BMW 320d - Spar-Diesel und Fahrmaschine

  10 Februar 2020    Gelesen: 1429
  BMW 320d - Spar-Diesel und Fahrmaschine

Ein Kombi war noch nie abenteuerlich und gilt schon lange nicht mehr als sportlich. Und doch blitzt immer mal wieder einer auf, der genau das ist. So der neue BMW 320d. Der kann aber nicht nur Kurven räubern, sondern auch sparen. Jedenfalls beim Verbrauch.

Als BMW 1987 mit dem ersten 3er Touring aufwartete, war das revolutionär. Ein praxistaugliches Auto war geboren, das zudem die sportlichen Fahreigenschaften einer Limousine hatte. Das gilt auch heute noch viel mehr für einen 3er BMW Touring. Dennoch hat es so ein Kombi heute doppelt schwer. Zum einen muss er gegen eine ganze Armada an SUV-Varianten ankämpfen, zum anderen muss er sich fast dafür entschuldigen, wenn er von einem Vierzylinder Diesel mit 190 PS angetrieben wird. Genau ein solches Aggregat werkelte nämlich im ntv.de-Testwagen.

11 PS mehr und keiner merkt's?

Zur Unterstützung des Diesels haben die Bayern, ohne großes Aufsehen darum zu machen, dem Selbstzünder in Form eines 48-Volt-Bordnetzes noch einen kleinen Helfer an die Seite gestellt, der den 190 Pferden bei Bedarf weitere 11 PS zuführt. Nun könnte man mutmaßen, dass dadurch die Sprintzeit aus dem Stand auf 100 km/h im Vergleich zum 320d ohne Mild Hybrid unterboten werden soll. Ist aber nicht so. Es braucht weiterhin 7,1 Sekunden, bis Tempo 100 erreicht ist und in der Spitze sind weiterhin 230 km/h möglich.

Also wozu ist die zusätzliche Kraft dann da? Ziel ist es, den Motor so oft es geht in der Spitze der Effizienzkurve zu betreiben. Liegt die aktuelle Lastanforderung unter einem festgesetzten Bestpunkt, wird Brems- und Roll-Energie in die Batterie zurückgeführt. Liegt die Lastanforderung über diesem Punkt, steht dank des Akkus Energie zur Verfügung und der Startergenerator bringt seine 11 Pferdchen ins Spiel. Nun ist das alles kein Zauberwerk und die 48-Volt-Technologie findet man auch bei Audi oder Mercedes. Hier wie dort wird der elektrische Overboost vor allem beim Anfahren und Beschleunigen aus dem Stand heraus zur Verfügung gestellt. Während der Fahrt wird der Zusatzschub in der Regel genutzt, um die Verbrauchsspitzen zu reduzieren.

Wahres Sparen

Also, der Boost ist nicht dazu da, den 320d in eine Rennmaschine zu verwandeln, sondern in einen effizienten Langläufer. Und das ist der Bayer auf jeden Fall. Im Test begnügte er sich, fast immer flüsterleise, mit einem Durchschnittsverbrauch von 6,1 Liter über 100 Kilometer. Ja, stöhnt der Leser, aber im Datenblatt verspricht BMW doch irgendwas um die 4,3 Liter. Stimmt, machen die. Und wir wissen: Ob NEFZ- oder WLTP-Prüfverfahren, die Wahrheit findet sich auf der Straße.

Im Testfall haben wir Winter, wenn auch zugegeben einen recht warmen, und wir haben eine Topografie in den Bergen genutzt, bei der wir weder dauerhaft den Eco-Modus bemüht noch versucht haben, mit besonders leichtem Gasfuß die Strecken zu bewältigen. Und gemessen daran sind 6,1 Liter Diesel über die Distanz ein Spitzenergebnis. Es gibt Mild-Hybrid-Fahrzeuge, die hier im Test bei leichter Straßenführung mit knapp 9 Litern aus dem Rennen gegangen sind. Hinzu kommt, dass sich der 320d auch in der Stadt bezüglich des Verbrauchs hervorragend geschlagen hat. Auch hier wurde ein Ergebnis um die 6,4 Liter erzielt.

