So können E-Auto-Akkus recycelt werden

  19 Juni 2020    Gelesen: 876
So können E-Auto-Akkus recycelt werden

Der Akku ist das Herzstück von Elektroautos - er steckt voller begehrter Metalle. Doch große Teile landen im Müll, das Recycling ist kompliziert, die Ökobilanz bisher schlecht. Neue Verfahren versprechen einen Ausweg.

Exakt 36.188 reine Elektroautos sind von Januar bis Mai laut Kraftfahrt-Bundesamt in Deutschland zugelassen worden. Das waren - trotz Corona-Beschränkungen – rund 11.000 mehr als im Vorjahreszeitraum. Die E-Autos kommen und damit drängt die Frage, was eigentlich mit den vielen Akkus passiert, wenn die Speicherkapazität nachlässt oder das ganze Fahrzeug stillgelegt wird.

"Wenn das E-Auto zur Lösung unserer Umweltprobleme beitragen soll, muss das Thema Recycling schleunigst auf die Tagesordnung der Entsorgungsunternehmen, aber vor allem auf die der Politik", fordert Andreas Radics, geschäftsführender Partner der Beratungsfirma Berylls Strategy Advisors. Andernfalls drohen gewaltige Müllberge.

Die Politik hat das Thema grundsätzlich erkannt. Im Oktober will die EU eine neue Recyclingrichtlinie für Lithium-Ionen-Akkus verabschieden. Denn ausgerechnet der boomende Batterietyp, der in Elektroautos, aber auch in E-Scootern, Pedelecs, Drohnen oder Roboter-Rasenmähern millionenfach im Einsatz ist, findet im derzeitigen Regelwerk aus dem Jahr 2006 keine besondere Beachtung und wird unter "sonstige Batterien" geführt.

Warum Lithium bisher fast immer verbrannt wird
Vorgeschrieben ist lediglich eine Recyclingquote von 50 Prozent. Dabei wäre viel mehr herauszuholen, weltweit macht das Batterierecycling technisch große Fortschritte. "Die jetzige Regelung ist nicht mehr akzeptabel, wir drängen auf eine deutlich höhere Quote. Und zudem auf Recyclingzielvorgaben für einzelne Stoffe wie Kobalt, Lithium, Nickel und Kupfer", sagt Julia Poliscanova, Batterie-Expertin der ökologisch orientierten Lobbyorganisation Transport & Environment. "Für Nickel und Kupfer sind beispielsweise Recyclingquoten von mehr als 90 Prozent im Gespräch."

"Die gegenwärtigen Vorgaben erreicht man schon fast dadurch, indem das Batteriegehäuse, das Thermomanagement und die Verkabelung den etablierten Recyclingverfahren zugeführt werden", sagt Joachim Schmidt, Professor am Institut für Recycling an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfsburg.

Dagegen werden die Batteriezellen, in denen die eigentlichen Wertstoffe stecken, bisher nur zum Teil aufgearbeitet. Meist werden sie unter hohem Energieeinsatz eingeschmolzen. Dabei wird ein Großteil der enthaltenen Metalle Kobalt und Nickel zurückgewonnen, wodurch Recyclingquoten von bis zu 70 Prozent erzielt werden.

Es gibt aber längst Bestrebungen, auch die übrigen 30 Prozent Batteriezellenmaterial zurückzugewinnen, die jetzt noch in der Schlacke landen und für eine Wiederverwertung verloren sind. Vor allem beim ökologisch und strategisch heiklen Lithium sind Fortschritte nötig. Das Leichtmetall wird derzeit vor allem in China, Argentinien, Chile und Bolivien gewonnen, was ökonomische Abhängigkeiten schafft. Dazu bedarf es großer Mengen Grundwasser, was die Versteppung der Abbaugebiete beschleunigt, wie Untersuchungen zeigen.

Der wirtschaftliche Anreiz zu recyceln ist bisher gering. Ein Lithium-Ionen-Akku eines Elektrokleinwagens mit rund 50 kWh Speicherkapazität enthält etwa fünfeinhalb Kilo Lithium - das entspricht einem Wert von nur etwa 250 Euro. Die Wiederaufarbeitung des Stoffes ist teurer. "Es gehört zur bitteren Realität, dass sich die Materialrückgewinnung trotz steigender Rohstoffpreise nicht lohnt. Die Förderung von Lithium oder Kobalt ist derzeit einfach billiger", sagt Berylls-Berater Radics. Er prophezeit allerdings auch, dass sich dies aufgrund der steigenden Nachfrage ändern werde. "Recyclat wird dadurch immer attraktiver für die Industrie."

