Eine Impfung gegen eine Sars-CoV-2-Infektion ist noch lange nicht absehbar, auch die geplante Tracking-App fehlt noch. Solange die Infektionszahlen in großen Teilen der Welt wie den USA, Brasilien oder Russland aber stark steigen, gibt es viele Erkrankte, die medizinische Hilfe brauchen - oft auch auf Intensivstationen. Das überfordert mitunter die Gesundheitssysteme.
Umso dringender suchen Forscher weltweit nach Arzneien, mit denen sich die Erkrankung behandeln und bestenfalls besiegen lässt. Das Ebola-Medikament Remdesivir etwa machte vergangene Woche Schlagzeilen, weil Betroffene nach der Einnahme schneller wieder gesund wurden. Kurz darauf erlaubten die USA den Einsatz des Mittels bei Covid-19-Patienten im Krankenhaus. Das Malariamedikament Hydroxychloroquin hingegen wirkt vermutlich nicht gegen Sars-CoV-2.
Wissenschaftler in Hongkong berichten jetzt, dass sie Covid-19-Patienten erfolgreich mit einem Cocktail aus drei anderen Medikamenten behandelt haben. Es habe sich gezeigt, dass die Kombination der verschiedenen Wirkstoffe bei Patienten mit einem milden bis moderaten Krankheitsverlauf die Anzahl der Viren im Körper schnell verringere, schreibt der Mikrobiologe Kwok-Yung Yuen in der Studie, die das Fachmagazin "The Lancet" am Freitag veröffentlicht hat. Es müsse aber noch untersucht werden, ob dies auch bei schwer erkrankten Corona-Patienten der Fall sei.
Kombination aus Arzneien gegen HIV, MS und Hepatitis
An der Studie hatten 127 Corona-Infizierte in sechs verschiedenen Krankenhäusern in Hongkong teilgenommen. 86 von ihnen erhielten den antiviralen Medikamentencocktail bestehend aus dem unter anderem zur Behandlung von Multipler Sklerose eingesetzten Mittel Interferon beta-1b, der gegen HIV eingesetzten Wirkstoffkombination Lopinavir/Ritonavir sowie dem Hepatitis-Medikament Ribavirin. Die übrigen 41 Studienteilnehmer erhielten nur das HIV-Mittel Lopinavir/Ritonavir.
Eine Placebogruppe als Kontrolle gab es in der aktuellen Studie nicht. Eine im "New England Journal of Medicine" am Donnerstag veröffentlichte Studie hatte allerdings gezeigt, dass die HIV-Medikamente keinen weiteren Vorteil bieten im Vergleich zur Standardbehandlung, zu der etwa die Sauerstoffgabe und weitere intensivmedizinische Maßnahmen gehörten.
In Hongkong begann die Therapie im Schnitt fünf Tage, nachdem die Patienten erste Symptome einer Covid-19-Erkrankung zeigten. Später als sieben Tage nach Symptombeginn setzten die Ärzte die Triple-Therapie nicht ein, da von Interferon beta bekannt ist, dass es einen sogenannten proinflammatorischen Effekt haben kann, eine Entzündung im Körper also sogar noch verstärken kann. Wer welche Therapie erhielt, wurde nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, die Autoren geben an, keine Interessenkonflikte zu haben.
Bei den mit der Medikamentenkombination behandelten Studienteilnehmern fielen die Nasen-Rachen-Abstriche auf das Coronavirus im Schnitt nach sieben Tagen negativ aus. In der Kontrollgruppe dauerte dies laut der Studie durchschnittlich zwölf Tage. Das beweist allerdings nicht, dass die Viren auch aus dem Körper verschwunden sind. Doch auch die Krankheitssymptome verschwanden mit Hilfe des Medikamentencocktails bereits im Schnitt nach vier Tagen und damit doppelt so schnell wie bei den übrigen Patienten.
Den Autoren zufolge kam es in beiden Gruppen gleichermaßen nur zu leichten Nebenwirkungen. Dazu zählten etwa Übelkeit und Schwindel. Die Symptome bildeten sich dem Bericht zufolge von allein wieder zurück. Allerdings gab es eine Ausnahme: In der Kontrollgruppe, die nur das HIV-Medikament erhielt, erlitt ein Proband eine Leberentzündung. Da eine Hepatitis eine bekannte, häufige Nebenwirkung der Arznei ist, musste der Patient die Therapie beenden.
Die Studie liefere "frühe, aber wichtige" Erkenntnisse, schreiben die Autoren. Problematisch sei allerdings, dass eine Placebogruppe als Kontrolle gefehlt habe. Außerdem seien weitere klinische Tests mit mehr Teilnehmern wichtig, um den Erfolg der Therapie zu bestätigen.
Die Untersuchung gibt zudem keine Auskunft darüber, ob die Medikamentenkombination auch Patienten mit einem schweren Verlauf hilft. Für sie wäre eine wirksame Behandlung sowohl für die individuelle Genesung als auch für die Entlastung des Gesundheitssystems besonders wichtig.
Ob es wiederum bei milden Verläufen ratsam ist, eine Triple-Therapie einzusetzen, die - auch wenn es in der aktuellen Studie nur wenig Nebenwirkungen gab – auch unterwünschte Folgen mit sich bringt, muss abgewogen werden. Eine wirksame Therapie ist daher auch mit dieser Untersuchung nicht gefunden, einer von vielen wichtigen Schritten auf dem Weg dahin ist allerdings schon getan.
spiegel
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