Keine Spaßbremse

Nun braucht der ambitionierte BMW-Fahrer keine Angst zu haben, dass die Münchner-Ingenieure ihren Claim "Freude am Fahren" vergessen haben. Der 3er ist und bleibt, egal mit welcher Motorisierung, ein Sportgerät. Und dabei hat er nicht nur den traditionellen Heckantrieb, er glänzt auch mit einer im Mild Hybrid in Serie verbauten 8-Gang-Steptronic, die die 400 Newtonmeter maximales Drehmoment gewohnt kraftvoll und ohne spürbare Verzögerungen auf die Hinterräder wirft. Je nach Gusto des Piloten kann das im Eco-, Comfort- oder Sport-Modus geschehen. Bei einem harten Tritt auf den Pin kann der Fahre seinen 320d fein mit dem Heck schwänzeln lassen oder dank einer unglaublich präzisen, in keiner Sekunde zu engen oder gar zappeligen Lenkung, wie wir sie hier im Test des BMW X2 kennenlernen mussten, einen exakten Strich durch jede sich bietende Kurve ziehen.

Aber Achtung! Nun mag es sein, dass der Testwagen in diesem Punkt noch einen entscheidenden Vorteil in Form der Variablen Sportlenkung hatte, die an das optional zu ordernde adaptive M-Fahrwerk mit elektronisch geregelten Dämpfern gekoppelt ist. Das sorgt zum einen für eine beladungsabhängige Regelung der Dämpfkraft, zum anderen für einen optimierter Regelalgorithmus, der den Wagen auch bei mehreren aufeinanderfolgenden Bodenwellen nicht zu tief eintauchen lässt und so ein Aufschaukeln verhindert. Für die Insassen ist die schnelle Umstellung tatsächlich in einer spontanen Härte feststellbar. Vorteil ist aber, dass es nie diese bösartige Sportfederung mit deutlichem Schlag in die Bandscheiben wird. Der 3er Touring bleibt immer in einem, nun, nennen wir es sportlich komfortablen Bereich, der auch auf der Langstrecke niemandem auf die Nerven geht.

Machen wir uns nichts vor

Wenn wir hier einen kleinen Kritikpunkt suchen, dann sind es die Bremsen. Nicht, dass die fehlerhaft arbeiten, ganz im Gegenteil. Die Teile zacken dermaßen in die Scheiben, dass der Wagen auch aus der extremsten Situation in den Stillstand getreten werden kann. Nein, das ist alles super. Nur, dass sie auch bei langsamer Fahrt an die Kreuzung im letzten Moment so bissig reinhauen, ist nicht so schön. Hier muss man schon einen sehr, sehr sanften Bremsfuß haben, um nicht an jeder Ampel schwer mit dem Kopf zu nicken wie einst der Wackeldackel auf der Hutablage.

Allerdings soll dem Leser an dieser Stelle nichts vorgemacht werden: Wer einen 3er Touring als sparsamen Mild Hybrid mit erhöhter sportlicher Attitüde fahren möchte, muss dafür nicht wenig bezahlen. Mindestens 50.000 Euro werden da schon fällig. Und wie in der Premium-Liga üblich ist hier noch lange nicht Schluss. Der Testwagen brachte es alles in allem auf 63.760 Euro. Das ist eine Menge Holz für einen Mittelklasse-Kombi. Klar, da sind zum einen die oben beschriebenen exzellenten Fahreigenschaften, ein hervorragend verarbeiteter Innenraum mit elektrisch einstellbaren und beheizbaren Sport-Ledersitzen und eine elektrische Heckklappe, hinter der sich 500 bis 1510 Liter Stauraum verbergen. Zudem hat BMW wohl als einziger Hersteller daran gedacht, dass es nicht nur Smartphone-Nutzer gibt, die schon einen USB-C-Anschluss nutzen, sondern viele, die eben einen ganz schnödes USB-Kabel zum Laden ihres Endgerätes nutzen.

