Bevor jetzt ein Aufschrei der Morris- und generell der automobilen Veteranen-Freunde durch das Land hallt: Ja, das Morris-Fotofahrzeug besitzt nicht mehr die Werkskarosserie. Während viele Vorkriegsfahrzeuge als Fahrgestelle geliefert wurden und man sich vom Karosserieschneider seiner Wahl den Aufbau gestalten ließ, wurde der Morris Cowley vorwiegend als Tourenwagen oder Limousine ab Werk geliefert.
Doch wer heute einen der begehrten sportlichen Vorkriegs-Roadster fahren möchte, muss tief in die Tasche greifen – renommierte Athleten aus dem Hause Alfa Romeo, Bentley, Mercedes oder gar Bugatti liegen preislich auf dem Level repräsentativer Immobilien. Dabei sieht der hier besprochene, lange nach dessen Erstzulassung zum Roadster entwickelte Morris, ebenfalls schick und begehrenswert aus, fängt die Blicke der Passanten mit seiner sportiven Aluminium-Karosserie im Renntrimm der Dreißigerjahre ein.
Innen fällt das Armaturenbrett aus sorgfältig gebürstetem Metall ins Auge, wo einst Holz prangte. Und wo heute der Musiktitel des aktuell gestreamten Songs erscheint, lassen sich auch Geschwindigkeit, Öldruck und Tankfüllstand ablesen. Ein bisschen zu bedienen gibt es natürlich auch: Der stylische schwarze Kippschalter aktiviert die durch Winker ersetzten Blinker.
Genug Infos, um Appetit auf eine Ausfahrt zu bekommen. Und bevor der geneigte Enthusiast zur Probefahrt schreitet, sollte er berücksichtigen, dass die beiden kleinen Windschutzscheibchen ihrem Namen nicht mal im Ansatz gerecht werden. Die Hartgesottenen kneifen die Augen zu, alle anderen sollte eine Fliegerbrille aufsetzen. Gewöhnungsbedürftig auch die Pedalaufteilung des Morris Cowley. Hier sitzt das Gaspedal nämlich von Haus aus in der Mitte. Rechts davon ist die Bremse. Beim Testwagen wurde die Anordung wegen der allgemeinen Fahrbarkeit aber wieder getauscht, sodass das Schema dem heute üblichen entspricht. Eigentlich schade, denn die Extra-Herausforderung beim Fahren eines Vorkriegsvehikels gehört irgendwie dazu. Doch keine Sorge, eine gute Portion Aufmerksamkeit verlangt der Cowley Six noch immer.
Intuitiv die Pedale finden – funktioniert nicht, zu weit abgelegen sitzen Kupplung und Bremse, sodass der Fahrer seine Füße bei jeder Betätigung konzentriert und bewusst an die richtige Stelle setzen muss. Beim Getriebe gibt es Entwarnung, denn der für seine Zeit überaus fortschrittliche Morris rollte als Erstauslieferung bereits mit einem (bis auf den ersten Gang) synchronisierten Vierganggetriebe und hydraulischen Bremsen zum Kunden. Zum Zeitpunkt der Probefahrt war allerdings nicht die zeitgenössische Motor- und Getriebeeinheit montiert. Statt des seitengesteuerten Reihensechszylinders treibt ein 1,8 Liter großer Vierzylinder aus dem MG B die Sportkarosse an. Ein Zustand, der sich aber bald wieder ändern wird – die originale Maschine samt Viergang-Box liegt schon zum Einbau bereit.
Den Fahrspaß trübt der Vierzylinder nicht, denn mit seinen 95 PS scheint das schnaubende MG-Triebwerk ein ganzes Jahrhundert auseinanderreißen zu wollen. Wobei der Besitzer versichert, dass das Schalten mit dem originalen Getriebe weder leichter noch schwieriger vonstattengeht. Also, Konzentration und den Schalthebel mit etwas Gefühl eingelegt. Allein der vierte Gang birgt die Gefahr, dass man aus Versehen den ersten trifft, und dann kracht es natürlich.
Längsdynamisch macht der betagte Morris richtig Laune. Verstärkt wird das Gefühl natürlich durch die Lautstärke und den Wind, der den beiden Insassen ins Gesicht weht. Wer genau das mag, wird aus dem Grinsen gar nicht mehr herauskommen. Frappierend, wie gut der mit Starrachse und Blattfedern ausgerüstete Brite in der Spur zu halten ist. Bei manch anderem Fahrzeug aus dieser Zeit fällt es schon schwer, mit 60 km/h geradeaus zufahren. Der alte Morris bringt es gar auf 110 km/h ohne von der Fahrbahn driften zu wollen.
Wer bisher keine Erfahrung mit einem solchen Roadster hatte, muss sich natürlich daran gewöhnen, dass er selbst recht luftig in der Karosse sitzt. Gurte sind hier ebenso wenig zur Stelle wie Türen. Man schwingt sich einfach – eine kleine Trittstufe unterstützt dabei – über den Seitenrahmen auf die herrlich patinierten Ledersitze – fertig. Der Blick Richtung Vorderwagen offenbart die schmalen, zeitgenössisch aussehenden Reifen mit der charakteristischen Speichenfelge, heute verbucht unter Narrow-Format. Beim Rangieren ist das praktisch, schließlich sieht man gleich, wohin der Lenkeinschlag den Wagen führt. Ein bisschen Bizeps schadet aber nicht, denn im Stand oder auch bei langsamer Fahrt muss man ganz schön an dem dünnen Lenkrad zerren.
Bleibt die Frage, wie viel der Spaß kostet. Gar nicht leicht zu beantworten, schließlich kommt es darauf an, ob man eine günstigere Basis für wenige 10.000 Euro kauft und dann selbst Hand anlegt respektive anlegen lässt oder gleich einen Roadster kauft, den die Vorbesitzer "kreiert" haben. Dann kann der Kurs im hohen fünfstelligen Bereich rangieren. Ein Geheimtipp sind auch die preislich attraktiven, allerdings deutlich schwächeren Austin Seven, wenn man ein britisches Produkt möchte. Der hier behandelte Morris Cowley Six hat jedenfalls Coolness-Faktor, überhaupt keine Frage. Wiedersehen macht Freude, aber beim nächsten Mal definitiv mit Reihensechszylinder. Schließlich sagt das ja schon sein Name.
Quelle: ntv.de, Patrick Broich, sp-x
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