Die EU wirft der Türkei vor, die Situation an ihrer Grenze zu Griechenland zu missbrauchen. EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn hat deshalb weitere EU-Finanzhilfen für die Türkei an Bedingungen geknüpft. "Wir erwarten, dass die erpresserische Politik Ankaras durch die Entsendung von Flüchtlingen in Richtung EU eingestellt wird", sagte Hahn der Zeitung "Welt". Die EU sei dann prinzipiell auch bereit, "weitere Finanzhilfen zur Unterstützung der Flüchtlinge in der Türkei bereitzustellen". Diese würden jedoch "deutlich geringer" ausfallen als im bisherigen EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei, kündigte Hahn an.
Auch künftig würden EU-Finanzhilfen an die Türkei "ausschließlich zweckgebunden und größtenteils via Hilfsorganisationen ausgezahlt", betonte Hahn. Er wies zudem darauf hin, dass der Bedarf der Türkei an Finanzhilfen kleiner geworden sei: viele Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser für Flüchtlinge seien bereits gebaut worden und müssten "nicht noch einmal finanziert werden".
Die EU dürfe zudem die Türkei nicht einseitig begünstigen. So müsste die EU auch Länder wie den Libanon und Jordanien "ausreichend" berücksichtigen, die "im Vergleich zur Bevölkerungszahl deutlich mehr Flüchtlinge" als die Türkei aufgenommen hätten. Der EU-Kommissar sagte weiter, die EU sei grundsätzlich bereit, den Wiederaufbau in der nordsyrischen Provinz Idlib und generell in Syrien finanziell zu unterstützen, "sofern es eine politische Lösung gibt".
Die EU und die Türkei hatten im März 2016 ein Flüchtlingsabkommen geschlossen, nachdem 2015 Hunderttausende Flüchtlinge über die sogenannte Balkanroute nach Mitteleuropa gekommen waren. Ankara verpflichtete sich, alle auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen sowie stärker gegen Schlepperbanden vorzugehen. Die EU versprach der Türkei Milliardenhilfen, Visa-Erleichterungen und die Modernisierung der Zollunion.
Vergangene Woche hatte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan nach der Eskalation der Lage in der nordsyrischen Provinz Idlib die Grenzen zur EU geöffnet. Griechische Sicherheitskräfte hinderten seitdem mit Gewalt und unter Einsatz von Tränengas Zehntausende Menschen daran, über die Grenze zu kommen.
Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis nannte den EU-Türkei-Flüchtlingspakt am Freitag "tot". Auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock erklärte das Flüchtlingsabkommen von 2016 für "gescheitert". Sie forderte in der "Rheinischen Post" ein "neues, rechtsstaatlich garantiertes Abkommen".
spiegel
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