Es ist ein janusköpfiges Signal, das von der jüngsten Studie des renommierten amerikanischen Pew Research Centers, nur wenige Tage vor dem diesjährigen „Klassentreffen“ der transatlantischen Gemeinschaft, ausgeht. Die Ergebnisse der Studie dürften nicht nur die Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz ratlos zurücklassen. „Wasch mich, aber mach mich nicht nass!“ – so lässt sich lapidar die Einstellung der meisten Menschen in 16 Mitgliedstaaten der Nato zusammenfassen.
Der Studie zufolge, die am Sonntagabend in Washington (Ortszeit) veröffentlicht wurde und der F.A.Z. vorliegt, sehen 53 Prozent der Menschen in den Nato-Staaten das Bündnis in einem positiven Licht. Und das, obwohl die Spannungen zwischen den Staats- und Regierungschefs der Allianz in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen sind. Gleichzeitig lehnt es die Hälfte der Befragten, die zwischen Mai und August 2019 befragt wurden, ab, dass die Streitkräfte ihrer Länder einem anderen Nato-Mitglied im Falle eines russischen Angriffs zu Hilfe eilen.
Die Sichtweise auf die Nato und die Bereitschaft zur Bündnisverteidigung variieren bei näherer Betrachtung deutlich in den 16 Mitgliedstaaten. Am weitesten verbreitet ist die positive Sicht an der Nordostflanke des Bündnisses, wo 82 Prozent der Polen und 77 Prozent der Litauer die Allianz mit Wohlwollen betrachten. Im Südosten hingegen sind die Zustimmungsraten am geringsten. Vor allem in Bulgarien (42 Prozent), Griechenland (37 Prozent) und der Türkei (21 Prozent) hält nur eine Minderheit große Stücke auf das Bündnis. Unterboten wird die Perspektive nur noch von Russland, neben der Ukraine und Schweden eines von drei Nicht-Nato-Ländern, in denen Pew ebenfalls die Menschen befragte. Nur 16 Prozent der Russen finden die Nato gut, 60 Prozent halten von ihr wenig bis nichts. Ein Blick auf ältere Pew-Umfragen zeigt ferner, dass das Meinungsklima gegenüber der Nato sich in einer Reihe von Mitgliedstaaten in den vergangenen zehn Jahren deutlich eingetrübt hat. In Frankreich verlor das Bündnis seit 2009 ganze 22 Prozent an Zustimmung (aktuell 49 Prozent), in Deutschland, wo vor zehn Jahren noch knapp drei Viertel der Menschen einen positiven Blick auf das Bündnis hatten, sind es jetzt nur noch 57 Prozent. Ähnliche Rückgänge lassen sich in absoluten Zahlen sonst nur noch in Bulgarien und in Russland beobachten.
Auch die Bereitschaft, Bündnismitglieder gegen einen russischen Angriff zu verteidigen, ist in den untersuchten Staaten sehr unterschiedlich ausgeprägt. Grundsätzlich lehnt die Hälfte aller Befragten in den 16 Bündnisstaaten es ab, einem Verbündeten zur Hilfe zu kommen. Nur 38 Prozent wären dafür, der Beistandsverpflichtung nachzukommen, wie sie dem Sinne des Artikels 5 im Nato-Vertrag nach eigentlich erwartet würde. In gerade einmal fünf Nato-Staaten findet sich eine gesellschaftliche Mehrheit für einen solchen Einsatz der eigenen Streitkräfte. Interessanterweise sind es dabei nicht zuvorderst die Menschen an der Ostflanke des Bündnisses, sondern die westlich geprägten Gesellschaften, in denen Artikel 5 des Nato-Vertrages hochgehalten wird.
Vorneweg bekennen sich 64 Prozent der Niederländer dazu, gefolgt von den Amerikanern (60 Prozent) und den Briten (55 Prozent). In Litauen würden nur noch knapp über die Hälfte der Menschen ihre Armee einem Nachbarn zur Hilfe eilen sehen wollen. In Polen, wo sich die Menschen ebenfalls von Russland sehr bedroht fühlen, sind es nur noch 40 Prozent und damit sogar weniger als in Frankreich oder Spanien. In Deutschland würde nur gut jeder Dritte hinter einem Einsatz der Bundeswehr gegen Russland stehen, ein ähnlich geringer Anteil wie in Ungarn, Slowenien und der Türkei. In Griechenland und Italien wäre es sogar nur jeder Vierte. In Bulgarien gerade noch jeder Achte.
faz.net
Tags: