Nach den ersten Lockerungsmaßnahmen in der Coronavirus-Krise hat der Handel seine Türen wieder weitgehend geöffnet. Doch die Verbraucher scheinen zunächst Vorsicht und Sparsamkeit walten zu lassen. Das behagt der Wirtschaft wenig. Hier setzt die aktuelle Sendung von "Hart aber fair" an. Unter anderem geht es um die Frage, ob Prämien und Steuerschenkungen die Wirtschaft nachhaltig ankurbeln können.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU, die Linke-Chefin Katja Kipping, der Vizepräsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Thomas Meyer, die Eventmanagerin und Mitinhaberin eines Unternehmens für Veranstaltungstechnik Sarah Stücker und die Klima-Aktivistin Carla Reemtsma diskutieren in der Talksendung, wie sich das landesweite Wirtschaftsklima positiv entwickeln kann.
Nachhaltige Konjunkturprogramme, eine Stärkung der Binnenkraft und gesellschaftliche Gerechtigkeit - mit diesen Forderungen geht die Klima-Aktivistin Reemtsma in die Diskussion. Übergeordnet fordert sie zukunftsorientierte Wachstumspotentiale, die den Klimawandel berücksichtigen. Wirtschaftsminister Altmaier entgegnet, dass sich die Bundesregierung darüber einig sei, bis Juni einen Plan zu haben, wie das Wirtschaftswachstum gesichert werden kann. An erster Stelle stehe die Wirtschaftlichkeit aller Maßnahmen.
Reemtsma äußert ihren Unmut darüber, dass die Autoindustrie und Luftfahrt gefördert werden sollen, die öffentlichen Verkehrsmittel jedoch, die auch unter der Krise leiden, nicht öffentlich zur Debatte stünden: "Die Zukunft ist eine Verkehrswende, die mehr ist als nur eine Antriebswende." DIHK-Vizepräsident Meyer pflichtet ihr bei und versichert, dass genau das aktuell passiere. Demnach werde in allen Bundesländern mit der Bundesregierung über diese Themen gesprochen. Alle Seiten seien sich bewusst, "dass es morgen anders weitergehen muss als da, wo wir vor Corona aufgehört haben", so Meyer.
Die Linke-Vorsitzende Kipping schließt sich der Klima-Aktivistin an und fordert ein sozialökologisches Umsteuern. Ihre Sorge bestehe vor allem darin, dass sich am Ende diejenigen durchsetzen werden, die sich die beste Lobby leisten können. Vor allem befürchte sie, die Autolobby könne von der Krise und von Rettungsmaßnahmen der Regierung profitieren. Diese Sorge beruht auf dem Vorschlag, für ein neues Wirtschaftswachstum Kaufprämien für die Autoindustrie einzuführen. Deshalb fordert Kipping, die Verkehrswende zu durchdenken. "Wenn wir Geld in die Hand nehmen, dann eher für die Forschung und nicht nur in die Antriebstechnologie", sagt sie. Demnach wünsche sie sich, dass vor allem die umweltfreundlichen Verkehrsmittel gestärkt werden.
Altmaier räumt ein, dass erste Steuerschätzungen nicht ermutigend seien. "Wir werden erleben, dass das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr um mindestens sechs Prozent zurückgehen wird." Dadurch werde weniger Geld in den Sozialkassen sein, so der Bundeswirtschaftsminister. Er spricht von einem Minuswachstum oder Nullwachstum, wenn man die Nachhaltigkeit in den Vordergrund stelle. "Wir haben gelernt, wenn eine Wirtschaft nicht wächst, dann sind die Ärmsten Diejenigen, die am höchsten die Zeche zu zahlen haben", so Altmaier. Kipping entgegnet darauf, dass es sich dabei nicht um einen Automatismus handele, sondern dies im engen Zusammenhang dazu stehe, wie die Politik steuert.
Altmaier fordert auf diese Kritik hin eine Beteiligung mit Vorschlägen aus der Runde. Kipping wartet prompt mit dem Vorschlag auf, dem Beispiel Dänemarks zu folgen. Das Wirtschaftskonzept des nördlichen Nachbarlandes sieht eine staatliche, jedoch nicht bedingungslose Unterstützung vor. So hat Dänemarks Regierung den Unternehmen, welche jetzt noch Dividenden ausschütten und Boni zahlen, direkte Hilfsmittel verweigert. "Das finde ich vollkommen richtig, weil am Ende bedeutet Dividendenausschüttung, dass die Aktieninhaber erst noch absahnen und dann kommt der Steuerzahler und bezahlt", sagt Kipping.
Die Linke-Vorsitzende wirft der Bundesregierung vor, später wieder in den Modus der Schuldenbremse gehen zu wollen "und das bei sinkenden Steuereinnahmen". Zudem befürchtet Kipping Kürzungen in den Bereichen Bildung und Kultur, dem Sozialbereich und womöglich auch im Umweltschutz. Deshalb fordert sie klare Ansagen für Unternehmen. Darüber hinaus schlägt sie vor, die Reichsten der Gesellschaft zur Kasse zu bitten: Von dem einen Prozent, der die reichste Oberschicht ausmacht, verlangt sie eine Abgabe von zehn Prozent des Vermögens. Damit solle verhindern werden, dass die Geringverdiener mit weiteren Steuerabgaben auf das ohnehin niedrige Einkommen rechnen müssen.
Unterstützung der Geringverdiener
Ein weiterer Diskussionsvorschlag in der Sendung ist der Einsatz von Einkaufsgutscheinen für den Einzelhandel oder sogenannte Corona-Schecks für jeden in Höhe von 250 bis 500 Euro. Was den Einzelhandel erfreuen dürfte, stößt in der Runde auf Unverständnis. Die Eventmanagerin Stücker kann bei diesem Vorschlag nur lachen. Ihrer Meinung nach kann ein Gutschein keine Lösung sein, schließlich wisse niemand, wie langer der "ganze Spuk" noch dauern wird. "Wer will da schon Investitionen tätigen?", fragt sie. Auch die Klima-Aktivistin Reemtsma sieht darin keine bahnbrechende Konjunkturmaßnahme, aber zumindest eine Unterstützung für den kleinen Einzelhandel.
DIHK-Vize Meyer will die Wirkungen erst einmal abwarten und verweist darauf, dass der Einzelhandel gerade erst wieder geöffnet habe. "Wir wissen, dass der Einzelhandel zum Leben zu wenig hat und zum Sterben zu viel", so Meyer. Zudem erklärt er, dass noch einiges zum Thema Einkaufserlebnis erfüllt werden müsse. Dabei sei auch die Gastronomie einzubeziehen. Kipping fordert abschließend insbesondere die Unterstützung der Geringverdiener. Statt an alle einen Gutschein zu verteilen, schlägt sie die Stärkung der niedrigen Einkommen und das Erhöhen der Sozialleistungen und der Renten vor. So solle das Konsumverhalten und das daraus resultierende Wirtschaftswachstum erhöht werden.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen oder Rettungspakete für kleine und mittelständische Unternehmen kommen, trotz dahingehender Zuschauerfragen und des Bemühens von Moderator Frank Plasberg, in dieser Diskussion nur kaum zur Sprache.
ntv
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