Hiddensee ist nicht für jeden

  19 Februar 2016    Gelesen: 1129
Hiddensee ist nicht für jeden
Schon die Anreise entspannt: Da Hiddensee eine Insel ist und autofrei, kommt man nur per Fähre hin. Große Unterhaltung bekommt man auf der Insel nicht geboten, dafür aber etwas viel Besseres.
Hiddensee … häufig wird der Name voller Sehnsucht ausgesprochen. Die kleine Insel in der Ostsee, links neben Rügen, kann auch wirklich sehn-süchtig machen. Wer einmal hier war, kommt immer wieder – oder nie mehr. Denn es gibt durchaus Menschen, die Hiddensee als langweilig und unspektakulär empfinden: Die Insel bietet so gar keinen Badeort-Glamour, es gibt keine Shoppingmeile und auch eine große Diskothek oder andere "Party-Locations" sucht man vergebens. Man kann nicht mal mit dem Cabrio oder Motorrad über die Insel brausen – denn Hiddensee ist, von ein paar Ausnahmen wie Arzt, Polizei und Handwerkern mal abgesehen, autofrei. Nur Fahrräder, Pferdekutschen oder Fußgänger sind unterwegs.

Was macht die Insel also so besonders? Zum großen Teil genau das – die Abwesenheit von aufgeregtem Urlaubsbetrieb. Natürlich gibt es eine Strandpromenade – hoch oben auf der Düne: auf der einen Seite der erhabene Blick auf die Ostsee, auf der anderen Hagebutten- und Sanddornsträucher, dahinter – in einigem Abstand - die Häuser in begehrter Strandlage. Aber der Weg ist holprig, der Asphalt schlägt Blasen und ist besonders an den Übergängen voller Sand, so dass der Radfahrer, der sich sowieso schon um die Fußgänger herumschlängeln muss, zusätzlich ins Schlingern kommt. Kein Boulevard, eher ein Schlender-Weg – dafür mit grandiosem Draufblick auf das Wasser.

Keine Ablenkung vom Wesentlichen

Auch große Wellnessoasen sucht man vergebens – die Insel selber ist ja eine. Frei von derlei Ablenkung kann man sich also ganz dem Eigentlichen hier widmen: dem Meer, dem Wind, den unzähligen Vögeln, den blühenden Wiesen, der hügeligen Landschaft oben im Dornbusch oder der Dünenheide zwischen Vitte und Neuendorf. Oder aber natürlich – großer Auftritt: dem Strand! Hiddensee, sehr lang und schmal von Gestalt, hat an seiner Ostseeseite mehr als zehn Kilometer davon. Im Norden, vor Kloster, ist er wegen der nahen Steilküste recht steinig, aber je weiter man nach Süden kommt, schon ab Vitte, ist der Sand weiß, weich und steinfrei – ein Traum.

Wer nicht an den Strand will oder von ihm genug hat, wandert die Steilküste entlang, die Hiddensee im Norden begrenzt. Hier schlägt das Herz eines jeden Hobby-Geologen höher, denn hier hat die Eiszeit ihre deutlichen Spuren hinterlassen, etwa in Form vieler bunter, ausgefallen gemusterter Steine in allen Größen. Auch der eine oder andere "Donnerkeil" und andere Versteinerungen lassen sich hier finden und Bernsteinsucher kommen ab und zu auf ihre Kosten.

Ein beliebtes Mitbringsel ist der "Hühnergott", kleine oder größere Feuersteine mit Loch. Zur Herkunft des Namens gibt es mehrere Erklärungen – eine besagt, dass früher Hühnern die Steine ins Nest gelegt wurden, um ihre Legefreudigkeit zu erhöhen. Es heißt auch, die durchlöcherten Steine wurden in den Hühnerstall gehängt, um böse Geister fernzuhalten. An anderer Stelle wird ein Zusammenhang mit Hünen und Hünengräbern hergestellt. Heute werden die kleinen Hühnergötter gern an einem Band um den Hals getragen oder einfach als Glücksbringer in der Tasche.

Hügeliger Dornbusch

Die wohl spektakulärste Landschaft Hiddensees ist der Dornbusch, der hügelige nördliche Teil der Insel, der sich auf über 70 Meter erhebt. Hoch oben auf dem "Schluckswiek" thront das Wahrzeichen der Insel, der 28 Meter hohe Leuchtturm. Wer die 102 Treppen nicht scheut, kann ihn besteigen und wird für die Mühe reichlich belohnt - mit einem wahrlich atemberaubenden Blick über die ganze Insel, über Dornbusch und Bessin.

Bei guter Sicht erkennt man im Süden die beeindruckende Silhouette von Stralsund mit den riesigen Kirchen, der Volkswerft und der im Jahr 2007 fertiggestellten schönen Rügenbrücke. In nördlicher Richtung, etwa 52 Kilometer entfernt, liegt die dänische Insel Møn. Auch ihre bis zu 130 Meter hohen weißen Kreideklippen kann man bei klarem Himmel sehen - zu DDR-Zeiten ein Blick voller Sehnsucht in den fast unerreichbaren Westen und auch Ziel von Fluchtversuchen, ob mit Surfbrett oder Luftmatratze oder ganz einfach schwimmend.

Eine andere Besonderheit Hiddensees: die Dünenheide, die letzte große Küstenheide an der deutschen Ostsee. Sie liegt in der Südhälfte der Insel, zwischen Vitte und Neuendorf, und entfaltet einen ganz besonderen Reiz: große Sanddünen, mit Heidekraut und knorrigen Kiefern bewachsen - und wenn man zur richtigen Jahreszeit kommt, kann man sich an vielen Stellen mit Heidel- und Brombeeren satt essen.

