Wie Restaurants in Zeiten von Corona kreativ werden

  28 März 2020    Gelesen: 939
Wie Restaurants in Zeiten von Corona kreativ werden

Die notwendigen Maßnahmen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, treffen die Gastronomie hart. Das hält die Betroffenen aber nicht davon ab, weiter zu machen.

Die Lieblingsbäckerei als neuer Lieferservice für Brot und Kaffee, Milch und Käse? Ein Sterne-Dinner zum Genießen für daheim? Biokisten von kleinen Produzenten, die sonst nur gehobene Restaurants beliefern? Um die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zu verhindern, müssen Cafés und Restaurants deutschlandweit geschlossen bleiben. Nun braucht es kreative Ideen, um zu verhindern, dass viele Cafés und Restaurants nach der Corona-Krise nicht wieder öffnen. Denn schon jetzt leben viele Gastronomen und Produzenten in Existenzangst. Und wie sich die Situation weiter entwickeln wird, weiß niemand.

Von Gutscheinen bis Take-away

Jetzt kaufen, später einlösen: Ein schnelles und beliebtes Mittel von Cafés und Restaurants ist es, Gutscheine zu verkaufen, um wenigstens kurzfristig Geld einzunehmen. Eine wirklich nachhaltige Lösung ist das aber nicht. Denn nach der Krise müssen immer noch die Gegenleistungen geliefert werden, sobald die Restaurants wieder geöffnet sind. Immer mehr Gastronomie-Betriebe setzen deshalb auf die Take-away-Option. Ihre Räume sind geschlossen, Gäste aus der Nachbarschaft können ihr Essen aber selbst abholen – und so ihre Lieblingsorte unterstützen. Doch dazu gehört es, kreativ zu sein. Ein Speiseangebot wie im normalen Restaurantbetrieb aufrecht zu erhalten ist weder finanziell, noch logistisch möglich.

Köchin Dalad Kambhu setzt mit ihrem Sternerestaurant „Kin Dee” in Berlin-Tiergarten auf ihre Spezialität: vier verschiedene Thai-Curry-Gerichte zum Mitnehmen. „Gerade in einer Krise wie dieser wollen die Menschen etwas Leckeres und Tröstendes essen”, sagt Kambhu. „Für uns geht es gerade nicht darum, damit wirklich Geld zu machen – wir brauchen einfach nur genug, um unseren Angestellten mehr als die 60 Prozent Kurzarbeitergeld zahlen zu können.”

Auch Ash Lee von „Chungking Noodles” in Berlin-Kreuzberg bietet ihre beliebten Chili-Nudeln nun zum Mitnehmen an – inklusive Anleitung zum Aufwärmen für zu Hause. Und die „Chocolaterie Amelie” in Garmisch-Partenkirchen verkündet auf Social Media: „Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.” Seit Montag gibt es den „Choco-Drive-By” – Schokolade zum Abholen mit dem Auto. In Frankfurt kann der Gast beim „Zum lahmen Esel” neuerdings ebenfalls vorfahren, um seinen Apfelwein plus frisch zubereiteter Speisen abzuholen.

Immer beliebter: Lieferdienste

Was in Zeiten von Quarantäne wohl am meisten Zukunft hat: Lieferdienste. Selbst bei Ausgangssperren in anderen Ländern wie Frankreich oder Spanien ist die Lieferung von Speisen und Produkten nach Hause noch erlaubt. Umso mehr stellen Cafés und Restaurants deutschlandweit auf Online-Bestellungen um. Die Kreuzberger Bäckerei „Albatross” hat sich dazu direkt mit mehreren Berliner Cafés und Produzenten zusammengetan: Gäste können im Onlineshop nicht nur Sauerteigbrot und Süßes kaufen, sondern auch Kaffee von „Isla Coffee”, Käse von „Alte Milch”, Naturwein von „Rocket Wine”, sowie Tee und CBD-Öl von „Companion”.

Die Bestellungen werden anschließend mit Lastenfahrrädern ausgeliefert. „Wir hatten schon länger diesen Traum, ein System aufzubauen, in dem zwischen uns und den anderen Produzenten keine übergeregelte Struktur steht, die Geld verdienen muss – sondern einfach nur ein Ökosystem, das sich selbst trägt, fair und voller Empathie. Wir sind optimistisch, dass wir damit einen Umsatz erreichen können, der den Unterschied zwischen Leben und Sterben macht.” Die gemeinsame Plattform soll auch nach der Krise weiter bestehen.

„Fine Bagels”, ein Café und englischer Buchladen in Berlin-Friedrichshain, liefert neben hausgemachten Bagels auch Bücher frei Haus für alle, die zusätzlichen Lesestoff bei der vielen Zeit zu Hause brauchen können. In Stuttgart bietet das „Gasthaus zur Linde” seine beliebten Maultaschen ab sofort ebenfalls zum Kochen für daheim an.