An mehr gedacht

Eben für die haben die Bayern neben den zwei USB-C-Anschlüssen für die Fond-Passagiere und zwei ebensolche in der Mittelkonsole einen USB-Steckplatz unterhalb der Cupholder gelassen. Danke dafür. Natürlich gibt es auch eine induktive Ladefläche und das iPhone verbindet sich über Bluetooth mit der Multimedia-Einheit. Ganz ohne Kabel kann hier über Apple CarPlay der Inhalt des Smartphones gespiegelt werden. Ergo können auch Google Maps, Apple Karten, Spotify oder Tune In genutzt werden. Das ist cool und war bis dato nur bei sehr wenigen Fahrzeugen möglich.

Doch unabhängig davon gibt es natürlich noch ein voll digitales Cockpit, ein brillantes Head-up-Display oder adaptive LED-Scheinwerfer mit BMW Laserlicht, das sich die Bayern wie eine ganze Reihe von Assistenzsystemen fürstlich bezahlen lassen. Okay, der Fairness wegen muss erwähnt werden, dass die Speed-Limit-Info einschließlich Überholverbotsanzeige sowie Spurverlassenswarner und Fahrbahnrückführung serienmäßig im 3er an Bord sind. Optional sind die Spurwechselwarnung, die den Fahrer zwischen 20 km/h und der Höchstgeschwindigkeit mit einem aktiven Lenkimpuls in die Spur zurückholt. War dieser Vorgang bei früheren BMW-Testwagen eher nervig aggressiv, hatte der Autor beim 3er den Eindruck, dass die Ingenieure hier etwas Gift rausgenommen haben.

Nichts für Männer?

Nach wie vor immer wieder eine Empfehlung ist der Stauassistent und der Abstandsradar mit automatischem Bremsassistenten. Funktionierte im 320d tadellos und macht die Langstreckenfahrt echt zur Entspannungs-Tour. Ja, auch wenn es dem Fahrbegabten widerspricht, wie ein Automatik-Getriebe: Auch der Parkassistent macht Laune, wenn er so ohne zu zucken den 4,71 Meter langen Bayern in die Quer- und Längs-Lücken schiebt. Freude am Fahren ist also auch in der bayrischen Definition schon lange nicht mehr die aufgeregte Kurvenhatz. Und weil das so ist, soll jetzt noch eine Bresche für das fahrzeugeigene Navi geschlagen werden. Da wir Google Maps, Waze oder Apple Karten nutzen können, tut es eigentlich nicht not, Geld dafür auszugeben.

Oder doch? Vielleicht, denn wie bei Mercedes oder Porsche kann auch das BMW-Navi, wenn denn die Route eingegeben ist, Sprit sparen helfen. Denn das System passt die Topografie an das Fahrprofil an. Heißt: Es bremst vor Kurven entsprechend ein, sorgt für die richtige Beschleunigung, achtet auf die Richtgeschwindigkeit, behält vorausfahrende Autos im Blick und verlangsamt die Geschwindigkeit, bevor eine Ampel oder ein Kreisverkehr nahen. Also, kann man haben, muss man aber nicht.

Fazit: Der BMW 320d ist auf Wunsch und mit dem nötigen Kleingeld wie eh und je ein echtes Sportgerät. Zudem glänzt er mit einer uneingeschränkten Alltagstauglichkeit, die sich auf der Kurzstrecke ebenso manifestiert wie auf der Langstrecke. Die 500 Liter Kofferraumvolumen sind ausreichend für die Urlaubsreise und den Großeinkauf. In Summe macht ihn das zum sportlichsten Familienauto seiner Klasse, irgendwie also zu Papas Fahrmaschine mit Sport- und Sparpotenzial. Wenigstens dann, wenn erst einmal der Preis von knapp 60.000 Euro bezahlt wurde.

Quelle: ntv.de


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