Aus Merkels Sicht kann es nur besser werden.
Es ist etwa 2.30 Uhr am Freitagmorgen als Merkel den Presseraum im Brüsseler Ratsgebäude betritt. Vorausgegangen waren sechsstündige Beratungen über die Flüchtlingskrise; sie zeigten die Zerrissenheit der Europäer. Es soll laut geworden sein.
Merkel, das macht sie schnell klar, will zumindest grob bei ihrer Linie bleiben - die Flüchtlingskrise soll vor allem mit Hilfe der Türkei gelöst werden. "Wir haben den Türkei-Aktionsplan nicht nur bekräftigt, sondern gesagt: Er ist unsere Priorität bei der Umsetzung der Ziele", sagte Merkel. "Wie fällt die Bewertung aus? Gehen wir diesen Weg weiter? Ich muss das für mich eindeutig mit Ja beantworten."
Die Hoffnungsschimmer
Alles weitere dann auf einem weiteren Gipfel, "in etwa 14 Tagen", wie Merkel sagt. Der Termin dürfte nicht ganz zufällig gewählt sein. Eigentlich wollten sich die Staats -und Regierungschefs erst am 18. März wieder treffen. Doch das ist dummerweise nach den wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Merkel will den CDU-Wählern aber zuvor Erfolge vermelden.
Es gibt Hoffnungsschimmer, zumindest wenn man der deutschen Kanzlerin glaubt. Die Hotspots auf den griechischen Inseln kämen in Gang, sagt sie, und immerhin sei die Zahl der Flüchtlinge, die auf den griechischen Inseln ankommen, von Dezember bis Februar zurückgegangen: von durchschnittlich 3000 am Tag auf 1300. Wahr ist allerding auch, dass während des Gipfels neue Zahlen der EU-Grenzschutzagentur Frontex bekannt wurden. Stand 18. Februar sind am Vortag exakt 3653 Flüchtlinge in Griechenland angekommen, für den Winter eine gewaltige Zahl.
Viele bleiben daher skeptisch, was Willen und Fähigkeit der Türkei angeht, den Europäern zu helfen. Vor allem einige osteuropäische Staaten würden ihre Grenzen am liebsten ganz schließen. Und auch Österreich lässt sich nicht beirren und bleibt bei seiner Entscheidung, künftig pro Tag nur noch 80 Asylbewerber ins Land zu lassen. Der Rest wird weiter nach Deutschland durchgewunken. Merkel ist darüber nicht glücklich, um es zurückhaltend zu formulieren: "Dies ist eine Entscheidung Österreichs", sagt sie spitz. "Sie hat manchen überrascht, insbesondere an der Westbalkanroute."
Österreich frustriert seine Partner
Beim Abendessen (Kabeljau-Lende im Bierteig) bekam der österreichische Kanzler Werner Faymann den Frust einiger Länder an der Westbalkanroute persönlich ab. Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras zürnte. Er fürchtet, völlig zurecht, dass sein Land der große Verlierer ist, wenn die Flüchtlinge nicht mehr einfach bis nach Deutschland kommen können. Auch Matteo Renzi, der italienische Regierungschef, war mal wieder sauer, so ist zu hören. Er griff die osteuropäischen Staaten an. Sie sollten endlich Flüchtlinge aufnehmen, oder die EU-Nettozahler würden finanzielle Konsequenzen ziehen.
Merkel hält von solchen Drohgebärden nichts. Sie setzt große Erwartungen auf den Einsatz von Nato-Schiffen, die der türkischen Küstenwache dabei helfen sollen, Schlepper und Flüchtlingsboote aufzuspüren. Dadurch werde "bei der Überwachung eine qualitative Verbesserung eintreten", sagt Merkel. "Anfang März werden wir die ersten Eindrücke haben, das ist eine wichtige Bilanz für uns. Wir alle wissen, dass der Frühling kommt."
Merkels Agenda
Eine Kurskorrektur der Kanzlerin lässt sich allerdings bei der Frage der Umsiedlung von Flüchtlingen erkennen. Anders als noch vor wenigen Wochen steht sie nicht mehr ganz vorne auf Merkels Agenda. Ganz aufgegeben hat sie die Idee aber nicht. Sollte die Zahl der Flüchtlinge zurückgehen, müsse über Wege legaler Migration nachgedacht werden.
Gemeint ist die Umsiedlung von Flüchtlingen direkt aus der Türkei nach Europa, in Länder, die dabei mitmachen wollen. Äußerungen aus Österreich, wonach Merkels sogenannte Koalition der Willigen gar nicht mehr existiere, wies Merkel zurück. "Ich habe mit dem österreichischen Bundeskanzler nicht über das Ende der Koalition der Willigen gesprochen."
An diesem Freitag geht es in Brüssel mit dem nächsten Streitthema weiter: den Beratungen zum Thema Brexit.
Tags: