Die politische Debatte um die Abschaffung von kleinen Cent-Münzen ist in vollem Gange: Im Mittelpunkt steht dabei die Nordseeinsel Wangerooge, die sich vor einigen Monaten als mögliches Experimentierfeld fürs Bezahlen ohne Kupfergeld ins Gespräch gebracht hat. Doch dort läuft für Kunden zunächst alles weiter wie gewohnt.
Denn seit eine der beiden auf Wangerooge tätigen Geschäftsbanken die Belieferung der Insel vom Festland mit Ein-, Zwei- und Fünf-Cent-Münzen einstellte, tauschen Händler die Münzen untereinander oder nehmen Spardosen von Kunden entgegen. Eigentlich sollten Preise beim Bäcker oder im Supermarkt auf- oder abgerundet werden - oder der Kunde gleich bargeldlos zahlen. Doch die Einzelhändler der Insel sträubten sich dagegen, wie Bürgermeister Marcel Fangohr (parteilos) feststellt. Die Wirtschaft Wangerooges sei von Anfang an skeptisch gewesen, berichtet er.
"Wir kommen nicht ohne die Münzen aus", bestätigt die Inhaberin der Inselbuchhandlung, Claudia Grunemann. "Man sagt das immer so leicht, aber das macht nicht jeder Kunde mit." Dem Bürgermeister zufolge sollten Kunden immer vor die Wahl gestellt werden, ob sie den Preis aufrunden und die Cent-Beträge sozialen Projekten zugute kommen lassen - so wie bereits an manchen deutschen Supermarktkassen. "Das müsste man mit jedem Kunden ausdiskutieren", erklärt die Buchhändlerin. "Das würde jetzt gehen, aber wenn sich im Sommer die Schlangen bilden, nicht."
In der Hochsaison könnte es Probleme geben
In der Hochsaison mit zahlreichen Touristen in den Läden könnte dann auch das aktuelle System, bei dem sich die Einzelhändler gegenseitig mit Münzen aushelfen oder gesammeltes Kleingeld der Kunden gegen größeres Geld tauschen, zusammenbrechen. Entsprechende Befürchtungen erhöhen jetzt den Druck auf die Inselverwaltung, bis Sommer eine verbindliche Lösung zu schaffen.
Hintergrund des Vorstoßes auf Wangerooge ist die Kostenkalkulation der Volksbank Jever. Das auf der Nordseeinsel vertretene Kreditinstitut hatte die Lieferung im November mit der Begründung eingestellt, dass der Transport der Münzrollen - meist mit dem Flugzeug - teurer als der Geldwert sei. Sollte der Vorrat der Münzen im Sommer also tatsächlich zur Neige gehen, "müsste jeder Händler die Münzen kompliziert vom Festland holen", so Bürgermeister Fangohr. Das ist mit erheblichem organisatorischem Aufwand und aufgrund des Gewichts der Münzen auch mit gewissen Kosten verbunden.
Andere Länder verzichten bereits auf Kleinstmünzen
Vielleicht könne man bis dahin noch mal einen Vorstoß wagen, die Bezahlpraxis zu ändern, hofft Fangohr. In den Niederlanden, Finnland und Belgien wird an Kassen bereits regulär in Fünf-Cent-Schritten auf- oder abgerundet. Und: Die EU-Kommission erwägt einen eigenen Kurswechsel hin zur Abschaffung der beiden kleinsten Cent-Münzen mit Kupferauflage, wie aus einem Arbeitspapier hervorgeht. Das Kupfergeld könnte dann nach und nach aus dem Handel verschwinden.
Hintergrund seien die "Nachteile und Herausforderungen, die mit ihrer Nutzung einhergehen", wie es im dem EU-Papier heißt. Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers ist dagegen. "Jedem sollte selbst überlassen bleiben, wie er oder sie bezahlt", gibt der CDU-Politiker zu bedenken. "Und das gilt insbesondere, solange die Preise auf 99 oder 98 Cent gebildet werden." Barzahlungen müssten gegenüber elektronischen Zahlungen gleich behandelt werden, fordert er.
In ihrer Buchhandlung kann Grunemann viele der krummen Preise nicht einfach ändern, denn für Bücher gilt deutschlandweit eine Preisbindung. Ebenso für verschreibungspflichtige Medikamente in Rita Ademes' Apotheke auf Wangerooge: "Natürlich würde ich die Abschaffung der Münzen begrüßen, aber da muss sich vorher noch Einiges in der Wirtschaft ändern." Ein freiwilliges Angebot zum Spenden gebe es ohnehin schon: "Bei uns steht das Schiff der Seenotretter. Das wird auf der Insel geleert und die Münzen kommen wieder in Umlauf."
ntv.de
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