Wir müssen testen, testen, testen - das war und ist das Credo von Experten in der Corona-Pandemie. Und das hat einen guten Grund: Tests auf das neue Coronavirus sind bei allen Unsicherheiten in der Statistik die einzige Möglichkeit, sich einen Überblick über die Ausbreitung des Erregers zu verschaffen. Außerdem helfen sie, lokale Ausbrüche frühzeitig zu erkennen und einzudämmen.
Labors in Deutschland haben in der bisherigen Hochphase des Ausbruchs deshalb großzügig Testkapazitäten freigeräumt. Seit Mitte März werden hierzulande jede Woche mehr als 300.000 Menschen auf eine akute Infektion mit dem neuen Erreger untersucht. Bei der Frage, wie viel getestet werden kann, kommt es allerdings nicht nur auf die Kapazitäten an, sondern auch auf die Verfügbarkeit sogenannter Reagenzien. Forscher wollen diese Abhängigkeit nun mithilfe der Genschere Crispr beenden.
Reagenzien sind spezielle Chemikalien, mit deren Hilfe im Labor beispielsweise typische Genabschnitte für das Coronavirus sichtbar gemacht werden können. Sie ermöglichen es, den Erreger in einer Probe nachzuweisen. In der Hochphase des bisherigen Ausbruchs in Deutschland wurden diese Chemikalien in manchen Labors knapp. Inzwischen ist die Situation wieder entspannt. In den USA erschwerte die Abhängigkeit von den Stoffen allerdings breites Testen über Wochen und ist bis heute ein Problem.
Zulassung im Eilverfahren
Die dortige Arzneimittelsicherheitsbehörde FDA hat daher nun im Eilverfahren den ersten Corona-Test auf Basis der Genschere Crispr zugelassen. Mehrere Teams in Amerika arbeiten an solchen neuen Verfahren zum Nachweis von Sars-CoV-2 in Speichelproben und Rachenabstrichen. Dabei machen sie sich zunutze, dass Crispr typisches Virenerbgut schnell, zuverlässig und ohne die mancherorts knappen Reagenzien identifizieren kann. Das könnte für Corona-Tests zu Hause nützlich sein. Noch hat sich das Prinzip jedoch lediglich in kleinen Labortests bewährt.
Entwickelt haben den nun zugelassenen Test Forscher um den Crispr-Spezialisten Feng Zhang vom Broad Institute in Cambridge, Massachusetts. Hergestellt werden soll er von der Firma Sherlock Biosciences, die Zhang vor zwei Jahren zusammen mit Mitarbeitern gegründet hat. Die Basis bildet ein Mechanismus, mit dem sich winzige Mengen Erbgut in wenigen Schritten vervielfältigen und identifizieren lassen.
Ergebnis wie beim Schwangerschaftstest
Diesen haben die Forscher bereits 2017 erdacht und nun auf das neue Coronavirus angepasst und vereinfacht. Statt das Virenerbgut - wie in den bislang üblichen Tests - über mehrere Schritte zunächst zu vermehren, um dann später typische Virensequenzen erkennen zu können, gelingt beides nun in einem Reaktionsschritt.
Anders ausgedrückt: Statt das Probenmaterial in verschiedenen kleinen Gefäßen mit unterschiedlichen Reagenzien und Temperaturen zu behandeln, können Forscher die Proben in dem neuen Verfahren bei konstanter Temperatur und in nur einem Testgefäß auf das neue Coronavirus prüfen.
Dabei erkennt ein Molekül im Testgefäß einen für das Coronavirus typischen Erbgutabschnitt und stellt daraufhin zahlreiche Kopien her. Die Genschere Crispr kann diese Kopien erkennen. Findet sie entsprechendes Erbgut in der Probe, zerschneidet sie ein Molekül, das durch den Schnitt anfängt zu fluoreszieren. Mit speziellen Geräten lässt sich diese Reaktion erkennen. Nach etwa 40 Minuten steht das Testergebnis fest.
Alternativ kann das Crispr-System Moleküle so zerschneiden, dass sie später ein typisches Muster auf einem Teststreifen erzeugen. War kein Viruserbgut in der Probe, zeigt der Test nur einen Streifen. War Virus vorhanden, sind zwei Streifen sichtbar, wobei der obere klarer zu erkennen ist - ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest. Das Ergebnis steht hier nach gut einer Stunde fest.
Zum Vergleich: Die derzeit genutzte Testmethode nimmt im Labor vier bis sechs Stunden in Anspruch.
spiegel
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