Bausparen: Umstrittener Eingriff in Altverträge

  22 Februar 2016    Gelesen: 626
Bausparen: Umstrittener Eingriff in Altverträge
Zur Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit können Bausparkassen in bestehende Verträge eingreifen. Ob das die Kündigung hoch verzinster Altverträge rechtfertigt, ist aber fraglich.
Statt der früher üblichen Fixverzinsung werden nun regelmäßig Verträge mit befristeter Fixverzinsung oder dynamischer Verzinsung, welche sich den Umständen auf dem Kapitalmarkt anpassen, aufgesetzt. Dies hat den Vorteil, dass das Zinsänderungsrisiko an den Kapitalmarkt gekoppelt ist, sodass die Überlebensfähigkeit der Kreditinstitute in einer Niedrigzinsperiode, wie gegenwärtig vorherrschend, gewährleistet ist. In den wenigen in Österreich bestehenden Altverträgen mit hoch festgesetzten Zinsen bleibt der vom Bausparer zu beziehende Guthabenzins, unabhängig von der Entwicklung des Kapitalmarkts, hoch. Diese Ausnahmefälle ergeben somit in Österreich dieselben Probleme, mit denen auch deutsche Kreditinstitute seit einigen Jahren zu kämpfen haben.

Deutsche Kündigungswelle

In Deutschland, wo das alte Verzinsungsmodell generell beibehalten wurde, kam es in jüngster Vergangenheit zu einer Kündigungswelle. Gestützt wurden die Kündigungen auf eine dem österreichischen Recht fremde Norm, die dem Darlehensnehmer gestattet, nach zehn Jahren ab Erhalt der Darlehensvaluta den Vertrag zu kündigen. Da die Bausparkasse für die eingesparten Beträge Guthabenzinsen zu entrichten hat, ist sie in dieser Konstellation Darlehensnehmer. Eine höchstgerichtliche Entscheidung steht noch aus.

Fraglich ist, auf welche Gründe sich österreichische Bausparkassen stützen können. Die ordentliche Kündigung nach § 986 ABGB ist jedenfalls oft (noch) kein geeignetes Mittel: Der deutsche Bundesgerichtshof hat nämlich die ordentliche Kündigung bei Bausparverträgen nur zugelassen, wenn die Guthabenhöhe die Bausparsumme erreicht oder übersteigt und somit die Aufnahme eines Bauspardarlehens rechnerisch nicht mehr möglich ist. Dies begründet er mit dem Zweck des Bausparvertrags zur Verschaffung eines Bauspardarlehens. Die Bausparkasse soll sich nicht von der ihr auferlegten Hauptverpflichtung dadurch befreien können, dass sie den Vertrag mithilfe dieser Maßnahme beseitigt, wenn der Zweck noch erfüllbar ist. Es wäre zu erwarten, dass auch der Oberste Gerichtshof dieser Rechtsansicht folgen würde.

Der von Wüstenrot beschrittene Weg über den Rechtsbehelf zur Änderung der Allgemeinen Bedingungen scheint in dieser Hinsicht auf den ersten Blick effektiver. Zur Änderung dieser ABB sind die Kreditinstitute gemäß § 7 Abs 1 Bausparkassengesetz berechtigt; sie können grundsätzlich in bestehende Verträge eingreifen. Dazu bedarf es allerdings einer Genehmigung der Finanzmarktaufsicht (FMA), welche eine solche nur erteilen darf, wenn die Änderungen der „Sicherung der dauernden Funktionsfähigkeit der Bausparkasse“ nützen und die Interessen der Bausparer berücksichtigt werden.

Fest steht, dass eine Zinsänderung kein berücksichtigungswürdiges Interesse der Bausparer beeinträchtigt: Nach den ABB ist Zweck des Bausparvertrags die Verschaffung eines zweckgebundenen Darlehens. Für den Bausparer besteht zwar keine vertragliche Pflicht zur Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens. Allerdings hat dieser auch kein schutzwürdiges Interesse an einer günstigen Geldanlage. Er kann zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen, den Bausparvertrag als renditestarke Geldanlage zu verwenden, sondern lediglich darauf, ein Bauspardarlehen zu erhalten. Die Maßnahme der Bausparkasse, die Reduktion des Zinsniveaus, hat letztendlich keinen negativen Einfluss auf die Zweckerfüllung des Bauspargeschäfts, sondern dient lediglich der wirtschaftlichen Begünstigung der Bausparkasse.

Nur wenige Problemfälle

Dass eine solche Änderung allerdings zur Sicherung der dauernden Funktionsfähigkeit der Bank geeignet ist, ist nur dem ersten Anschein nach ersichtlich: Der Umsatz der Bausparkassen ergibt sich aus der Differenz zwischen dem bezogenen Sollzins und dem zu entrichtenden Guthabenzins. Lassen die Bausparer einerseits ihr Guthaben auf dem Bausparkonto liegen und lukrieren regelmäßig ihren hohen Zins, und nehmen sie andererseits nie ein verzinstes Bauspardarlehen in Anspruch, ist das für die Bausparkassen wirtschaftlich unrentabel. Insoweit wäre tatsächlich die dauernde Funktionsfähigkeit von Wüstenrot gefährdet, wenn der Großteil der Bausparverträge derart hohe Zinsen festsetzt.

Angesichts der geringen Anzahl an Altverträgen ist allerdings zu bezweifeln, dass tatsächlich die dauernde Funktionsfähigkeit der Bank gefährdet ist. Die Folgen dieser wenigen Altverträge sind „lediglich“ Gewinneinbußen geringen bis mittleren Ausmaßes. Demnach erscheint mangels Gefährdung der dauernden Funktionsfähigkeit von Bausparkassen ein Eingriff in bestehende Verträge durch Reduktion des Zinssatzes unzulässig.

Gangbar wäre für Wüstenrot der Weg, weiterhin auf den mit den Kunden vereinbarten Regelsparbeiträgen zu bestehen. Sobald das Bausparguthaben die Bausparsumme als „sensible Schwelle“ erreicht, steht den Bausparkassen das ordentliche Kündigungsrecht zu.

Im Ergebnis steht die Änderung des Zinssatzes durch die Bausparkasse auf schwachen Beinen. Die FMA hat die Genehmigung bereits erteilt und stützt diese auf den verfehlten Zweck des Bauspargeschäfts. Eine nach § 7 BSpG notwendige Gefährdung der dauernden Funktionsfähigkeit ist jedoch infolge der geringen Anzahl an Altverträgen kaum zu erblicken, was letztlich die Genehmigung der FMA zweifelhaft erscheinen lässt.

Mag. Oiwoh schrieb seine Diplomarbeit zum Thema „Zur Kündigung von Bausparverträgen im deutschen und österreichischen Recht“. Bis zu seinem Abschluss war er
Studienassistent an der Uni Graz.

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