Wirtschaft sieht Südafrika als "trägen Riesen"

  10 Februar 2020    Gelesen: 1447
  Wirtschaft sieht Südafrika als "trägen Riesen"

Berlin (Reuters) - Schaut man nur auf die Handelsbilanzen, dann hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in Südafrika und Angola gerade einen afrikanischen Riesen und einen Zwerg besucht.

“Denn Südafrika ist ein Schwergewicht in der deutschen Zusammenarbeit mit Afrika und hat einen ganz anderen Entwicklungsstand als der Rest des Kontinents”, sagt der Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Stefan Liebing, in einem am Sonntag veröffentlichten Reuters-Interview. 17 Milliarden Euro beträgt das jährliche Handelsvolumen Deutschlands mit Südafrika, bei Angola waren es 2018 gerade einmal 180 Millionen. Aber auch die Dynamik in beiden Ländern weist für Liebing in völlig unterschiedliche Richtungen.

“Südafrika wirkt wie ein träger Riese, bei dem die Reformfreude seit Jahren nachgelassen hat”, beschreibt er die Situation im südlichen Land des Kontinents. “Das Problem in Südafrika liegt in dem unter dem früheren Präsidenten (Jacob) Zuma gekündigten Investitionsschutzabkommen, der schlechter gewordenen Verwaltung, der zunehmenden Korruption.” Er hoffe, dass der neue Präsident Cyril Ramaphosa die Rahmenbedingungen wieder verbessere – “aber das Tempo der Reformenanstrengungen ist bisher ernüchternd”.

Daran ändert auch das demonstrative Lob der Kanzlerin für Ramaphosa bei ihrem Besuch in Pretoria nicht. Ramaphosa sei gefangen in den ideologischen Kämpfen seiner ANC-Partei, sagten mehrere Wirtschaftsvertreter in Südafrika auf der Reise. Vor allem die dringend nötige Liberalisierung der Energieversorgung hakt, die die Grundlage für einen Aufschwung ist. Trotz eines Bevölkerungswachstums weist Südafrika derzeit nur mit einem sehr moderaten Wachstum auf. Täglich gibt es Zusammenbrüche der Stromversorgung in dem Land, das zu 89 Prozent von Kohlestrom abhängig ist. Der staatliche Strommonopolist Escom gilt als völlig überfordert. Ramaphosa wies bei dem Merkel-Besuch zwar auf eine Liberalisierung hin. “Unternehmen, aber auch Städte, Dörfer und Gemeinden dürfen nun selbst Strom generieren”, sagte er. Aber das Vertrauen darauf, dass die Reform wirklich umgesetzt wird, ist in deutschen Wirtschaftskreisen gering. Dabei wäre dies die Grundvoraussetzung für den beschworenen Umstieg auf eine dezentrale Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien in dem wind- und sonnenreichen Land, wofür sich deutsche Firmen wie Siemens als Partner anbieten.

Merkels Besuch sollte deshalb nach Angaben aus Regierungskreisen auch eine Ermutigung sein. Immerhin sind bereits 600 deutsche Firmen in dem Land aktiv und das bilaterale Handelsvolumen liegt mit 17 Milliarden Euro jährlich weit über dem mit anderen afrikanischen Staaten. Zudem ist Südafrika anderen Ländern der Region auch bei Bildung und Technologie weit voraus. “Das zeigt sich daran, dass deutsche Firmen wie Siemens dort auch über Industrie-4.0-Projekte nachdenken – etwa im Automobilsektor”, sagte Liebing.

Deshalb wirkte es auf der Reise paradox, dass die Chancen auf neue Geschäfte mit dem wesentlich kleineren und ärmeren Angola mittlerweile als größer eingeschätzt werden. “Angola ist ein kleiner Partner, dafür aber mit stärkerer Dynamik und größerem Reformwillen”, lobt der Afrika-Verein-Chef die Entwicklung in dem Ölland, in dem nur 25 deutsche Firmen präsent sind. Deutsche Firmen unterschrieben dort beim Merkel-Besuch Verträge im Wert von rund 900 Millionen Euro. Präsident Joao Manuel Lourenco wolle Reformen angehen und die Korruption, sagt die Kanzlerin. “Das Land sollte wegen seiner Reformbemühungen in die Reihe der Compact-Länder aufgenommen werden”, fordert der Vorsitzende des Afrika-Vereins deshalb mit Blick auf die im G20-Format gegründete Gruppe besonders reformfreudiger Staaten auf dem südlichen Kontinent. Dann würden zusätzliche staatliche Hilfen für Investitionen fließen.

Allerdings warnt Liebing vor zu großen Illusionen. Er sieht nach dem Boom der letzten Jahre ein wieder nachlassendes Interesse deutscher Firmen an Afrika. “Generell ist die Euphorie der Jahre 2018 und 2019 etwas verpufft”, sagte er. “Das liegt aber nicht etwa an Afrika, sondern an der konjunkturellen Dämpfung in Deutschland.” Firmen experimentierten weniger, wagten weniger Neues - gerade in Afrika.


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