Christo und Jeanne-Claude: Ihre frühen Pariser Künstlerjahre

  17 März 2020    Gelesen: 1532
Christo und Jeanne-Claude: Ihre frühen Pariser Künstlerjahre

Bis zum Tod seiner Frau waren Christo und Jeanne-Claude Künstler und Kunstwerk in einem. Ihre Verhüllungs-Projekte haben sie berühmt gemacht. Die große Christo-Ausstellung im Centre Pompidou ist erstmal abgesagt.

Mit aller Wucht trifft die Pandemie auch das Kulturleben von Frankreichs Hauptstadt Paris. Zuerst wurde der Louvre geschlossen, weil das Personal Angst hatte, sich mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 zu infizieren. Drei Tage später wurde das berühmte Museum wieder aufgemacht. Zahlreiche Buch- und Kunstmessen entschieden sich dafür, gar nicht erst zu eröffnen.

Sogar Frankreichs Kulturminister Franck Riester wurde positiv auf das Virus getestet. Viele Museen, wie das Kulturzentrum Centre Pompidou, kontingentierten ihre Besucherzahlen zunächst auf 1000 pro Tag und sorgten dafür, dass sich nicht zu viele Menschen gleichzeitig im Haus aufhielten. Am Samstag (14.3. 2020) schließlich schloss das Centre Pompidou doch vorsorglich seine Tore.

Damit verschiebt sich auch die groß angekündigte Ausstellung "Christo und Jeanne-Claude: Paris" im Centre Pompidou. Sie sollte der Blockbuster des Jahres werden, garniert mit einem weiteren Touristenmagneten: Zeitgleich hat der in Bulgarien geborene Künstler auch noch die spektakuläre Verpackung des Triumphbogens, des Arc de Triomphe, geplant. Ein lang gehegter Herzenswunsch, der noch aus der Zeit herrührt, als Christo in Paris lebte.

Christos Umzug nach Paris

Christo kommt 1958 in Frankreichs Hauptstadt an. Es ist die Zeit des Kalten Krieges, die ihn aus seinem Heimatland Bulgarien über Wien nach Paris flüchten lässt. Um in Paris zu überleben, hält er sich mit Jobs über Wasser. Er verdient sein Geld mit Autowaschen und Auftragskunst. Damals signiert er noch mit seinem Geburtsnamen: "Javacheff".

Eines Tages porträtiert er auch Jeanne-Claudes Mutter. Bei der Übergabe des Porträts der Ehefrau von General Jacques de Guillebon, dem Direktor der Pariser Eliteschule "École Polytechnique" für angehende Ingenieure lernt Christo Wladimirow Javacheff deren Tochter Jeanne-Claude kennen. Eine "extravagante Rothaarige, wie in Plastikfolie verpackt", wird er später über die attraktive Französin, die in Casablanca (Französisch-Marokko) geboren wurde, sagen. Beide haben am selben Tag, dem 13. Juni 1935, Geburtstag.

Bei ihrem ersten Treffen sind beide 23 Jahre alt. Christo und Jeanne-Claude verlieben sich, sie wollen heiraten. Doch dafür muss sich Jeanne-Claude erstmal von ihrem frisch gebackenen Ehemann Philippe Planchon scheiden lassen. Schon in den Flitterwochen ist sie von Christo schwanger. Ihr gemeinsamer Sohn Cyril kommt am 11. Mai 1960 zur Welt. Heiraten werden Christo und Jeanne-Claude erst am 28. November 1962 - gegen den Willen der Eltern der Braut.

Osmotische Beziehung in Leben und Kunst

1960 schließt sich Christo der von dem Kunsthistoriker Pierre Restany und dem Maler Yves Klein gegründeten Gruppe "Nouveaux Réalisme" (Neuer Realismus) an. Offizielles Mitglied wird er allerdings nie. Seine Leidenschaft im Umgang mit großen Stoffbahnen hat er übrigens aus Bulgarien mitgebracht: Während seiner Jugendzeit kam er durch die Fabrik seines Vaters mit Textilien in Kontakt und fertigte schon früh Zeichnungen von großen Stoffballen an.

Kurz nach seiner Ankunft in Paris beginnt der junge Künstler Christo Dosen und Flaschen zu verpacken, die er mit harzgetränkter Leinwand umwickelt, verschnürt und mit Leim, Firnis, Sand und Autolack behandelt. Er findet auch einen Unterstützer seiner Kunst: Der Kölner Kunstsammler Dieter Rosenkranz erkennt als erster sein Talent und kauft einige seiner Frühwerke.

