Volvo XC60 - Schwedenpower mit E-Boost

  02 Februar 2020    Gelesen: 1039
  Volvo XC60 - Schwedenpower mit E-Boost

Die Diesel-Motoren sind bei Volvo Auslaufmodelle. Dennoch haben die Schweden den Vierzylinder im XC60 mit einem E-Motor verbandelt. Das soll den Diesel stärker und sparsam machen. ntv.de macht im Praxistest die Probe aufs Exempel.

Die vollelektrischen Modelle hat Volvo an die einstige Sportabteilung des Unternehmens Polestar abgegeben. Mit deren Modellen sollen künftige Sportfreunde elektrisiert werden. Das Mutterhaus hat unterdessen die Grundlagen für den ultimativen schwedischen Stromstoß geschaffen. Zum Beispiel mit den Mild-Hybrid-Modellen, die statt eines T oder D ein B im Namen tragen, neben dem jeweiligen Benzin- oder Dieseltriebwerk. Doch egal, welches Verbrennertriebwerk für den Vortrieb sorgt, unterstützt wird es von einem Elektromotor, der seinen Treibstoff aus einer 48-Volt-Batterie und einem DC/DC-Wandler bezieht.

Das E-Triebwerk hilft dem Verbrenner, im Falle des Testwagen ein 235 PS starker Vierzylinder-Diesel, beim Anfahren oder Beschleunigen. Das ist dann auch der Garant dafür, dass der 1,95 Tonnen schwere XC60 B5 beim Ampelstart kaum natürliche Feinde zu fürchten hat. In schlanken 7,1 Sekunden ist der 4,69 Meter lange Schwede auf Tempo 100 gebracht. Wer den Sprint bis zum Anschlag durchzieht, wird am Ende 220 km/h schnell. Also, der Testwagen wurde so schnell. Wer sich jetzt einen Volvo in dieser Konfiguration kauft, wird bei 180 km/h elektronisch eingebremst werden. Wir erinnern uns: Die Schweden hatten für mehr Sicherheit im Straßenverkehr beschlossen, alle ihre Neuwagen, die 2020 auf den Markt kommen, derart zu limitieren.

Bäriger Antritt und hoher Verbrauch

Wer also auf den Pin tritt, wird sich, egal ob bei 180 oder 220 km/h Ende ist, über den bärigen Antritt des B5 AWD freuen. Zumal er auch nur nach dem Start so klingt. Sobald er läuft, schnurrt er wie Omas Katze. Nicht ganz so sanft erfolgt die Verteilung des maximalen Drehmoments von 480 Newtonmetern an alle vier Räder über die 8-Gang-Automatik mit Shift-By-Wire-Steuerung. Hier zieht bei den Übergängen der Schaltstufen immer ein Gummiband. Das bremst aber weder den kraftvollen Vortrieb noch ändert es etwas an der Endgeschwindigkeit. Insofern sei es erwähnt, aber nicht ernsthaft bemängelt.

Anders ist es mit dem Verbrauch, der lag beim Testwagen deutlich über den Herstellerangaben. Mit 6,5 Litern im Drittelmix verbrieft, genehmigte sich der Schwede 8,7 Liter. Zugegeben, auch mit Mild-Hybrid-Technik bleibt ein Diesel der ideale Motor für die Langstrecke. Die wurde im Test nicht gefahren. Der Großteil der Teststrecken wurde im täglichen Pendelverkehr in die Redaktion erfahren, wobei ein Drittel der Strecke zuckeliger Stadtverkehr war. Auch die Temperaturen sind natürlich im Winter nicht ideal. Dennoch sind neun Liter bei einem Selbstzünder auch bei widrigen Bedingungen deutlich zu viel. Vielleicht sind Interessenten dieser Vortriebskombination mit einem B4 mit 197-Diesel-PS besser bedient. Da ist immer noch ausreichend Bums unter der Haube, aber im Verbrauch sollte hier auch im Stadtverkehr höchstens eine sieben vor dem Komma stehen. Und wenn die Höchstgeschwindigkeit ohnehin auf 180 km/h limitiert ist, helfen auch die 235 PS nicht mehr.

Nicht nur preislich Premium

Ansonsten ist der Volvo XC60 das, was man von ihm erwartet: ein optisch extrem attraktives SUV, das seiner Einstufung in die Premium-Liga nicht nur mit einem Einstiegspreis von 61.920 Euro untermauert, sondern auch mit einem adaptiven Luftfahrwerk, das allerdings weitere 2280 Euro kostet. Dafür swingt der Schwede damit aber auch ganz leichtfüßig über Kopfsteinpflaster, überfährt klaglos Schlaglöcher und lässt Querfugen nur erahnen. Was der Fahrer aber tunlichst unterlassen sollte, wenn er denn im Comfort-Modus so über die Straßen schwebt, ist, sich vom Hafer stechen zu lassen. Angesichts der 235 Pferde und der Leichtfüßigkeit, mit der sie in den Trab gehen, kann es nämlich durchaus passieren, dass die eine oder andere Kurve zum schnellen Durcheilen verleitet.