Wer nicht nur den Anblick der Natur genießen, sondern mehr über die Tier-, Pflanzen- und Bodenwelt Hiddensees erfahren will: In Zusammenarbeit mit der Nationalparkverwaltung und auch von einigen Insel-Experten werden auf Hiddensee naturkundliche Führungen angeboten.

Kultur gibt`s auch

Wer aber Abwechslung von der reinen Natur sucht, findet sie auch hier – allerdings eher in Form von Kleinkunst oder gutbürgerlich-bildungsbürgerlichen Veranstaltungen. Da gibt es etwa das Gerhart-Hauptmann-Haus im nördlich gelegenen Kloster. Das Haus, in dem der berühmte Dichter und Nobelpreisträger einige Jahre lebte, kann man besichtigen, zudem werden Veranstaltungen wie etwa Klavierkonzerte oder Stummfilmabende angeboten. Ein kleines Sommertheater steht hier auch: Die Seebühne in Vitte zeigt beispielsweise Goethes "Faust" mit Marionetten oder eine "szenische Collage" über das Leben der Stummfilmdiva Asta Nielsen.

Auch die Dänin, die einmal schrieb "Nirgends ist man so jung, so froh und so frei wie auf dieser schönen Insel", besaß auf Hiddensee ein Haus, das sie "Karusel" nannte (dänisch für Karussell), da das Haus eine etwas rundliche Form hat. Der Dichter Joachim Ringelnatz war hier oft zu Gast (wovon unter anderem auf der Insel als Postkarte erhältliche originelle Fotos zeugen). Es kann seit einiger Zeit im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Die Lage und die Architektur des Hauses sind außergewöhnlich und machen neidisch, auch das Innere ist interessant. Das Haus wurde jüngst renoviert und erstrahlt nun in neuem Glanz.

Viele berühmte Liebhaber

Auch andere berühmte Persönlichkeiten – Dichter, Maler, Wissenschaftler und andere – wussten die Schönheit und Besonderheit Hiddensees zu schätzen und hielten sich hier, oft mehrmals oder sogar dauerhaft, auf. Einige sind gar auf dem Inselfriedhof in Kloster neben der Kirche begraben, so etwa der Opernregisseur Walter Felsenstein. Er besaß ein Landhaus am Ortsrand von Kloster.

Einer der berühmtesten Gäste, der die deutlichsten Spuren hinterlassen hat, ist der bereits erwähnte Schriftsteller Gerhart Hauptmann. Er wohnte ab Ende des 19. Jahrhunderts jeden Sommer in einem Gasthof beziehungsweise Pension in Vitte und Kloster, bis er schließlich 1929/30 das Haus "Seedorn" in Kloster kaufte, um dort eine dauerhafte eigene Bleibe zu haben. Hauptmann ist auf dem Inselfriedhof begraben. Dort findet man auch das Grab der Tänzerin und Tanzpädagogin Gret Palucca. Sie kam kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs erstmals nach Hiddensee. Seit den 1960er Jahren besaß sie ein Sommerhaus in Vitte. Sie wurde 1993 auf dem Inselfriedhof beerdigt.

Auch Albert Einstein war seit 1919 mehrmals auf Hiddensee. Er besuchte dabei auch die Vogelwarte der Universität Greifswald in Kloster, worauf sogar mit einer Gedenkplatte hingewiesen wird: "Hier weilte Albert Einstein mehrfach während seiner Besuche auf Hiddensee." Und Hans Fallada schrieb 1933 in Neuendorf im Gasthaus Freese (später "Hotel am Meer", derzeit leerstehend) seinen berühmten Roman "Kleiner Mann, was nun?"

Wer mehr erfahren will: Führungen zu Berühmtheiten auf der Insel und zu anderen Hiddensee-Themen bietet unter anderem Marion Magas an. Da gibt es die "Wanderung auf den Spuren der Wissenschaftler" oder "Auf den Spuren der Malweiber", aber auch einen "Spaziergang durch die Hiddenseer DDR-Geschichte", ebenso eher landschaftlich bezogene Wanderungen wie die "Entdeckungsreise durch die Inselgeschichte" oder den "Heidespaziergang im Dämmerlicht" - hierbei geht es um das Thema "Heidelandschaft und Kunst". Zum Abschluss gibt es immer eine kleine, heitere Geschichte und einen selbst gemachten Sanddornlikör.

Marion Magas kennt sich gut aus auf der Insel. Sie kam als Kind hierher, ist hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Ihre Liebe zur Insel drückt sich auch in den Büchern aus, die sie zu Hiddensee herausgegeben hat, so zum Beispiel "Hiddensee - Versteckte Insel im verschwundenen Land". Darin finden sich "DDR-Zeitzeugnisse von Inselfreunden und Lebenskünstlern". Im Band "Wie sich die Malweiber die Ostseeküste eroberten" werden, wie in der oben erwähnten Führung, Künstlerinnen des Hiddenseer Künstlerinnenbundes vorgestellt.

Wer also für den Urlaub keine Party-Insel sucht, keine Einkaufsmeile braucht und mal keine Autos sehen, hören und riechen will, der ist hier genau richtig. Und Sonnenanbeter auch, denn auf Hiddensee scheint überdurchschnittlich häufig die Sonne. Im Jahr 2008 war der Dornbusch laut Wetterstatistik mit 2168 Stunden sogar der sonnigste Ort in ganz Deutschland.

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