrein immer öfter von Robotern und im Zuge der Digitalisierung ersetzt werden. "Das ist ein Grund, weswegen sich viele hängengelassen fühlen und sich von den Linken abgewandt haben", meint Valbruzzi. "Der andere ist die Angst, ihren Kindern werde es in Zukunft schlechter gehen als ihnen."

"Peppone würde heute Lega wählen!"

Und so fallen Salvinis Tiraden gegen die EU, die Globalisierung und allen voran die gegen die Migranten auf fruchtbaren Boden. Mit 12,6 Prozent hat die Emilia-Romagna den größten Ausländeranteil italienweit. Die meisten von ihnen arbeiten auf den Feldern, in den Stallungen und verrichtet die Arbeit, die die Einheimischen nicht mehr machen wollen. Ohne sie würde der Export von Parmesankäse und Rohschinken lahmliegen. Doch das ändert nichts an den Ängsten.

Bonaccini setzt auf Innovation, die Menschen hören aber lieber Salvinis "Die Emiliani zuerst!". Er werde sich um ihr Wohlsein kümmern, die nationalen Grenzen wieder dichtmachen und das Vaterland retten, verspricht er. Und da er weiß, für wen die Herzen hier einst geschlagen haben, beendete er unlängst eine Wahlkundgebung in Brescello, dem Drehort von "Don Camillo und Peppone" mit den Worten: "Peppone würde heute Lega wählen!"

Quelle: ntv.de


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