Doch jetzt fängt der Schwede an, über die Seite zu schieben. Im schlimmsten Fall geht das Heck stiften und man muss sich mühen, hier wieder Ruhe ins Fahrzeug zu bringen. Abhilfe schafft natürlich, wenn der Fahrer vor dem schnelleren Kurvenlauf die Fahrwerkseinstellung auf Dynamic gebracht hat. Jetzt ist der XC60 deutlich straffer und senkt sich nicht mehr so begierig mit seinem ganzen Gewicht ins Kurveninnere. Natürlich wird auch die Geschwindigkeitsabhängige-Lenkung einen Tick straffer und die Gasannahme erfolgt spontaner als im Comfort- oder Eco-Modus. Letztgenannter rechnet die Spontaneität dann schon deutlich runter, empfiehlt sich aber durchaus in der Stadt. Wer hier darauf verzichtet, bei jedem Ampelstart der Erste zu sein, der kann mit dieser Einstellung und der damit verbundenen verhaltenen Fahrweise die oben genannte Verbrauchszahl mit ziemlicher Sicherheit senken.

"Der Sicherste seiner Klasse"

Ansonsten empfiehlt sich der Volvo XC60 als das, was er schon immer war: ein Familien-SUV. Das liegt nicht nur an dem Platzangebot in der zweiten Reihe und hinter der Heckklappe, wo 483 Liter bei aufrechter und 1410 Liter bei umgelegter Rückenlehne verschwinden. Es ist auch der Umstand, dass Volvo immer noch die in die Rücksitzbank integrierten, nunmehr aber überarbeiteten Sitze für Kinder ab etwa vier Jahren anbietet. Das ist so schön, denn es entbindet Eltern davon, immer ein zusätzliches Gestühl im Fahrzeug zu transportieren und dennoch sind für 270 Euro extra immer zwei sichere Kindersitze an Bord. Ja, die gibts nicht für umme, die sind Option, aber eine für Familien bedenkenswerte. Das gilt auch für die Armada an Sicherheitssystemen. Eine Ausnahmestellung haben die Schweden hier zwar nicht mehr, denn auch andere Fahrzeughersteller verweisen unterdessen mit Recht auf ein reichhaltiges Angebot, aber Volvo bietet an einigen Stellen immer noch Neues und behauptet vom XC60, "das sicherste Auto seiner Klasse" anzubieten.

Das lassen wir jetzt einfach mal so stehen und gucken, was das Schweden-SUV so im Angebot hat. Da wäre ein für manchen Geschmack zu aufmerksames Notbremssystem, das in allen Geschwindigkeitsbereichen bei Tag und Nacht aktiv ist und Fahrzeuge, Fußgänger, Fahrräder, Motorräder und Wildtiere erkennt. Hinzu kommt eine aktive Lenkunterstützung, die dann eingreift, wenn die Elektronik erkennt, dass eine Notbremsung nicht ausreicht, um eine Kollision zu verhindern. Zudem wird der Fahrer bei der anschließenden Stabilisierung des Wagens unterstützt. Auch die Kollision mit entgegenkommenden Fahrzeugen wird durch eine sogenannte "Oncoming Lane Mitigation" verringert. Heißt nichts anderes, als dass der Volvo beim versehentlichen Spurwechsel durch automatisches Gegenlenken in die Spur zurückgeholt wird.

Eingriffe an den richtigen Stellen

Nun wird der Leser verstehen, dass Sicherheitssysteme, die das Abkommen von der Straße verhindern, Sendung von Gefahrenwarnung über die Cloud, Kreuzungs-Bremsassistent et cetera, bei einem Praxistest nicht zwingend im Straßenverkehr getestet werden können. Das, was aber an Warnsignalen und elektronischen Lenkeingriffen während der Fahrten zu spüren war, lässt zweifelsfrei ein Eingreifen an den richtigen Stellen erwarten. Im Test definitiv erfahren werden konnten die exzellenten Sitze, die Volvo kann wie kein anderer Hersteller und die echte Langstreckentauglichkeit versprechen und das auch, wenn man auf die optional angebotene Massagefunktion verzichtet.

Zudem darf sich der Fahrer eines XC60 über eine Armaturentafel in Lederoptik ebenso freuen wie über ein digitales Zentraldisplay oder das griffige Lederlenkrad mit integrierten Bedientasten und ein Infotainmentsystem mit 12,3-Zoll-Touchscreen. Über die gewöhnungsbedürftige Bedienung ist viel geschrieben worden. Aber genau das ist es: Wenn man sich daran gewöhnt hat, funktioniert das Ganze ausgezeichnet. Der Screen lässt sich in drei Anzeigenfelder teilen und hält so immer die wichtigsten Funktionen im Blick- und Touch-Feld des Fahrers. Natürlich gibt es auch eine Echtzeitnavigation, Spotify als Musikstreamingdienst oder die Parkplatzsuche über Park and Pay. Und ob sich das alles auf einem hochkant gestellten Monitor präsentiert, ist am Ende wirklich egal.

Fazit:  Volvo hat den XC60 in allen Belangen auf dem neuesten Stand der Technik. Allerdings hat das alles seinen Preis. Ein Schnäppchen war und ist ein Volvo noch nie gewesen. Ob es am Ende 82.620 Euro sein müssen, ist natürlich jedem selbst überlassen. Wer aber sparen will, sollte überlegen, ob es wirklich den großen Diesel mit 235 PS braucht. Zweifelsohne ein Kraftpaket, das als Milde-Hybrid überlegene Fahreigenschaften bietet, aber auch im Verbrauch kein Kostverächter ist. Der Autor empfiehlt ein kleineres Triebwerk und dafür bei den Sicherheits-Features zu investieren, wenn es denn ein Volvo XC60 sein soll.

Quelle: ntv.de


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