Das liegt einerseits an den erwarteten strengeren Regularien, hat aber auch mit Angebot und Nachfrage zu tun. Für das Recycling von Lithium-Ionen-Akkus bedeutet das: Je mehr dieser Batterien ausrangiert werden und für die Wiederverwertung zur Verfügung stehen und je mehr die in ihnen enthaltenen Rohstoffe benötigt werden, desto rentabler wird das Recyclinggeschäft. Allein für Europa prognostiziert das Beratungsunternehmen Roland Berger in einer Studie ein Marktvolumen von bis zu 1,4 Milliarden Euro im Jahr 2030 für das Recycling von Lithium-Ionen-Akkus. Mit dem zusätzlichen Effekt, dass durch den entstehenden Materialkreislauf der Bedarf an manchen Akkurohstoffen innerhalb der EU zu einem Drittel gedeckt werden kann.

Neue Verfahren, um alle Wertstoffe zurückzugewinnen
Höhere Recyclingquoten als tragfähiges Geschäftsmodell - daran arbeitet beispielsweise die Firma Duesenfeld aus Wendeburg (Niedersachsen). Die Experten dort haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Lithium-Ionen-Akkus effizienter und ergiebiger als bislang aufbereiten lassen. Die Batteriezellen werden zunächst mechanisch zerkleinert. Dann wird die Batterieflüssigkeit, der Elektrolyt, zurückgewonnen. Danach wird das verbleibende Granulat, auch Schwarzmasse genannt, weiterverarbeitet. Mittels chemischer Prozesse – sogenannter hydrometallurgischer Verfahren – werden außer Kobalt und Nickel auch Lithium, Mangan und Grafit getrennt und zurückgewonnen. Die Recyclingquote liegt bei 91 Prozent. "Zudem verbessert unser Verfahren die Gesamt-Ökobilanz des Akkus, weil die sonst üblichen, Energie- und damit CO2-intensiven Hochtemperaturprozesse beim Einschmelzen der Schwarzmasse entfallen", sagt Duesenfeld-Gründer Christian Hanisch.

Das Akkurecycling vereinfachen will auch das Fraunhofer IWKS (Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie) in Hanau. Dort wurde ein Verfahren entwickelt, das schon beim Zerstückeln der Akkuzellen die wesentlichen Bestandteile voneinander trennt: die elektrohydraulische Zerkleinerung. Dabei werden die Batteriezellen in einem Wasserbecken mit Elektroschocks traktiert. "Es wirkt jeweils für sehr kurze Zeit ein sehr hoher Druck auf die Akkuzellen, die sich dadurch an den Schwachstellen – also dort, wo unterschiedliche Materialien aufeinandertreffen – trennen", erklärt Jörg Zimmermann, Leiter des Zentrums für Demontage und Recycling am Fraunhofer IWKS. "So lassen sich die einzelnen Bestandteile sicher und ohne weitere chemische oder thermische Behandlung separieren und leichter sortieren." Die Anlage befindet sich im Projektstadium. Ob sich eine Industrialisierung lohnt, ist noch offen.

Viele Autohersteller setzen auf "Zweitnutzung"
Auch Volkswagen hat im Zuge der Elektroauto-Offensive das Thema Akkurecycling entdeckt. In der zweiten Jahreshälfte soll im Werk Salzgitter eine Pilot-Recyclinganlage in Betrieb gehen, die zunächst auf maximal 1200 Elektroauto-Akkus pro Jahr ausgelegt ist.

Die meisten Hersteller von Elektroautos – von BMW bis Tesla, von Opel bis Renault – favorisieren für ausrangierte Autoakkus sogenannte Second-Life-Anwendungen. Dabei werden die Batterien weiter als Stromspeicher genutzt, nur eben nicht in Autos, sondern etwa für Windenergieanlagen oder Ladestationen. Erst wenn eine solche Zweitnutzung nicht mehr möglich ist, tritt Plan B in Kraft: das Recycling.

Das delegieren die meisten Autohersteller bisher an externe Unternehmen. Wenn jedoch in Zukunft bei der Akku-Fabrikation nach und nach eine Kreislaufwirtschaft entsteht, dürfte das Geschäft mit den zurückgewonnenen Rohstoffen zunehmend rentabel werden. Noch offen ist die Frage, wer davon am meisten profitieren wird.

spiegel


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