"Eiserner Vorhang" in Paris

Mit ihrer Liebesbeziehung beginnt auch eine künstlerische Partnerschaft, die viele Jahre nur Christos Namen trägt. Dass die Projekte Jeanne-Claude dabei unterschlagen, hat strategische Gründe. Künstlerische Partnerschaften existieren in den 1960er Jahren so gut wie gar nicht. Frauen spielen in der Kunst insgesamt eine untergeordnete Rolle. Das Risiko, als Künstler-Paar nicht akzeptiert zu werden, ist ihnen schlicht zu groß.

Trotzdem durchläuft das Werk von Christo und Jeanne-Claude in den Pariser Jahren von 1958 bis 1963 eine der außergewöhnlichsten Entwicklungen. Das Paar verwandelt die Stadt und ihre Straßen in einen Ausstellungsort. In der Pariser Rue Visconti blockieren sie mit einem illegal errichteten Haufen Ölfässer die Straße. Eine Installation mit politischer Botschaft, die als Gesellschaftskritik am Kalten Krieg und auch am Bau der Berliner Mauer gemeint ist. Die erste gemeinsame künstlerische Intervention im Jahr 1962 trägt den Namen "Eiserner Vorhang".

Umzug nach New York

Auch als Christo und Jeanne-Claude 1963 nach New York umziehen, bleiben sie Paris eng verbunden. 1975 entsteht die Idee, die prestigeträchtigsten Brücken von Frankreichs Hauptstadt einzupacken. Es wird schließlich nur die Pariser Pont Neuf verhüllt. Ein Projekt, das erst nach zehn Jahren harter Überzeugungsarbeit bei Politikern und Anwohnern realisiert werden kann.

Erfahrungen dafür haben sie schon 1969 bei der Verhüllung eines Küstenstreifens von Australien gesammelt. Oder auch am 10. Oktober 1971, als sie einen orange gefärbten Vorhang ""Valley Curtain") in ein Tal der Rocky Mountains in Colorado in den USA hängen. Was allerdings beim ersten Mal scheitert und kurze Zeit später wiederholt werden muss.

Christo und Jeanne-Claude bleiben ein Paar - im Leben wie in der Kunst, bis zum Tod von Jeanne-Claude am 18. November 2009 im Alter von 74 Jahren. 51 Jahre lang arbeitete das berühmte Künstlerpaar Jeanne-Claude und Christo Seite an Seite – und auf Augenhöhe. Sie verhüllen Bäume im Central Park von New York oder 1995 den Reichstag in Berlin. Aber ihre gemeinsamen Anfangsjahre in Paris behalten eine hohe symbolische Bedeutung für ihr gesamtes Werk.

Verhüllung des Triumphbogens in Paris

Und jetzt soll neben der geplanten Ausstellung im Centre Pompidou, ein weiterer von Christos Pariser Träumen wahr werden: Im Herbst 2020 steht die Verpackung des Triumphbogens an, die sich der mittlerweile 85-Jährige  bereits Anfang der 1960er Jahre ausgedacht hatte. Damals lebte er in einer Wohnung in der Nähe des berühmten Wahrzeichens.

Den Termin jetzt im März – parallel zu der geplanten Ausstellung im Centre Pompidou – musste er verschieben. Nach dem Brand von Notre-Dame im April 2019 brütet der Turmfalke der berühmten Kathedrale im Arc de Triomphe. Deshalb musste die Verhüllung des Monuments zum Schutz der bedrohten Spezies verschoben werden.

Vom 19. September bis 4. Oktober 2020 wird das bekannte Wahrzeichen der Stadt - wenn alle Planungen termingerecht umgesetzt werden können - mit 25.000 Quadratmetern recycelbarem Polypropylengewebe in Silberblau eingepackt und mit einer 7000 Meter langen roten Kordel umschnürt. Auch dieses Christo-Projekt soll, wie alle anderen "Verpackungen" zuvor, vom Künstler allein durch den Verkauf seiner Collagen und Fotografien finanziert werden. Für seine öffentlichen Kunstprojekte erhält Christo bis heute keine öffentlichen oder privaten Mittel.

Deutsche Welle


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