Bund und Länder schwören Deutsche auf schwere Krise ein

  13 März 2020    Gelesen: 748
 Bund und Länder schwören Deutsche auf schwere Krise ein

Berlin (Reuters) - Bund und Länder haben die Deutschen am Donnerstagabend auf die Bewältigung einer “sehr schweren Herausforderung” durch die Coronavirus-Krise eingeschworen.

Die Ausbreitung des Coronavirus ist nach Ansicht von Kanzlerin Angela Merkel gravierender als die Finanzkrise. “Ganz besondere Situationen erfordern auch besondere Maßnahmen”, sagte sie nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten im Kanzleramt. Zusammen mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sowie Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) forderte sie, soziale Kontakte in den kommenden Wochen auf das Nötigste zu beschränken. Alle Veranstaltungen auch mit weniger als 1000 Teilnehmern sollten nach Möglichkeit entfallen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Söder deutete an, dass Bayern am Freitag zudem beschließen wird, alle Schulen und Kindergärten zu schließen. Nicht alle Länder wollen aber nicht so weit gehen. In zahlreichen Bundesländern kommen die Landeskabinette am Freitag zu Sondersitzungen zusammen, um zusätzliche Maßnahmen zu beschließen. Viele Beschränkungen sollen zunächst bis zum Ende der Osterferien gelten. Dann ist ein weiteres Spitzentreffen vorgesehen.

Bundesregierung und Ministerpräsidenten hatten am Donnerstag stundenlang über Maßnahmen debattiert, die auch in anderen EU-Staaten beschlossen wurde. In einem gemeinsamen dreiseitigen Papier werden dabei keine Reisebeschränkungen erwähnt. Erschwert wurde die Debatte dadurch, das die Länder zwar eine Bundes-Koordinierung möchten, aber gleichzeitig auf ihre Länderzuständigkeiten pochten. Auch Merkel betonte, dass Entscheidungen in Deutschland anders als in EU-Nachbarländern durch die föderale Struktur vorgeprägt seien. Am Freitag finden Treffen mit der Wirtschaft statt, um über Liquiditätshilfen zu reden. Der Bundestag will zudem das Kurzarbeitgeld beschließen.

“Wir sind in einer Situation, die außergewöhnlich ist in jeder Beziehung. Und ich würde sagen, außergewöhnlicher als zur Zeit der Bankenkrise”, betonte die Kanzlerin. Jetzt müssten Menschenleben gerettet werden und es gelte gleichzeitig die Wirtschaft am Laufen zu halten, sagte sie angesichts der steigenden Zahl an Infektionen und Toten. Deshalb sei die Debatte über Finanzen zweirangig. Es sei nicht das Thema, wie zum Schluss die Haushaltsbilanz aussehe. “Die Schuldenbremse im Grundgesetz sieht für außergewöhnliche Situationen auch Ausnahmen vor”, betonte sie auf die Frage, ob die Schuldenbremse eingehalten werden solle. Die Ausbreitung des Coronavirus sei ein großer Einschnitt, der Deutschland sehr viel abverlange. Auch Söder schloss sich dieser Position an: “Wir werden uns nicht an Buchhaltungsfragen orientieren, sondern daran, was Deutschland braucht”, sagte der CSU-Chef - “whatever it takes”. Er hatte zuvor die Krise ebenfalls mit der Finanzkrise verglichen.

Am strittigsten war die Frage, ob es eine Empfehlung des Bundes für eine flächendeckende Schließung von Schulen und Kindergärten geben soll. So wie zuvor Gesundheitsminister Jens Spahn warnte auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), dass die Situation in jedem Land und oft auch zwischen Städten und ländlichen Gebieten sehr verschieden aussehe. Man dürfe durch eine Entscheidung für alle nicht die Gesundheitsversorgung lahm legen, fügte er mit Blick auf die nötige Kinderbetreuung durch Eltern hinzu, die etwa im Krankenhaus arbeiteten. In dem gemeinsamen Text heißt es deshalb: “In Regionen und Bundesländern mit sich abzeichnendem dynamischen Ausbruchsgeschehen ist die Verschiebung des Semesterbeginns an den Universitäten sowie die vorübergehende Schließung von Kindergärten und Schulen, etwa durch ein verlängerndes Vorziehen der Osterferien, eine weitere Option.” Söder sprach davon, dass Lösungen “passgenau für Regionen und das ganze Land” gefunden werden müssten.

Tschentscher und Merkel betonten, dass die Zahl der verfügbaren Intensivbetten und Beatmungsgeräte deutlich erhöht werden müsse, um die erwartete größere Zahl an Patienten versorgen zu können. Dabei dürfe die normale medizinische Versorgung für Patienten mit anderen Krankheiten nicht eingeschränkt werden, mahnte Hamburgs Bürgermeister. Söder sagte, man wolle Zustände wie in italienischen Klinken vermeiden, wo man sich entscheiden müsse, wen man überhaupt noch behandelt könne und wen nicht mehr.

Die drei Politiker wiesen Kritik am deutschen Vorgehen in der Krise zurück. Es habe sich gezeigt, dass man durch frühzeitige Tests und die Isolierung von Infizierten besser dastehe als einige andere Länder, betont Tschentscher. Söder betonte, dass die Krise Deutschland in einer soliden finanziellen Lage erwische, so dass man reagieren könne. Die Hilfen für die Wirtschaft seien auch ein Signal an Kapitalgeber weltweit: “Wir bleiben im Spiel.”


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