"Die AfD ist nicht die Ursache der Probleme, sondern das Symptom"

  11 Februar 2020    Gelesen: 516
"Die AfD ist nicht die Ursache der Probleme, sondern das Symptom"

Nach der Rückzugsankündigung der CDU-Chefin spekuliert Frank Plasberg mit seinen Gästen über mögliche Nachfolger. Zudem entwickelt sich ein Austausch über den Umgang der CDU mit Linkspartei und AfD.

Im Zweifel ist "Hart aber fair" unter den Talkshows diejenige, die als Anwalt der sogenannten kleinen Leute angelegt ist. Jener Leute, die dem Klischee nach an Bonpflicht und Sparbücher denken, wenn es um Politik geht. So war es vor zwei Wochen, als im Finanztalk dem abstrakten "kleinen Sparer" der Kopf gestreichelt wurde. So war es vor einer Woche, als Edmund Stoiber mit dereguliertem Satzbau den vermeintlichen Bürokratieüberdruss des Durchschnittsbürgers nachzufühlen wusste.

Diesmal aber beförderte das Timing des politischen Berlin "Hart aber fair" kurzfristig in die Rolle des tagesaktuellen Talks. Es ging um Folgeschäden der Ereignisse in Thüringen: "Jetzt auch die CDU - stürzt die nächste Regierungspartei ins Chaos?"
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Es war eine gewohnt angespitzte, aber keine falsche Frage am Ende eines Tages, an dem die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Verzicht auf Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur erklärt hatte. Ein "Paukenschlag", wie es vor dem Talk im "Brennpunkt" hieß - wodurch Moderator Frank Plasberg die obligatorische Wettermetapher exklusiv hatte und seine Sendung mit Sturmtief "Sabine" beginnen konnte. Um den Satz mit "Annegret" zu beenden.

Nur: Gab es auch eine Antwort auf die Titelfrage?

Im Grunde gab es am ehesten Gegenfragen, etwa: Steckt die CDU nicht längst mittendrin im "Chaos"? Das war die angedeutete These von Sozialdemokrat Thomas Oppermann, der die Gelegenheit ergriff, seine Partei - ja, es ist die SPD - als den "stabilisierenden Faktor in dieser Regierung" zu loben. Erst der lange Streit zwischen Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer; dann der Fall Maaßen; nun Thüringen: Die Union stecke im "Richtungsstreit", sagte er, und führte darauf das ungute Bild zurück, das die Koalition abgebe. "Die AfD ist nicht die Ursache der Probleme, sondern das Symptom."

Was Norbert Röttgen, der die CDU vertrat, nicht hinnehmen wollte. Es sei eher solches parteipolitisches Gezänk, das die AfD stärke, befand er säuerlich. Journalistin Kristina Dunz von der "Rheinischen Post" fand's auch eher kurios: "Die SPD ist da jetzt nicht ganz unschuldig an dem Bild der Regierung." Dunz war es auch, die in dieser Runde Kramp-Karrenbauers plötzlichen Rückzug am schlüssigsten erklärte. Sie habe die Vertrauensfrage schon einmal ohne Not gestellt, damit sei das Instrument für sie verbraucht gewesen: "Nach einer Vertrauensfrage kommt der Rücktritt."

Oppermanns Befund des CDU-internen Richtungsstreits freilich blieb stehen. Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte konstatierte, es würde "die Union komplett zerreißen, wenn sie die Flanke aufmachen würde zur AfD". Nur hat die auch an diesem Abend zitierte "Brandmauer", deren Erhalt etwa Cem Özdemir von den Grünen forderte, zumindest außerhalb Berlins ja durchaus schon membranhafte Stellen. Was in eine Debatte über die Werteunion mündete, die Röttgen kurzerhand "nicht innerhalb der CDU" verortete.

Die Publizistin Marina Weisband - einst bei den Piraten, nun einfaches Mitglied bei den Grünen - wies darauf hin, dass die Diskussion, die nach dem "Schock in Thüringen" (Plasberg) geführt wurde, bei allem Beunruhigenden auch eine beruhigende Komponente gehabt habe: "Beruhigend war, dass Erfurt als Tabubruch bewertet wurde", sagte sie.

Weisband war es auch, die halbwegs ausgeruht das Gespräch auf die Hufeisentheorie lenkte, also auf die Gleichsetzung von Linkspartei und AfD als sich vermeintlich gleichende Ränder. Mit der Linken nicht zu kooperieren, sei für die CDU legitim, sagte sie, aber man müsse es inhaltlich begründen und nicht nur routiniert links und rechts in einem Atemzug ablehnen. Kramp-Karrenbauer sei letztlich "über ein Hufeisen gestolpert".

Dunz stellte den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU infrage, der eine Zusammenarbeit mit der Linken ausschließt. Röttgen argumentierte dagegen: "Ich glaube nicht, dass wir's ändern." Es gehe ja nicht um Bodo Ramelow, sagte er, sondern "wir reden über die Linkspartei". Die werde keineswegs mit der AfD gleichgesetzt, aber sie müsse eine "Auseinandersetzung mit ihrem Erbe beginnen".

An dieser Stelle, in dieser Frage, entstand eine jener Szenen des argumentativen Austauschs, die nicht in Einigkeit endete, aber eben doch der Orientierung diente. Eine Wohltat im Vergleich mit den jüngsten Talks mit AfD-Beteiligung, die dieser Tage in Geblöke mündeten. Gerade im Vergleich sah man, worin der Job von Talkredaktionen besteht: darin, ein Gespräch zu ermöglichen. Und nicht darin, Mikros an Leute zu verteilen, die nur zeigen wollen, wie man eines ruiniert.

Wer hat Chancen auf die Kanzlerkandidatur?
Und sonst? Insgesamt war die Sendung ein erster schneller Ordnungsversuch der Lage mit einem Schwerpunkt auf Personalspekulation. Ob Armin Laschet, Jens Spahn oder Friedrich Merz am ehesten für den CDU-Vorsitz geeignet seien, auf dieser Frage ritt Plasberg, der nach einer Krankheitspause zurück war, länger herum als nötig.

Politikwissenschaftler Korte behob die Angelegenheit mit einer Verfahrenseinschätzung: Würden die Mitglieder mitreden, die "in der Regel konservativer" seien, sehe er Chancen für Merz und Spahn. Auf dem Bundesparteitag jedoch habe Laschet seiner Einschätzung nach "die besten Karten".

297 Tage seien es bis dahin, rechnete die Redaktion vor. Zu viel Zeit, fand Röttgen und war mit der Einschätzung nicht allein. "Deutlich vor der Sommerpause" müsse das geklärt werden, sagte er. Die Zeit für weitere Talks zum Thema wird jedenfalls ausreichen. Wenn zwischendurch noch mal ein anderes Thema aufgegriffen würde, wäre es aber so schlimm dann auch nicht.

spiegel


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