Sternerestaurants wie das Berliner „Nobelhart und Schmutzig” oder das „Haus Stemberg” in Velbert bieten gleich ein mehrgängiges Menü an: Sterne-Gastronomie für zu Hause! Während die Gäste im Restaurant an einem Abend gut und gerne zwei bis drei Stunden am Tisch verbringen, soll das Sterne-Erlebnis nun direkt auf dem Küchentisch möglich werden: „Wir bieten den Leuten weiterhin die Möglichkeit, mal eine Stunde abzuschalten – aber jetzt eben bei ihnen daheim. Wir kochen das Essen vor, sie müssen es nur noch aufwärmen, können sich eine Kerze dazu bestellen und bekommen Musikvorschläge”, so Gastronom Billy Wagner von „Nobelhart und Schmutzig”.

„Das gibt uns zum einen die Möglichkeit, die Produkte, die wir vorrätig haben, zu verwenden und zum anderen den Kontakt zu unseren Erzeugern, denen zurzeit die Vertriebswege wegbrechen, aufrecht zu erhalten.” Wieder andere Restaurants fokussieren sich auf das Liefern von Biokisten ihrer sorgfältig ausgewählten Produzenten, wie es das „Ernst” in Berlin macht oder das „100/200” in Hamburg – von Gemüse und Obst bis hin zu Milch und Käse gibt es alles Nötige für die Verpflegung zu Hause.

Bei all den Initiativen, die momentan deutschlandweit aus dem Boden sprießen, gilt: #supportyourlocal – denn nur wer bei kleinen Unternehmen aus der näheren Umgebung einkauft, hilft dabei, die lokale Gastronomie-Szene am Leben zu erhalten.

#kochenfürhelden

Aber nicht nur die Gäste können die Restaurants unterstützen; die Restaurants selbst helfen in der Corona-Krise aus. Koch Max Strohe und sein Team vom Berliner Sternerestaurant „Tulus Lutrek” machen es vor: Unlängst haben sie für das Team des Kreuzberger Urban-Krankenhauses Gulasch gekocht. „Nach ein paar Tagen Schließung ist uns die Decke auf den Kopf gefallen”, sagt Strohe. Also haben sie das gemacht, was sie am besten können: „Gerichte kochen, die gesund und nachhaltig sind und satt machen.”

Seit Montag gibt es das Crowdfunding-Projekt auf Startnext: Unter #kochenfürhelden wird Unterstützung gesammelt, um weiterhin für all die Helfer zu kochen, die an vorderster Front gegen Corona kämpfen: von Ärzten und Ärztinnen über Pfleger und Pflegerinnen bis hin zu Supermarktangestellte. Was in diesen Tagen Hoffnung macht? Die Art und Weise, wie sich die Gastro-Branche zusammentut, um sich gegenseitig zu unterstützen – und gemeinsam Forderungen an die Politik zu stellen.

Die Politik muss helfen – und zwar schnell

Denn es braucht vor allem eines: Soforthilfen für die Restaurants. Eine der ersten Petitionen wurde von der Hamburger Gastro-Szene ins Leben gerufen – von Koral Elci von „Kitchen Guerilla", Johannes Riffelmacher von „Salt & Silver" und Patrick Rüther von der „Bullerei". Mehr als 100 Restaurants haben den Brief an die Stadt Hamburg unterzeichnet, mittlerweile schließen sich immer mehr Restaurants auch bundesweit. an. „In solchen Situationen gibt es zwei Gruppen: Entweder hast du Macht und Mittel oder du bist schnell und kreativ! Wir gehören zur Gruppe schnell und kreativ”, sagt Elci. Die Forderungen der Restaurants sind unter anderem die „sofortige und 100-prozentige Kostenübernahme aller Bruttogehälter (Vollzeit und Teilzeit), Fortzahlungen aller ausgefallenen Arbeitsstunden für unsere Minijobber*innen und studentischen Aushilfen, [sowie] Steuernachlässe anstelle von Stundungen und Aufschiebungen.” Je schneller die Politik Entscheidungen trifft, desto besser.

„Wir schreiben aber nicht nur Briefe, sondern schaffen auch Tatsachen.” So hat „Kitchen Guerilla” die „Soli-Küche” gestartet – um Obdachlosen und weiteren bedürftigen Menschen eine warme Mahlzeit in Zeiten der Corona-Krise zu ermöglichen. Zusammen mit weiteren Köchen wie Tim Mälzer hat die Initiative nach dem Berliner Vorbild von Max Strohe und dem „Tulus Lutrek” den Hamburger Ableger von #kochenfürhelden gestartet. Und die Nachfrage wird immer größer: Nachdem auch die Kantinen geschlossen sind, wenden sich immer mehr Corona-Teststationen und Hygieneinstitute an die Restaurants. Von München über Mainz und Frankfurt bis nach Istanbul schließen sich dieser Tage immer mehr Restaurants für den guten Zweck zusammen.

faz.de


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